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Iranische Aktivistin erzählt von ihrer inneren Zerrissenheit

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Bewegende Lebensgeschichte: Aktivistin und Künstlerin Parastou Forouhar (links) im Gespräch mit Moderatorin Regina Heidecke.
Bewegende Lebensgeschichte: Aktivistin und Künstlerin Parastou Forouhar (links) im Gespräch mit Moderatorin Regina Heidecke. © Kegler

Die iranische Aktivistin und Künstlerin Parastou Forouhar gibt in Langen Einblicke in ihr bewegtes Leben. Bei der Veranstaltungsreihe „Reginas Gäste“ erzählt sie von der Ermordung ihrer Eltern.

Langen – Es sind Klänge des Protests, die zu hören sind. Ein Video des iranischen Musikers Shervin Hajipour flackert über die Leinwand des gut gefüllten Saals der Stadthalle. „Baraye“ heißt das Lied, das zum Symbol des Aufstands gegen die Mullahs und das Regime im Iran geworden ist. Parastou Forouhar hat es mitgebracht. Die Künstlerin und Aktivistin kommt aus dem Iran und sitzt im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Reginas Gäste“ am Tisch von Regina Heidecke. Seit über 30 Jahren lebt Forouhar schon in Deutschland und setzt sich mit ihrer Kunst für die Protestbewegung ein, die mit ihrem Motto „Frauen, Leben, Freiheit“ inzwischen weltweit bekannt ist.

„Bei meinem letzten Besuch in Teheran habe ich dieses Lied überall auf der Straße gehört. Es war wie ein Gezwitscher, das aus jedem Fenster hallte“, beginnt sie zu erzählen und schaut zurück auf das Jahr 1991. Seinerzeit flieht Forouhar aus ihrem Heimatland. Als Tochter zweier Eltern, die schon damals auf die Straße gehen, um gegen die Führung zu protestieren, ist sie sich früh bewusst, unter welchem Regime die Gesellschaft leidet. „Ich musste erst einmal raus.“ Sie reist nach Deutschland und absolviert an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach ein Aufbaustudium, während ihr Vater in Teheran im Gefängnis sitzt. Die Sorge um ihn begleitet Forouhar Tag für Tag. „Meine Familie hat mich dahingehend sehr geprägt, dass man immer einen Preis zu zahlen hat“, erklärt sie der Gastgeberin Heidecke.

Den größten Preis müssen Dariush und Parvaneh Forouhar schließlich am 21. November 1998 zahlen. Von einem Bekannten erfährt Parastou vom Tod ihrer Eltern – mutmaßlich getötet vom iranischen Geheimdienst. Es seien Ritualmorde gewesen, erzählt Forouhar mit gebrochener Stimme und blickt in viele bedrückte Gesichter der gut 80 Zuhörer. „Eineinhalb Dutzend Agenten haben sie überfallen und mit dutzenden Messerstichen getötet – meinen Vater sogar in der Bibliothek des Hauses und in Richtung Mekka schauend.“ Seither lebt Parastou Forouhar zwischen zwei Kulturen. Die innerliche Zerrissenheit ist es, die sie an diesem Abend immer wieder betont.

Die öffentliche Aufklärung der grauenvollen Taten macht sich Forouhar fortan zur Lebensaufgabe, schreibt Reiseberichte von ihren jährlichen Besuchen im Iran und findet so viele Mitstreiter. „Meine Eltern waren durch ihre radikale Meinung und den friedlichen Protest gegen die islamische Republik sehr bekannt und beliebt“, so die Aktivistin. Forouhar initiiert einen Prozess gegen die mutmaßlichen Agenten und bekommt auch dabei viel Unterstützung. Dass der Geheimdienst und das Mullah-Regime hinter den Taten stecken, ist jedoch bis heute nicht aufgeklärt worden.

Durch die Kunst versucht Forouhar nun, ihr Schicksal zu verarbeiten und hat mit ihren Werken und Ausstellungen bundesweit Erfolg. Auf der Leinwand erscheint eine digitale Zeichnung und die Künstlerin erklärt: „Auf den ersten Blick fallen nur die bunten Ornamente ins Auge. Doch je länger man die Bilder betrachtet, desto mehr Gewalt entdeckt man.“ Ob die Rolle als Aktivistin der Künstlerin in die Quere kommt, möchte Heidecke wissen und Forouhar entgegnet: „Im Moment ist mein Schwerpunkt klar auf der Aktivistin, denn die aktuelle Revolution im Iran ist eine andere als früher.“ Die Rolle der Frau sei im Iran schon immer eine starke gewesen, doch nun sei es zu einem feministischen Aufstand gekommen, der auch von den Männern getragen werde. „Er richtet sich gegen das gesamte System und fordert nicht nur Reformen, sondern die Abschaffung. Und dabei zu sehen, auf wie vielen kleinen Schultern dieser Wandel getragen wird, begeistert mich sehr.“

Den Todestag ihrer Eltern hat Parastou Forouhar zum Gedenktag erklärt und reist jedes Jahr von Deutschland nach Teheran. Trotz vieler Schikanen bei der Einreise und der stetigen Gefahr, selbst ins Fadenkreuz zu geraten, will sie nicht aufgeben: „Es ist schlimm, dass man vor einem Land so viel Angst hat, zu dem man gleichzeitig so viel Verbundenheit spürt. Aber so fühlt es sich für mich an, im Exil zu leben.“ (Moritz Kegler)

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