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Bei Not- und Krisensituationen: Familienpfleger unterstützen im Alltag

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Von: Julia Radgen

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Petra Bösser ist Familienpflegerin beim ZenJA mit Leib und Seele. Sie hat meist zwei bis drei Klienten oder Familien, die sie auf unterschiedliche Weise unterstützt.
Petra Bösser ist Familienpflegerin beim ZenJA mit Leib und Seele. Sie hat meist zwei bis drei Klienten oder Familien, die sie auf unterschiedliche Weise unterstützt. © Strohfeldt

Der Familienpflegedienst des Langener Mehrgenerationenhauses ZenJA hilft in Not- und Krisensituationen, den Alltag zu bewältigen. Viele Eltern wissen gar nicht, dass sie diese Hilfe beantragen können.

Langen – Was tun, wenn man sich als Alleinerziehende den Fuß gebrochen hat, als alleinstehender Senior Unterstützung im Haushalt oder als Mutter von Mehrlingen Hilfe mit den Kindern benötigt? Bei all diesen Lebenslagen hilft der Familienpflegedienst (FamOS!) des Langener ZenJA. Dessen Herzstück sind die Familienpflegerinnen und -pfleger, die stunden- und tageweise die Familien und Personen besuchen und ihnen helfen, im Alltag zurechtkommen.

„Wir erhalten Anfragen mit ganz unterschiedlichen Anforderungen“, sagt Corinna Bohr vom ZenJA-Elternservice, der die Familienpflege koordiniert. Das reiche von Unterstützung bei der Kinderbetreuung und einfachen Haushaltsarbeiten bis hin zu Schwimmausflügen mit einer leicht dementen Person. „Oder auch einfach mal gemeinsam rausgehen in die Sonne.“ Die Anfragen seien unglaublich weit gefächert, sagt Bohr. „Und damit auch spannend für unsere Familienpflegerinnen und -pfleger.“ Natürlich freut sich das ZenJA-Team besonders, wenn die begleiteten Menschen im Zuge dessen mehr Zeit im Mehrgenerationenhaus verbringen. „Wenn man schon mal einen Fuß ins ZenJA gesetzt hat, fällt es leichter, auch andere Angebote zu nutzen.“

Viele Menschen wissen gar nicht, was ihnen zusteht.

Corinna Bohr (ZenJA-Elternservice)

Für die Familienpflege ist die Beratung besonders wichtig. „Viele wissen gar nicht, was ihnen zusteht“, sagt Bohr. Die Experten im ZenJA wissen Bescheid, was man über welchen Träger abrechnen kann, was Krankenkasse oder Jugendamt zahlen und welche Fördertöpfe es gibt. Vielen Schwangeren oder frischgebackenen Müttern sei nicht bekannt, dass ihnen Unterstützung im Haushalt zusteht, sofern sie den nicht mehr führen können.

Die Familienpflegerinnen – aktuell sind es rund 30 Personen – haben eine Grundqualifikation durchlaufen. Diese will das ZenJA laut Bohr als Nächstes selbst anbieten und setzt dafür die 2500 Euro aus dem Anerkennungspreis der „Aktion Generation – lokale Familien stärken“ des Sozialministeriums ein. Die Helferinnen und Helfer sind auf unterschiedliche Weise beschäftigt: als Ehrenamtliche mit Aufwandsentschädigungen, als Minijobberinnen oder mit einem Rahmenvertrag. Doch im Mittelpunkt steht für alle, anderen zu helfen, weiß Bohr: „Sie wollen eine Tätigkeit mit Sinn und mit ihrer Zeit etwas Wertvolles anfangen.“

Mutter Melanie Becker mit ihren Drillingen Marcus, Marcel, Moritz und dem fünfjährigen Maximilian.
Corinna Bohr ZenJA-Elternservice © privat

Eine dieser Familienpflegerinnen ist Petra Bösser. Die Langenerin macht den Job seit 2019 und hat ihre Berufung gefunden. „Man weiß nie, was morgens auf einen wartet. Jeder Tag ist unberechenbar. Das ist das Spannende“, sagt die 63-Jährige. Sie hat schon immer nebenbei gern Kinder betreut und in ihrem letzten Bürojob gemerkt, dass sie mehr braucht. „Ich bin ein Bewegungsmensch und hatte immer ein Kribbeln in den Füßen“, erzählt sie. Durch eine Freundin stößt die Mutter von zwei Kindern und mittlerweile Oma von drei Enkeln auf das ZenJA und die Tätigkeit in der Familienpflege.

„Das Schöne ist, dass man in einer Familie ist und den Alltag miterlebt“, sagt Bösser. Corinna Bohr ist jederzeit ihre Ansprechpartnerin, sollte es mal irgendwo haken. „Passt die Chemie gar nicht, wird jemand anderes für die Familie gesucht“, sagt Bösser. Das sei ihr aber noch nie passiert. „Es klappt bisher alles hervorragend“, sagt sie. Die Tätigkeiten, die auf die Familienpflegerin zukommen, sind ganz unterschiedlich – je nachdem, was gebraucht wird. Einer krebskranken Frau hilft sie im Haushalt und ist natürlich auch ein wichtiger sozialer Kontakt. Anderen hilft sie beim Einkaufen, geht mit den Kindern auf den Spielplatz oder versorgt auch die Haustiere.

Man weiß nie, was morgens auf einen wartet. Jeder Tag ist unberechenbar. Das ist das Spannende.

Petra Bösser (Familienpflegerin)

Gut zwei Jahre lang greift Petra Bösser jeweils fünf Stunden pro Tag Melanie Becker aus Rodgau mit ihren Drillingen unter die Arme. „Neun mal wickeln in dieser Zeit ist schon eine Hausnummer“, sagt Bösser. Becker, Mutter von vier Kindern, wurde durch die Frühen Hilfen des Kreises auf die Unterstützung aufmerksam. In der Beratung wurde ihr bereits während der Schwangerschaft mit den Drillingen das ZenJA empfohlen. Dass jemand Fremdes ins Haus kommt, fand sie zunächst komisch, gibt sie heute zu. „Ich habe es zuerst etwas abgeblockt und dachte, wir schaffen es irgendwie, aber jetzt bin ich so froh, dass ich meine Angst überwunden habe“, sagt Becker, deren Mann Vollzeit berufstätig ist. „Die Familienpflegerinnen sind reine Engel“, schwärmt die Mutter. Sie helfen beim Füttern, Wickeln und gehen mit den Babys spazieren, was Becker Zeit verschafft, um kurz durchzuschnaufen und für ihren großen, heute fünfeinhalbjährigen Sohn da zu sein.

Die Finanzierung bewilligt zu bekommen sei allerdings nicht so einfach gewesen. Becker musste immer wieder die Kostenübernahme beim Jugendamt beantragen, auch hier erhielt sie Unterstützung von der Abteilung Frühe Hilfen und vom ZenJA. „Man muss schon darum kämpfen und darf nicht aufgeben“, appelliert die Rodgauerin an andere Mütter.

Familienpflege und kostenlose Beratung

Der Familienpflegedienst FamOS! überbrückt Not- und Krisensituationen rund um die Familie, zum Beispiel bei Risikoschwangerschaften oder Mehrlingsgeburten, während eines Krankenhaus- oder Kuraufenthalts, bei besonderen Belastungen durch chronische Erkrankung, Pflegebedürftigkeit oder Behinderung, akuten Erkrankungen oder bei Überforderung mit Haushaltsführung, Erziehung oder wirtschaftlichen Problemen – von Babys bis Senioren sind alle Altersstufen abgedeckt. Ist man krank und kann seine Kinder nicht mehr wie gewohnt versorgen, steht laut Paragraf 38 des Fünften Sozialgesetzbuchs Hilfe zu: „Jede Familie mit Kindern unter zwölf Jahren hat das Recht auf Familienpflege/Haushaltshilfe, wenn der betreuende Elternteil ausfällt wegen Krankheit, Kur oder Überlastung.“

Der Familienpflegedienst vermittelt dann etwa einen qualifizierten Babysitter oder eine von den Krankenkassen finanzierte Familienpflegerin. Die geschulten Begleiterinnen kommen zu Menschen nach Hause, stellen die Versorgung der Kinder und die Haushaltsweiterführung sicher und unterstützen auch bei bürokratischen Abläufen wie Anträgen an die Krankenkasse. Die Beratung selbst – unabhängig davon, ob ein Einsatz zustande kommt – ist für Familien laut ZenJA kostenlos. (jrd)

Die Familienpflegerin Petra Bösser ist zum Beispiel aber auch bei einem schwerstbehinderten Mädchen fünf Stunden pro Tag im Einsatz. „Man wächst hinein in diese Aufgaben“, sagt Bösser. Natürlich sei Empathie wichtig. „Nur dann kann man diese Tätigkeit mit Leib und Seele ausführen“, glaubt sie. Dennoch sei es wichtig, nach Feierabend eine klare mentale Grenze zu ziehen, um sich selbst nicht zu belasten.

„Es ist nicht immer leicht. Aber wenn einem gesagt wird ,Ich bin so froh, dass ihr da wart‘, ist das das schönste Gefühl“, sagt Bösser. Sie könne die Tätigkeit nur jedem empfehlen, der empathisch ist, gerne mit Menschen arbeitet, Herausforderungen nicht scheut und sich die Zeit flexibel einteilen will. Das ZenJA ist stets auf der Suche nach neuen Familienpflegepersonen. Wer sich für die Tätigkeit interessiert, erreicht Corinna Bohr unter 06103 23033 oder c.bohr@zenja-langen.de. (Julia Radgen)

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