Langener Ausländerbeirat hat viel vor

Der Langener Ausländerbeirat hat sich neu aufgestellt und viele Ideen. Das 13-köpfige Gremium packt auch schwierige Themen an.
Langen – Quasi generalüberholt ging der Langener Ausländerbeirat nach der Kommunalwahl am 14. März 2021 in die Zukunft. Mit vielen frischen Gesichtern – nur zwei der 13 Mitglieder waren zuvor schon dabei – stellte sich die Interessenvertretung der nichtdeutschen Langenerinnen und Langener neu auf. Ein gutes Dreivierteljahr nach der konstituierenden Sitzung im April wird es Zeit für eine erste Zwischenbilanz. „Aus Corona-Gründen konnten wir nicht so viel machen, wie wir wollten“, sagt der Vorsitzende des Ausländerbeirats, Mehmet Canbolat, ebenfalls neu im Gremium. „Trotzdem haben wir einiges auf die Beine gestellt.“
Höhepunkt war eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Die Verantwortung der Religionen für Frieden und Gerechtigkeit“ im Rahmen der Interkulturellen Wochen. Als Reaktion auf den wieder aufflammenden Nahost-Konflikt hatte der Ausländerbeirat Ende Oktober Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften in die Stadthalle eingeladen, um mit ihnen über die Auswirkungen von Glaubenskonflikten auf die Gesamtgesellschaft zu diskutieren. „Die Resonanz war sehr gut“, freut sich Canbolat.
Auch bei seinen eigenen Sitzungen – bislang waren es sieben – geht der Ausländerbeirat in die Tiefe und lädt sich regelmäßig Redner oder Gesprächspartner ein. So hielt ein wissenschaftlicher Mitarbeiter des Polizeipräsidiums Südosthessen einen Vortrag über politisch motivierte Kriminalität und Extremismus, auch die Mitglieder des Jugendforums präsentierten dem Ausländerbeirat ihre Ideen und Lea Berend von der städtischen Fachstelle Migration berichtete über die Situation der Flüchtlinge in Langen.
Dazu ging es im August nach Glashütten im Taunus zu einer Klausurtagung. Als Gast war Stadtverordnetenvorsteher Stephan Reinhold (CDU) dabei, der den Mitgliedern des Ausländerbeirats erklärte, wie die Stadtverwaltung funktioniert und welche Einflussmöglichkeiten die verschiedenen politischen Organe haben. Auch Hüsamettin Eryilmaz, Vorsitzender des Kreisausländerbeirats des Kreises Offenbach, fuhr mit und berichtete über das Wirken seines Gremiums. Auch trat der Ausländerbeirat im September der Initiative „WählenGehen“ bei, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die in Langen traditionell niedrige Wahlbeteiligung zu steigern. „Viele von uns haben an der Plakataktion teilgenommen. Wir hoffen, dass wir so einen Beitrag leisten konnten“, sagt Canbolat.
Der 64-Jährige ist ein Spezialist für interkulturelle Zusammenarbeit, hat er doch Anfang der 90er Jahre die Städtepartnerschaft Langens mit dem türkischen Tarsus – seinem Geburtsort – mitinitiiert. Doch nicht nur der Austausch zwischen seinen beiden Heimatstädten ist Canbolat, der seit 1992 am Sterzbach lebt und als Journalist arbeitet, wichtig. Er schätzt die große kulturelle Vielfalt im aktuellen Ausländerbeirat. Neun Nationalitäten sind dort vertreten: Die Mitglieder stammen aus der Türkei, der Ukraine, Italien, Ägypten, Afghanistan, dem Irak, Pakistan, Eritrea und Nigeria. Auch die Altersspanne ist groß: Der Älteste ist Dr. Tharwat Kades mit 80 Jahren, die Jüngste Sabrin Ali Said, gerade mal 19. „Ich freue mich sehr über die jungen Leute“, sagt Canbolat. „Sie sind selbstbewusst, rufen mich oft an und stellen pfiffige Fragen. Politische Lebenserfahrung beginnt immer in solch kleinen Gremien.“
Seit 1991 aktiv
Der Ausländerbeirat vertritt seit 1991 die Interessen der Langener Migranten. Er wird alle fünf Jahre neu gewählt. Die Mitglieder haben Sitz und Rederecht in der Stadtverordnetenversammlung und in den Ausschüssen. Weitere Infos gibt es auf langen.de/de/auslaenderbeirat.html oder per Mail unter auslaenderbeirat@langen.de. (msc)
Dank der vielen neuen Mitglieder – und trotz Pandemie – sprüht der Ausländerbeirat vor Ideen, für die Zukunft ist schon einiges geplant. In diesem Jahr will das Gremium einen Malwettbewerb ausrichten, an dem Migranten wie Einheimische ihre Sicht auf Langen künstlerisch darstellen können. Die Preisverleihung sowie eine Ausstellung sollen im Herbst während der Interkulturellen Wochen stattfinden. „Wir möchten damit das Zugehörigkeitsgefühl ein bisschen steigern“, erklärt Canbolat.
Am 20. Februar jährt sich der Terroranschlag von Hanau zum zweiten Mal. Zu diesem Anlass überlegt der Ausländerbeirat, einige der Opferfamilien zu einer Podiumsdiskussion einzuladen. „Wir wollen die Augen nicht davor verschließen, dass so etwas auch uns hier treffen kann“, meint Canbolat. Lässt Corona eine Präsenzveranstaltung nicht zu, wolle man auf Zoom ausweichen. Im kleineren Rahmen möchte das Gremium eine Gesprächsrunde mit Flüchtlingen und Vertretern der Stadt organisieren. „Die Familien sollen einmal direkt ihre Sorgen vortragen können“, erläutert Canbolat. „Viele haben Probleme mit Behördengängen oder bei der Wohnungssuche.“
Dazu möchte der Ausländerbeirat Bildungsspaziergänge durch Langen für Migranten anbieten – mit Übersetzung. Zu historischen Orten wie Stadtmauer und -kirche soll es ebenso gehen wie zu bedeutenden Unternehmen wie der Flugsicherung, Pittler oder dem Paul-Ehrlich-Institut. Ebenfalls angedacht ist ein Nachtfußball-Angebot: An einem Tag in der Woche sollen Jugendliche ab 17 Jahren, Jungen und Mädchen, mit und ohne Migrationshintergrund, ab 22 Uhr zusammen kommen und gemeinsam kicken können. (Manuel Schubert)