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Langener Grüne: Tempolimits mit Lokalexpertise festlegen

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Von: Julia Radgen

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Noch mehr Tempo 30 – wie hier in der Elisabeth-Selbert-Allee – das wollen manche Fraktionen nicht.
Noch mehr Tempo 30 – wie hier in der Elisabeth-Selbert-Allee – das wollen manche Fraktionen nicht. © Schubert

Die Langener Grünen scheitern im Parlament mit einem Antrag zum Thema Tempolimit. Die Gegner fürchten, dass 30 km/h der neue Standard werden.

Langen – Tempo 30 oder 50 – auf welchen Straßen darf wie schnell gefahren werden? Das sollten die Kommunen entscheiden, finden die Langener Grünen. Sie haben daher einen Antrag eingebracht, dass Langen der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ beitritt.

Dieses Bündnis, dem inzwischen fast 250 Kommunen angehören, setzt sich für eine Änderung der Straßenverkehrsordnung ein, damit eben Städte die Geschwindigkeitsbegrenzungen auf ihren Straßen bestimmen können (siehe Kasten). Denn aktuell ist das Sache des Landes. „Uns sind aber bei den Vorbehaltsstraßen immer die Hände gebunden, wie man zum Beispiel am Flickenteppich in der Rheinstraße sieht“, begründet die Grünen-Fraktion ihren Vorstoß.

Klingt erst mal gut soweit? Das finden nicht alle anderen Fraktionen im Stadtparlament. Schon im Bauausschuss hatte es Kritik von CDU, FDP und FWG-NEV gegeben. Die Befürchtungen: mehr Stau, längere Fahrzeit, zu viel Reglementierung und allen voran – überall Tempo 30. Gegen Stimmen von NEV und FDP und bei Enthaltung der CDU wurde die Drucksache im Ausschuss dennoch mehrheitlich angenommen.

Damit es keine Missverständnisse gibt, betont Ingo Eberhard (Grüne) im Stadtparlament noch einmal den Kern der Forderung. „Wir wollen, dass die Kommunen die Entscheidungshoheit über die Geschwindigkeitsbegrenzung bekommen.“ Die Stoßrichtung sei zwar Tempo 30, aber das werde natürlich nicht für alle Straßen gelten. „Wichtig ist, dass wir entscheiden, wie schnell gefahren wird“, erklärt Eberhard.

Jasmin Berger von der SPD hält es ebenfalls für sinnvoll, dass die Kommune entscheiden kann und betont: „Das bedeutet nicht, dass in Langen flächendeckend Tempo 30 eingeführt wird.“ Aber man könne bestimmte Straßen sicherer gestalten – auch für Fahrradfahrer – und einen Beitrag zur Verkehrswende leisten.

Das sieht Joost Reinke (WiLa) genauso: „Wir müssen mehr an Radfahrer und Fußgänger denken und weniger Tempo bedeutet auch weniger CO2.“ In diesem Fall werde versucht, Politik von unten nach oben zu machen – „das macht Sinn“, findet Reinke.

CDU-Vorsitzender Christian Gött erwidert: „Das ist keine Sache der Stadtverordnetenversammlung, sondern des Bürgermeisters als Ordnungsbehörde.“ Zudem habe er sich das Positionspapier der Initiative „Lebenswerte Städte“ angesehen und darin einen Satz gefunden, der die Zustimmung unmöglich mache, so Gött für seine Fraktion. Dort steht, das Straßenverkehrsrecht müsse zulässige Höchstgeschwindigkeiten neu regeln – 30 km/h sollten dabei die Regel sein, alles andere die Ausnahme. „Das ist eine komplette Umkehr der aktuellen Situation und das halten wir für falsch“, sagt Gött. Damit werde der Beitritt zu einer ideologischen Frage, betont der CDU-Fraktionsvorsitzende und bemängelt fehlende Transparenz seitens der Antragsteller.

Ähnliche Bedenken hat Christian Jaensch von der FDP. Er meint, diese Frage solle Landes- oder Bundespolitik regeln: „Diesen Umweg hier kann ich nicht gutheißen.“

Radikal oder harmlos? Über die Initiative

Die Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ wurde im Juli 2021 von sieben Städten bei einer Online-Veranstaltung von Agora Verkehrswende und dem Deutschen Städtetag gestartet. Die ökologisch ausgerichtete Denkfabrik („Thinktank“) Agora, wiederum eine Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation, ist nach wie vor Partnerin der Initiative.

Erklärtes Ziel der Lebenswerten Städte – zu denen bereits 249 Kommunen gehören – ist es, sich gegenüber dem Bund einzusetzen, dass Städte und Gemeinden selbst entscheiden dürfen, wann und wo welche Geschwindigkeiten angeordnet werden. Ein „stadt- und umweltverträgliches Geschwindigkeitsniveau im Kfz-Verkehr“ sieht das Bündnis als Voraussetzung für lebenswerte Städte.

Beigetreten sind unter anderem Berlin, Köln, Frankfurt und Darmstadt, aber auch viele kleine Gemeinden. Im Positionspapier findet sich der von der CDU zitierte Satz, in Klammern angemerkt. In den Kernpunkten der Erklärung, die die Bürgermeister der teilnehmenden Städte unterzeichen sollen, steht zu Tempo 30: Man sehe es auch auf Hauptverkehrsstraßen als integrierten Bestandteil eines nachhaltigen Mobilitätskonzepts und fordere den Bund auf, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass Kommunen „ohne weitere Einschränkungen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts dort anordnen können, wo sie es für notwendig halten“. (jrd)

Claudia Trippel (FWG-NEV) argumentiert, hinter der Initiative stecke die Agora Verkehrswende GmbH – „das ist eine Lobbyvereinigung“, so Trippel. Zudem würden eine solche Mitgliedschaft und die damit verbundenen Aufgaben wieder Arbeitskräfte in der Verwaltung binden. Überdies wäre es für die Ampelkoalition ein leichtes, den Kommunen die Entscheidungsgewalt über Tempolimits auf den Straßen zu geben. „Es ist Ihr Job als Regierungsparteien, dafür zu sorgen, dass das geht“, feixt Trippel in Richtung von Grünen und Sozialdemokraten.

Andreas Keppeler (CDU) befürchtet, man schicke „die Kommune in den Stau“. In Langen seien Autofahrer zu Stoßzeiten ohnehin staugeplagt und das Verkehrsaufkommen bleibe ja gleich – ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf Lieferunternehmen und Transportdienste.

Die letzte Wortmeldung zum Thema gehört Cornelius Miller vom Jugendforum. Er kann die Kritik am Bündnis nicht nachvollziehen: „Frankfurt hat zugestimmt, Hamburg gehört zu den Initiatoren und Dreieich ist Mitte Juli beigetreten. Wenn diese Städte kein Problem mit der Initiative haben, wieso sollten wir eines haben?“

Doch auch dieser Appell vermag das Abstimmungsergebnis nicht mehr in andere Bahnen zu lenken: Mit 21 zu 19 Stimmen wird der Antrag mehrheitlich abgelehnt. Die Vertreter von CDU, NEV, FDP und UWFB setzen sich gegen den Rest der Stadtverordnetenversammlung durch. (Julia Radgen)

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