1. Startseite
  2. Region
  3. Langen

Langener Jugendarbeit in der Krise

Erstellt:

Von: Julia Radgen

Kommentare

Trister Anblick: Im Jugendzentrum an der Nördlichen Ringstraße ist seit Monaten nichts los.
Trister Anblick: Im Jugendzentrum an der Nördlichen Ringstraße ist seit Monaten nichts los. © Strohfeldt

Die Personalsituation bei der städtischen Koordinationsstelle Jugendarbeit ist prekär: Das Langener Jugendzentrum (Juz) ist seit Jahresende geschlossen.

Langen – Chillen im Bistro, Kursangebote, Proberäume und aufsuchende Jugendarbeit in den Stadtteilen – all das bietet normalerweise das Jugendzentrum (Juz) Langen. Doch seit geraumer Zeit ist die Einrichtung an der Nördlichen Ringstraße geschlossen. Der Grund: Personalmangel.

Die Lage hat sich bereits im Dezember zugespitzt: In der letzten Stadtverordnetenversammlung des Jahres 2022 teilte der Magistrat mit, dass von den sieben pädagogischen Stellen in der städtischen Jugendarbeit – drei davon der Stadt zugeordnet, vier freien und kirchlichen Trägern – ein Großteil vakant sei: wegen Kündigungen oder Elternzeiten der pädagogischen Fachkraft, eine Person verabschiedet sich ins Sabbatical, zudem werde seit längerem ein neuer Jahrespraktikant gesucht. Aktuell sind nach Angaben des Magistrats vier Stellen bei der Stadt unbesetzt (eine Leitung, zwei Sozialpädagogen – eine dieser Stellen war zuvor bei einem freien Träger angesiedelt – sowie die Jahrespraktikantenstelle). Bei den freien und kirchlichen Trägern sei eine Stelle vakant (jeweils ein weiterer Mitarbeiter in Elternzeit und Sabbatical). Unter den Fachkräften, die gegangen sind, ist Carda Schübelin, zuvor pädagogische Leiterin der Koordinationsstelle Jugendarbeit im Juz, die ins Rathaus gewechselt ist.

Seit Anfang Dezember ist nun das Jugendzentrum zu. Das kommuniziert die Einrichtung auch auf ihrer Homepage: „Unser Haus ist wegen Personalmangel derzeit geschlossen. Das Angebot der Berufswegebegleitung findet nach wie vor statt“ ist da zu lesen – mit Hinweis auf die Erreichbarkeit per E-Mail. Ansonsten herrscht im Haus weitgehende Leere. Das Jugendforum nutzt noch gelegentlich die Räume. Dessen pädagogische Betreuung, angedockt an die Koordinationsstelle Jugendarbeit im Juz, ist auch weggefallen und unterliegt interimsmäßig der Leitung des städtischen Fachdienstes 25.

Wir können am Geld schlecht drehen.

Stefan Löbig (Zuständiger Dezernent)

Alles keine rosigen Aussichten und bislang fehlt der politische Aufschrei. Einen Versuch, die festgefahrene Situation zu verbessern und das Thema auf die Agenda zu heben, unternehmen nun die Langener Grünen, die eine Podiumsdiskussion organisiert haben (siehe Kasten). Doch wie konnte es soweit kommen?

Erster Stadtrat Stefan Löbig, zuständiger Dezernent für den Bereich Jugend, dementiert das Gerücht von einer „Kündigungswelle“. „Da ist viel zeitlich zusammengefallen“, so Löbig. Neben Kündigungen seien Erkrankungen, der Wechsel in Teilzeittätigkeit wegen Kinderbetreuung, Elternzeit und interne Wechsel der Grund für die Personalflaute. Das Problem betreffe die Stadt genauso wie die freien und kirchlichen Träger: die Evangelische Kirchengemeinde Langen, der Caritasverband Offenbach und die Arbeiterwohlfahrt Langen (Awo). Sie stellen pädagogische Fachkräfte, die jeweils zur Hälfte im Juz und zur Hälfte in der Quartiersarbeit in dem ihnen zugewiesenen Sozialraum eingesetzt werden – finanziert wird das alles von der Stadt.

Grüne organisieren Podiumsdiskussion

„Wie geht es weiter mit der Jugendarbeit in Langen?“, fragen die Langener Grünen und organisieren für Samstag, 1. April, 10.30 bis 11.30 Uhr, eine Podiumsdiskussion zum Thema. „Ende 2022 wurde die Arbeit in der Koordinationsstelle Jugendarbeit (Juz) komplett eingestellt. Seitdem gab es noch keine Stellenausschreibung seitens der Stadt“, kritisiert die Fraktion. In einer öffentlichen Gesprächsrunde mit Vertretern von Stadt, Jugendforum und externen Experten wollen die Veranstalter das Thema beleuchten und Perspektiven aufzeigen. Veranstaltungsort ist der „Grüne Bereich“, das Grünen-Regionalbüro in der Neckarstraße 2 / Ecke Bahnstraße.

Auf dem Podium sitzen Erster Stadtrat Stefan Löbig (Grüne), unter anderem Dezernent für Jugendarbeit, Martina Waidelich (Leiterin des Fachdienstes Migration, Jugend und Spielplätze der Stadt), Cornelius Miller, stellvertretender Vorsitzender des Jugendforums, und Tom Heilos, Mitglied des Jugendbeirats in Seligenstadt und Verantwortlicher für Kinder- und Jugendarbeit der Stadt Seligenstadt (ebenfalls Grüne). Die Veranstaltung wird moderiert von der Langener Grünen-Fraktionsvorsitzenden Martina Dröll (Mitglied im Ausschuss für Soziales, Kultur und Sport) und Brigitte Henze, Mitglied im Vorstand des Grünen-Ortsverbandes. Es ist ausdrücklich erwünscht, dass auch das Publikum Fragen an die Gesprächsteilnehmer stellt. (jrd)

Daher habe das Juz komplett geschlossen werden müssen. „Ein Teilangebot war mit zwei Mitarbeitern nicht zu stemmen“, so der Dezernent. Dass das Problem seit Dezember noch nicht in den Griff zu bekommen war, liege auch an der schwierigen Marktlage bei pädagioschen Fachkräften. Löbig betont, die Stadt habe die Leitungsstelle im Juz ausgeschrieben. Damit hängen in gewisser Weise aber auch die anderen Posten zusammen. „Wir wollen, dass das neue Team das Konzept selbst erarbeitet und damit verinnerlicht“, so Löbig. Normalität werde somit wohl erst einkehren, wenn die Juz-Mitarbeiter wieder komplett sind. „Wir hoffen, dass wir schnell passende Leute finden“, sagt Löbig.

Anreize könne die Stadt nur bedingt schaffen. „Wir können am Geld schlecht drehen“, so der Dezernent, schließlich sei die Stadt an Tarifverträge gebunden. Übertarifliche Bezahlung sei aufgrund der Haushaltslage nicht drin. Mit Gimmicks wie dem Job-Ticket oder -Fahrrad will die Stadt versuchen, eine Schippe draufzulegen. Aber viel laufe über persönliche Weiterempfehlung, meint Löbig und hat da Hoffnung. „Die Mitarbeiter sind ja nicht im Bösen gegangen.“

Wir brauchen von allen Seiten ein Bekenntnis, dass diese wichtige Arbeit weiterlaufen kann.

Susanne Alberti (Evangelische Pfarrerin)

Bei der Evangelischen Kirchengemeinde, einem der Träger, ist gerade eine Stelle vakant. „Eine Stadt wie Langen braucht die offene und aufsuchende Jugendarbeit“, betont Pfarrerin Susanne Alberti und bedauert die Juz-Schließung. Was das Werben für den Job angehe, habe der Träger wenig Spielraum, die Verantwortung liege bei der Stadt, so Alberti. „Die Stadt muss Kontinuität und feste Zusagen zur Arbeitszeit sowie -dauer bieten“, betont die Pfarrerin. Im Falle der Mitarbeiterin, die gekündigt habe, sei etwa nicht klar gewesen, ob sie weiterhin beschäftigt worden wäre. Statt in der Luft zu hängen, zog sie die Reißleine. Alberti verweist auf die langjährige gute Zusammenarbeit zwischen Stadt und Träger, was das Juz und die offenen Angebote für Jugendliche angehe. „Wir als Evangelische Kirche waren von vorneherein mit im Boot.“ Es sei wichtig, dass alle zusammenarbeiten, um die Situation zu verbessern.  „Wir brauchen von allen Seiten ein Bekenntnis, dass diese wichtige Arbeit weiterlaufen kann“, so Alberti. Das sei nicht zuletzt für Mitarbeitende wichtig.

Die Awo hat aktuell nur eine Stelle in der Jugendarbeit für Langen besetzt, wie Geschäftsführer Dirk Hartmann berichtet. „Der Kollege ist gerade in Elternzeit, wir hoffen, dass er planmäßig wiederkommt“, teilt er mit.

Die Caritas ist der dritte Partner im Bunde. Die Bereichsleitung aus Rodgau sagte auf Nachfrage unserer Zeitung, sie könne zur Thematik keine Auskunft geben und verwies an die Stadt. (Julia Radgen)

Auch interessant

Kommentare