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Scheidender Stadtwerke-Chef Pusdrowski: „Stress gehört zur Stellenbeschreibung dazu“

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Von: Manuel Schubert, Julia Radgen

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Grünes Erinnerungsstück: Manfred Pusdrowski vor „seinem“ Baum, der nun am KBL-Betriebshof steht – ein Abschiedsgeschenk seiner Angestellten und des Stadtwerke-Aufsichtsrats.
Grünes Erinnerungsstück: Manfred Pusdrowski vor „seinem“ Baum, der nun am KBL-Betriebshof steht – ein Abschiedsgeschenk seiner Angestellten und des Stadtwerke-Aufsichtsrats. © Strohfeldt

Nach 21 Jahren als Chef der Stadtwerke und Kommunalen Betriebe Langen geht Manfred Pusdrowski in Rente. Im Interview spricht er über seinen Abschied.

Langen - Zum Abschied hat Manfred Pusdrowski von seinen Angestellten nachhaltige Geschenke bekommen: zwei Bäume. Der eine steht bereits vor dem KBL-Betriebshof in der Darmstädter Straße, für den anderen wird noch ein Plätzchen gesucht. Zum 1. August geht Pusdrowski in Rente, nachdem er 21 Jahre lang die Stadtwerke und die Kommunalen Betriebe Langen (KBL) in Personalunion geleitet hat. Im Interview spricht der 65-Jährige über die Herausforderungen des Ukraine-Kriegs, der Corona-Pandemie und des Klimawandels. Außerdem erklärt er, warum er nie ein Homeoffice gebraucht hat und warum er sich nun auf ein bisschen Langeweile freut.

Wenn Sie Ihren ersten Arbeitstag mit Ihrem letzten vergleichen: Wie hat sich der Job verändert?

Vor allem der Arbeitsplatz hat sich stark verändert: Internet, E-Mail, Smartphone, Whatsapp... Diese Medienvielfalt und Kommunikationsmöglichkeiten gab es damals noch nicht.

Und was die Arbeit an sich betrifft?

Der Umstieg auf erneuerbare Energien hat in den letzten 20 Jahren immer mehr Drive gekriegt. Die Schwerpunkte haben sich in Richtung Energiewende und Ökologie verschoben. Auch Elektromobilität war vor 20 Jahren noch kein Thema. Und: Damals haben sich alle darum gerissen, bei den Stadtwerken zu arbeiten. Heute suchen wir händeringend qualifizierte Leute.

Woran liegt das?

Vom Fachkräftemangel sind ja nicht nur wir betroffen. Meiner Meinung nach liegt es daran, dass in Deutschland die Handwerkerjobs – die Berufe jenseits der akademischen Ausbildung – in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt wurden. Alle gehen an die Uni, aber Meister oder Facharbeiter sind kaum noch zu finden. Auch weil die Gehaltsschere sehr weit auseinander gegangen ist. Das Renommee von Handwerksberufen wurde vernachlässigt. BWLer gibt’s immer noch genug. Aber Ingenieure, Elektromeister – da hapert’s.

Welcher Teil Ihres Jobs hat Ihnen am meisten Spaß gemacht?

Wir haben ja einmal im Jahr den Malwettbewerb „Sicherer Bus“. Wenn dann die sechsjährigen Mädchen und Jungen mit Lehrern, Eltern, Oma und Opa zur Preisverleihung bei uns ins Casino kommen und stolz wie Oskar sind – das hat mir jedes Jahr riesengroßen Spaß gemacht. Und als Geschäftsführer der Stadtwerke, KBL, BaHaMa und BML war ich auf vielen unterschiedlichen Gebieten unterwegs und musste viel kommunizieren, auch in die Gremien und Ausschüsse hinein. Könnte schon sein, dass mir das in Zukunft ein bisschen fehlt.

Fiel Ihnen der Spagat als Chef mehrerer großer Unternehmen schwer?

Die Aufgabe als Betriebsleiter der KBL war für mich immer genauso wichtig wie die bei den Stadtwerken. Ich habe da keinen Unterschied gemacht, sondern beide Betriebe mit ihren Belegschaften immer als Einheit gesehen.

Auf welche Erfolge sind Sie besonders stolz?

Ein Leuchtturmprojekt war für mich „FENK“, die Feuerwehr-Erweiterung und der Neubau des KBL-Betriebshofs. Das war und ist eine wunderbare Kooperation. Dort ist ja auch die ALEG (Abfallservice Langen Egelsbach GmbH, Anm. d. Red.) ansässig, dazu gibt es ein Blockheizkraft der Stadtwerke, das die Gebäude an der Südlichen Ringstraße, am Belzborn und das Baugebiet Leimenkaute in Egelsbach mit Wärme versorgt. Der Fernwärmeausbau mit sechs großen Blockheizkraftwerken, die wir gebaut haben und zunehmend vernetzen, war überhaupt ein wesentlicher Bestandteil meiner Arbeit. Genauso wichtig für die Stadtentwicklung war der Verkauf der Brachflächen rund um den Stadtwerke-Turm, wo jetzt viele Wohnungen entstehen. Stolz bin ich auch auf den neuen Friedpark mit pflegefreien Bestattungsmöglichkeiten unter Bäumen auf dem Friedhof oder die Einführung von Unterflursystemen in der Müllabfuhr. Die Vielfalt der Themen war zwar anstrengend und eine Herausforderung, hat aber den Reiz des Jobs ausgemacht.

Gab es ein Ereignis, das Sie besonders ins Schwitzen gebracht hat?

Oh ja (lacht). Mir sind vor allem zwei Aufregerthemen in Erinnerung geblieben. Das erste ist ein Fall aus dem Neurott. Ein Vater und sein Sohn haben dort 2003 auf einer Baustelle gebuddelt und ein altes Kabel mit der Flex durchgesägt. Da war aber noch Strom drauf. Die sind regelrecht durch die Luft geflogen, ein großer Knall. Wie durch ein Wunder ist ihnen nichts passiert, aber in Langen und Egelsbach war für sechs Stunden der Strom weg. Die Erleichterung einerseits, dass ihnen nichts passierte, aber andererseits das Management dieses großen Stromausfalls – das werde ich so schnell nicht vergessen.

Was war das zweite Ereignis?

Das war 2009 und 2010, das sogenannte „Horror-Hochhaus“ in der Dieburger Straße 1. Die damalige Hausverwaltung hatte das Abrechnen komplett vergeigt, sodass Stadt und Stadtwerke irgendwann Außenstände in Höhe von 400 000 Euro hatten. Die Mieter haben brav die Nebenkosten bezahlt, aber die Hausverwaltung hat es nicht richtig weitergeleitet. Das ging so weit, dass wir irgendwann drohen mussten: Wir stellen Strom und Wasser ab. Wir hatten schon die Stadthalle hergerichtet, damit die Leute irgendwo übernachten können, wenn das Haus unbewohnbar wird. Das drohte wirklich zur Ruine zu werden. Irgendwann hat dann eine neue und seriöse Hausverwaltung das Gebäude übernommen und da Ordnung reingebracht. Eine aufregende Geschichte, aber mit gutem Ausgang.

Sind Sie jemand, der sich von so etwas stressen lässt oder bleiben Sie besonnen und ruhig?

Das ist schon Stress, aber der gehört als Geschäftsführer zur Stellenbeschreibung dazu. Und ich habe eine Eigenschaft, die mir sehr zugute kommt: Ich nehme solche beruflichen Aufreger nicht mit nach Hause. Auch wenn ich manchmal erst um 22 Uhr aus dem Büro gekommen bin: Danach hat mich Eintracht Frankfurt wesentlich mehr interessiert als das „Horror-Hochhaus“ (lacht).

Homeoffice gibt es im Hause Pusdrowski nicht?

Nein. Ich habe in all den Jahren zu Hause kein Büro gehabt. Wenn etwas war, bin ich immer in den Stadtwerke-Turm gefahren, zur Not auch am Wochenende. Mit dem Auto waren es für mich nur zwei Minuten von Linden bis ins Büro. Die Themen habe ich immer dort gelassen.

Ihre letzten Monate bei den Stadtwerken waren vermutlich etwas turbulenter, als Sie es sich erhofft hatten.

Die letzten Jahre sind schon eigenartig. Erst Corona, jetzt der Ukraine-Krieg mit den Verwerfungen auf den Strom- und Gasmärkten – das ist ein heftiger Schlusspunkt.

Wie sehr bereitet Ihnen die aktuelle Situation Sorgen?

Das werden auf jeden Fall die Themen sein, die auch meinen Nachfolger beschäftigen. Corona ist nicht zu Ende, da gibt es immer wieder Überraschungen. Was, wenn sich ein Drittel der Belegschaft krank meldet? Das muss man so organisieren, dass auch bei Personalengpässen Strom, Gas und Wasser weiter funktionieren. Dazu kommt jetzt die Aufgabe, dass das Gas überhaupt erst mal da sein muss. Der Energie-Einkauf ist eine Herausforderung. Wir decken uns gerade zu horrenden Preisen für die nächsten Jahre ein. Aber was, wenn die Preise wieder runtergehen? Eine vernünftige Preispolitik – die Stadtwerke sind ja eher langfristig orientiert und ändern nicht wie an der Tankstelle täglich die Preise – wird nicht leicht. Es sind heikle Zeiten für die Branche.

An heißen Tagen kam es in den vergangenen Sommern – wenn viele Langener gleichzeitig gegossen oder ihre Pools befüllt haben – schon zu Druckabfällen in den Leitungen. Sehen Sie perspektivisch durch den Klimawandel auch die Gefahr einer Wasserknappheit?

Jein. Wir haben durch den Klimawandel im Sommer immer länger anhaltende Hitzeperioden. An diesen ganz heißen Tagen ist es ein Problem, den Wasserbedarf zu decken, weil er so extrem hoch ist. Vergangene Woche Dienstag hatten wir in Langen einen Rekord der Wasserabgabe an einem Tag: 9 100 Kubikmeter. Normal sind um die 7 000. Da kommen die Systeme an ihre Grenzen.

Was ist die Lösung?

Deutschland ist ein Wasserparadies, wir haben genug. Aber an ganz heißen Tagen haben wir ein Problem mit der Verteilung. Die Systeme umzubauen wäre sehr teuer und würde an 95 Prozent der Tage gar nicht benötigt. Deswegen ist es besser, wenn die Leute einsehen, dass es wichtig ist, an den heißen Tagen Wasser zu sparen. Das ist auch mein Appell: dass die Menschen noch bedachter damit umgehen, den Rasen auch mal braun werden lassen oder kürzer duschen.

Sehen Sie die Gefahr, dass gar kein Wasser mehr aus der Leitung kommt?

Es war schon ein paar mal am Anschlag, aber noch bewältigen wir das. Dass die Wasserversorgungssysteme komplett zusammenbrechen, das glaube ich nicht. Aber es braucht ein Umdenken jedes Einzelnen.

Ein immer größeres Thema wird auch die E-Mobilität. Wie sehen Sie Langen und Egelsbach hier aufgestellt?

Die E-Mobilität wird sich ohne Zweifel durchsetzen. Ich glaube: In spätestens fünf Jahren kaufen wir alle Elektrofahrzeuge – und die müssen natürlich betankt werden. Wer in nächster Zeit baut oder renoviert, sollte das berücksichtigen. Auch öffentliche Ladesäulen werden gebraucht. Ich glaube aber, dass diese weniger auf kommunalen Flächen entstehen, sondern vor allem vor Supermärkten oder an Tankstellen. Auch wird es Schnellladestationen geben, die von bundesweit tätigen Unternehmen betrieben werden. Ich sehe die Stadtwerke vor allem für den Anschub zuständig. Zum Beispiel haben wir ja zusammen mit der Deutschen Flugsicherung auf ihrem Mitarbeiterparkplatz Ladesäulen eingerichtet. Die Ladeinfrastruktur insgesamt wird sich auf verschiedene Akteure verteilen.

Was erwarten Sie sich vom Hopper, der ab dem 1. September durch Langen und Egelsbach fährt?

Dem Hopper gehört die Zukunft im ÖPNV. Wir haben heute diese Riesenbusse, die in den Randstunden zum Teil leer durch die Gegend fahren. Der Hopper ist da flexibler. Er wird die Bedürfnisse zu einem großen Teil abdecken und den Stadtbus ein Stück weit ersetzen. Die Bewältigung des Schülerverkehrs morgens und mittags ist natürlich ein anderes Thema. Die Einführung des Hoppers wird sicher nicht einfach, vor allem am Anfang müssen die Leute ja erst mal verstehen, wie das mit der Buchung funktioniert. Aber ich denke, der Hopper kann den ÖPNV maßgeblich verändern.

Wie wichtig war es für den nahtlosen Übergang, dass Sie Ihren Nachfolger Uwe Linder vier Monate lang einarbeiten konnten?

Als es hieß, Herr Linder kommt aus Krefeld, hatte ich mich darauf eingestellt, dass das jemand ist, der Langen und Egelsbach nicht kennt, dem ich erst mal alles zeigen muss. Aber er ist in Langen aufgewachsen und kennt die Stadt besser als ich. Er kennt sich auch fachlich sehr gut aus. Insofern war die Einarbeitungszeit sehr produktiv, harmonisch und reibungslos. Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass das ohne mich problemlos weitergeht.

Zur Person

Manfred Pusdrowski wurde 1957 im niedersächsischen Quakenbrück geboren. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Osnabrück und der Volkswirtschaftslehre in Göttingen wurde er 1988 Vorstandsassistent bei der EVO. Für den Offenbacher Energieversorger war er 13 Jahre lang tätig, später auch als Finanzprokurist und Leiter der Unternehmensplanung. 2001 wechselte er als Geschäftsführer zu den Stadtwerken Langen und wurde außerdem Leiter der Kommunalen Betriebe Langen (KBL). Im Lauf der Jahre kamen auch noch Geschäftsführerposten bei der Beteiligungsmanagement Langen GmbH (BML) und der Bäder- und Hallenmanagement Langen GmbH (BaHaMa) hinzu. Pusdrowski ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.

Sein Nachfolger Uwe Linder kommt von der NGN Netzgesellschaft Niederrhein in Krefeld, ist jedoch in Langen aufgewachsen. Pusdrowski hat ihn bereits seit dem 1. April eingearbeitet. (msc)

Trotzdem: Fällt Ihnen der Abschied in solch einer turbulenten Zeit schwer?

Ach, ich bin jetzt 65 und der Job ist sehr herausfordernd. Wenn da mal jemand mit einem neuen, frischen Blick seinen Dienst antritt, ist das nicht zum Schaden. 21 Jahre habe ich das gemacht, die Stadtwerke sind jetzt also erwachsen (lacht). Stadtwerke und KBL sind gut aufgestellt. Ich glaube, ich hinterlasse einen geordneten Laden.

Worauf freuen Sie sich nun im Ruhestand?

Dass der berufliche Druck, das Einprasseln dieser vielen Themen, jetzt einer gewissen Gelassenheit weicht. Ich freue mich auf ganz gewöhnliche Dinge wie Gartenarbeit, Fahrradfahren, Reisen und Lesen. Außerdem habe ich noch ein paar Ehrenämter: Ich bin Mitglied im Lions Club, im Kuratorium der Bürgerstiftung und im Aufsichtsrat der Baugenossenschaft.

Also wird Ihnen sicher so schnell nicht langweilig werden.

Ich glaube nicht. Wobei: Ehrlich gesagt freue ich mich sogar auf ein bisschen Langeweile.

Wieso denn das?

Einfach, um mal aus diesem Hamsterrad rauszukommen. Das ist keine schlechte Vorstellung. Mein Vater und meine Geschwister leben noch in Norddeutschland, ich werde sicher öfter etwas Zeit dort oben verbringen. Frei zu sein – das ist schon eine schöne Perspektive. Aber der Lebensmittelpunkt bleibt Langen. (Interview: Manuel Schubert und Julia Radgen)

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