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Mit Projekt an Langener Schule Sozialverhalten stärken

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Von: Julia Radgen

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Erst mal warm machen: Für die Klasse 4d der Ludwig-Erk-Schule spielen die Darsteller eine Szene, dann erarbeiten die Kinder Lösungsansätze.
Erst mal warm machen: Für die Klasse 4d der Ludwig-Erk-Schule spielen die Darsteller eine Szene, dann erarbeiten die Kinder Lösungsansätze. © -Strohfeldt

Kinder haben besonders unter der Pandemie zu leiden. Mit dem theaterpädagogischen Projekt „Willkommen im WIR“, das an der Langener Ludwig-Erk-Schule zu Gast war, soll den Mädchen und Jungen die Gelegenheit gegeben werden, ihr Sozialverhalten zu stärken.

Langen – Daria, Ali und Klara haben von ihrer Lehrerin eine Gruppenaufgabe bekommen – sie sollen ein Plakat über Katzen erarbeiten. Doch während Klara dafür gewissenhaft den vorgegebenen Text lesen will, macht Daria nur Quatsch, schmeißt Stifte herunter und beginnt schon mal zu basteln. Ali sitzt derweil im wahrsten Sinne des Wortes zwischen den Stühlen und sagt nicht viel zu den streitenden Mädels. Dabei hat er Katzen und könnte so viel zum Thema beitragen...

Diese Szene führen die Schauspieler des People’s Theatre – einem preisgekrönten Verein aus Offenbach – an diesem Vormittag in der Turnhalle der Ludwig-Erk-Schule auf. Die 4d schaut den Darstellern gebannt zu. Denn die Grundschüler wissen, dass sie gleich Fragen dazu beantworten müssen – und sogar in die Rolle einer der Figuren schlüpfen dürfen, um den Konflikt zu lösen.

Die Szene ist Teil des theaterpädagogischen Projekts „Willkommen im WIR“, das in der vergangenen Woche zu Gast an der Ludwig-Erk-Schule Langen war. Das interaktive Gruppentraining soll den Kindern helfen, spielerisch ihr Sozialverhalten zu stärken und zur Entwicklung ihrer Persönlichkeit beitragen. Das ist vor allem vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie wichtig – denn die damit verbundenen Einschränkungen gehen an Kindern nicht spurlos vorbei. „Der Mangel an sozialen Kontakten und weniger Bewegungsaktivitäten erschweren das Erlernen von sozialen Kompetenzen. Einige Kinder reagieren vermehrt aggressiv oder mit Verhaltensängsten und Rückzug“, weiß Christoph Singer von der Langener Koordinierungs- und Fachstelle „Demokratie leben!“. Das vom Bund geförderte Programm ist Partner des Projekts, das diesen Tendenzen bei den Grundschülern entgegenwirken soll.

Iman Naghashian vom Peoples’s Theatre kam mit dem Projekt direkt auf die Ludwig-Erk-Schule zu. „Normalerweise ist es andersherum“, erzählt er. „Aber das hier ist meine alte Grundschule, also habe ich mit der Idee angerufen und die Schulleiterin war direkt aufgeschlossen“, freut sich Naghashian. „Es ist ein großartiges Projekt“, lobt Rektorin Kristina Vatter. Für jede der vier vierten Klasse steht in dieser Woche täglich eine Schulstunde mit der Theatergruppe auf dem Programm. Die Schüler seien engagiert bei der Sache, die Rückmeldungen der Lehrenden durchweg positiv, sagt Vatter. „Und die Kinder können die erlernten Lösungsansätze und Ideen eins zu eins auf dem Schulhof umsetzen.“ Dass das Projekt kurz vor der Klassenfahrt auf dem Programm steht, ist willkommenes Timing.

Aber zurück zur 4d: Die Kinder haben die Szene fertig geschaut. Klara und Daria haben sich darin lautstark zerstritten, Ali ist ratlos, was er tun soll. Als Erstes will Moderatorin Valentina von den Schülern wissen, was passiert ist. „Eine ist traurig, weil sie angeschrien wurde, und die andere, weil ihre Stifte runtergeschmissen wurden“, fasst ein Mädchen zusammen. Und wie fühlen sich die Charaktere jetzt wohl? Damit klappt die Analyse gleich besser. „Daria will, dass sie auch mal was machen darf“, meint ein Junge. Klara wolle immer nur bestimmen, finden mehrere Kinder. Warum hat die Gruppenarbeit also nicht funktioniert, will die Moderatorin vom People’s Theatre wissen. Das ist den Viertklässlern schnell klar. „Daria will lieber basteln, Klara kann dafür gut lesen“, sagt ein Mädchen über die Figuren. Ali weiß viel über Katzen, meint ein Junge. Aber er kommt gar nicht zu Wort. Eigentlich haben also alle sich ergänzende Stärken. „Ist es denn schlimm, dass jeder eine unterschiedliche Meinung hat?“, fragt Moderatorin Valentina. Ein Junge meldet sich zögerlich und sagt leise, aber bestimmt: „Nein, weil jeder Mensch anders ist!“

Aber wie lässt sich dieser Konflikt nun lösen – vor dieser kniffeligen Aufgabe steht die Klasse. Wer eine Idee hat, darf sie selbst in der Szene ausprobieren. Als Erstes schlüpft Farin in die Rolle von Ali und tauscht mit dem Schauspieler den Platz. Die Szene beginnt von vorn – natürlich improvisiert. Der Viertklässler der LES setzt auf versöhnliche Worte: „Ihr solltet nicht streiten, sonst werden wir nie fertig und kriegen eine schlechte Note.“ Leicht machen es ihm die Schauspielerinnen nicht, aber Farin bleibt souverän in der Schlichterrolle. Als Klara vorschlägt, die Gruppenarbeit ohne Daria zu machen, erwidert er: „Nein, wir machen das zu dritt!“ Das klappt, der Streit eskaliert nicht. Dann schlüpft Farin wieder aus der Rolle und bespricht mit der Klasse die Szene, bevor sein Mitschüler Yahya seine Idee ausprobiert: Bei ihm darf jeder der drei abwechselnd bestimmen, wie die Gruppenarbeit abläuft – und er unterbindet, dass Daria Klara ärgert.

Am Ende wissen die Kinder, was die Gruppenarbeit bezwecken soll – und was das Thema der Stunde ist: Zusammenarbeit. Den entsprechenden Sticker dürfen sie auf ein Plakat kleben – es gab schon Lektionen zu Freundschaft, Ermutigung und wie wichtig es ist, die Wahrheit zu sagen. Auch Klassenlehrerin Bettina Haase ist begeistert. „Wir haben einen Klassenrat, in dem wir Probleme in der Gruppe besprechen, aber das hier ist natürlich ganz anders“, sagt sie. Durch das Rollenspiel können die Kinder klassische Konflikt-Situationen neu erleben. „Dass sie sich in die Figuren hineindenken, ist sehr wichtig und sorgt für Aha-Momente“, meint die Klassenlehrerin, die stolz auf die Neun- bis Zehnjährigen ist. „Selbst die ruhigeren Schüler blühen beim Theater sichtlich auf“, sagt Haase.

Von Julia Radgen

Unharmonische Gruppenarbeit: Die Szene der Figuren (von links) Klara, Ali und Daria eskaliert schnell. Das Besondere: Danach dürfen die Schüler selbst in die Rollen der Schauspieler vom People’s Theatre schlüpfen und ihre Ideen ausprobieren.
Unharmonische Gruppenarbeit: Die Szene der Figuren (von links) Klara, Ali und Daria eskaliert schnell. Das Besondere: Danach dürfen die Schüler selbst in die Rollen der Schauspieler vom People’s Theatre schlüpfen und ihre Ideen ausprobieren. © strohfeldt

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