Prozess um Manipulation von Spielautomaten eingestellt
Langen - Der Glücksspielanbieter gewinnt immer – eine Weisheit, die Zocker gemeinhin ignorieren. Wer aber versucht, dem Glück illegal auf die Sprünge zu helfen und erwischt wird, landet vor Gericht. Wie ein Duo, das sich jüngst vor Amtsrichter Volker Horn verantworten musste. Von Holger Borchard
Vorwurf: Diebstahl aus einem Spielautomaten unter Einsatz eines Manipulationsgerätes. Die Indizienkette ist vordergründig geschlossen: Eine erfolgreiche Polizeikontrolle, dazu Beweise wie eine auffällige Menge Bargeld in typischer Stückelung in den Hosentaschen, eine sichergestellte Kabelvorrichtung Marke Eigenbau und ein Spielautomat mit unerklärbarem Geldschwund in just jener Gaststätte nahe des Bahnhofs, in der die Angeklagten sich nachweislich aufhielten. Die zugehörige, rund zweieinhalbstündige Gerichtsverhandlung entpuppt sich vor diesem Hintegrund als so unerwartet wie lehrreich: Vordergründig Offensichtliches kann im Zuge einer Beweisaufnahme dermaßen in sich zerfallen, dass am Ende gar nix mehr sicher ist und der Richter aus diversen Gründen das Verfahren einstellt.
Der Reihe nach: Die verhandelten Ereignisse liegen mehr als anderthalb Jahre zurück. Mitte Juni 2015 ist ein Langener Polizeibeamter spätnachmittags auf dem Weg zum Dienst, als ihm ein verdächtiges Duo auffällt. Verdächtig, da eine Marihuana-Rauchwolke das Tandem einhüllt, das obendrein „in verdächtiger Manier kleine Päckchen austauschte“, wie der Beamte vor Gericht zu Protokoll gibt. Der Polizist kontrolliert die Verdächtigen und nimmt sie unter Mitwirkung herbeigerufener Kollegen vorläufig fest.
Des Ordnungshüters Näschen trügt nicht: Abgesehen von der bei der Festnahme gefundenen Kleinmenge Marihuana fördern die Beamten bei einer „eingehenderen Kontrolle“ auf der Polizeistation rund 1 800 Euro Bargeld zu Tage – und ein Gerät aus Drähten und Lüsterklemme, das einer der Männer in der Achselhöhle verbarg. „Definitiv ein Eigenbau und nach Einschätzung der Kollegen ein Teil zur Manipulation von Spielgeräten“, erläutert der Beamte vor Gericht. Ein ebenfalls als Zeuge geladener Kollege des Kriminaldauerdiensts, der der Fall in der Folge bearbeitete, bestätigt dies.
Die weiteren Ermittlungen – laut Polizisten basierend auf damaligen Angaben der Angeklagten – führen zu einer Gaststätte im Umfeld des Langener Bahnhofs. Es bestätigt sich, dass beide Männer sich dort länger aufhielten und mehr noch: Der von ihnen bespielte Automat, eines von zwei Geräten im Lokal, weist einen eklatanten Fehlbetrag aus, der als Fehlermeldung auf dem sogenannten Auswertebeleg dokumentiert ist.
Wie ist die Betrugsgeschichte an besagtem Junitag genau abgelaufen? Unter dieser Fragestellung fokussiert sich die Verhandlung auf den Beleg des Spielgeräts – ein schmaler Papierstreifen, der aussieht wie anderthalb Meter Einkaufsbon. Die Rekonstruktion startet zäh und wird schließlich zur Farce. Dies erstens, weil auf der Anklagebank Profis sitzen. Während die Angeklagten beharrlich schweigen, machen ihre Verteidiger umso mehr „Musik“. Sie betreiben, was der Fachmann „Konfliktverteidigung“ nennt, setzen darauf, Ungereimtheiten, Widersprüche und Verfahrensfehler zutage zu fördern – und werden dank unpräziser Angaben der Polizeizeugen gut gefüttert. Zweitens sind die übersetzten Erinnerungen des kroatischen Lokalkellners lückenhaft, wirr und deshalb kaum belastbar. Und drittens führt der extra aus Berlin angereiste Sachverständige – ein Ex-Entwickler aus der Automatenbranche – das versammelte Juristenhäuflein schnurstracks ins schwarze Zocker-Loch. Dem Experten will es einfach nicht gelingen, die offensichtlich hochkomplizierte, lichtstrahl- und werweißwasnoch-gesteuerte Materie jenseits rotierender Automatenwalzen in einfache Worte zu kleiden. Richter, Staatsanwalt und Verteidiger warten gut 45 Minuten lang vergeblich darauf, plausibel gemacht zu bekommen, wie genau die Manipulation vonstatten gegangen ist. Die einen quittieren’s mit Stirnrunzeln, die anderen mit breitem Grinsen.
Weil Ungereimtheiten einfach nicht von der Hand zu weisen sind, die mit halbwegs reinem Gewissen anklagbare Schadenssumme bei 350 Euro liegt, lichtet Volker Horn letztlich den Verhandlungsnebel und stellt das Verfahren ein. Im Gegenzug willigen der 52-jährige Angeklagte und sein 39-jähriger Kumpel, deren beider Vorstrafenregister seit einiger Zeit keine Einträge mehr aufweist, ein, auf Rückforderung der bei der Festnahme beschlagnahmten 1 800 Euro zu verzichten.