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Reichsbürger fordert Schadensersatz von Polizei und landet selbst vor Gericht

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Wegen einer Verkehrskontrolle forderte ein Reichsbürger Schadensersatz von einem Polizisten in Langen. Stattdessen landete er selbst vor Gericht.
Wegen einer Verkehrskontrolle forderte ein Reichsbürger Schadensersatz von einem Polizisten in Langen. Stattdessen landete er selbst vor Gericht. © Patrick Seeger/dpa/Archivbild

Wegen einer Verkehrskontrolle in Langen verlangt ein „Reichsbürger“ aus dem Kreis Offenbach Schadensersatz von einem Polizisten. Stattdessen landet der Mann selbst vor Gericht.

Langen – Am 14. Juli 2020 stoppten Polizeibeamte im Langener Sandweg einen Lkw-Pritschenwagen wegen drei nicht angeschnallter Insassen. Aus der harmlosen Ordnungswidrigkeit entwickelte sich ein Strafprozess vor dem Amtsgericht Langen. Der 56-jährige Fahrer aus Dietzenbach wurde nun wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe von 2400 Euro verurteilt.

Wie konnte es so weit kommen? Schon während der Verkehrskontrolle erkennen die Beamten, dass sie es hier nicht mit einem „gewöhnlichen“ Bürger zu tun haben. Der selbstständige Gerüstbauer und die beiden Kollegen verweigern die Herausgabe ihrer Ausweispapiere.

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Der Angeklagte provoziert mit seiner Haltung, die Bundesrepublik nicht als Staat anzuerkennen und bezichtigt die Polizisten einer illegalen Handlung: Der Handwerker ordnet sich offenbar als der sogenannten Reichsbürgerszene zugehörig an. Er droht damit, persönliche Schadensersatzansprüche für das seiner Meinung nach ungehörige Verhalten der Beamten geltend zu machen.

Eine Durchsuchung des Fahrzeugs wird trotzdem ohne Zwang geduldet, Papiere finden die Beamten nicht. „Wie sind Sie denn dann auf den Namen des Fahrers gekommen?“, fragt Richter Volker Horn den damals beteiligten Polizeioberkommissar aus Langen. „Wir haben doch noch eine Bankkarte gefunden, wo der Name drauf stand“, so der 27-jährige Zeuge.

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Der Angeklagte habe seinen Namen aber auch nicht verheimlicht. Er wollte ein Video vom Vorfall drehen, das untersagte ihm die Polizei. Dann forderte er den Polizisten auf, seinen Dienstausweis herausgeben, diesen zeigte ihm der Zeuge lediglich vor. Der Dietzenbacher habe sich seinen Namen und Dienststelle notiert. Dann haben die Beamten noch eine Mängelkarte für das alte Fahrzeug ausgestellt und die Kontrolle war beendet, schildert der Zeuge.

Für die Polizisten ist die Ordnungswidrigkeit – die wegen der bauseits fehlenden Gurte des Oldtimers wohl kaum ein Nachspiel gehabt hätte – damit nur noch eine Formalität. Nicht so für den Gerüstbaumeister. Tage später flattert dem jungen Beamten ein dickes Pamphlet in die Dienststube. Darin ein 33-seitiges Schreiben mit Zahlungsaufforderung als Schadensersatz wegen Amtsanmaßung, einer Gebührenordnung und Gesetzestexte über Vollstreckungsmaßnahmen und Pfändung.

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Der Grund: Die Verkehrskontrolle sei rechtswidrig gewesen, die Polizei eine privatrechtliche Organisation ohne Handlungsbefugnisse. Dafür müsse der 27-Jährige nun privatrechtlich haften, so die Forderung. Eine konkrete Geldsumme wird nicht genannt. Der Zeuge überfliegt den Text und leitet ihn, wie in solchen Fällen üblich, an den Staatsschutz weiter.

Solche Art Unterlagen sind der Justiz bekannt, sie wurden teilweise von Reichsbürgern mittels europäischem Recht über Inkassounternehmen in Malta zu vollstrecken versucht (sogenannte Malta-Masche). Manche Reichsbürger ließen ihre vermeintlichen Forderungen im Register Uniform Commercial Code (UCC) des amerikanischen Bundesstaates Washington eintragen, was heute nicht mehr möglich ist.

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Der Gerüstbaumeister versucht gar nicht erst, die Aktion zu verleugnen. „Ich hatte zu der Zeit einige private und geschäftliche Probleme, fühlte mich überfordert. Ich hatte keinen Nerv auf Verkehrskontrolle. Ich wollte einfach meine Ruhe haben, deshalb hab ich das aus dem Internet ausgedruckt und weggeschickt“, sagt der 56-Jährige.

Sein Verteidiger Frank-Ulrich Kühn fügt hinzu: „Mein Mandant ist ein gläubiger Mensch und will niemanden schaden.“ Er plädiert für einen Freispruch: „Der junge Polizeioberkommissar hat sich durch das Pamphlet nicht einschüchtern lassen, und es hätte sowieso nichts bewirkt. Meinem Mandanten war nicht bewusst, dass ihm mit dem Brief strafrechtliche Konsequenzen drohen.“ Die Staatsanwaltschaft fordert drei Monate Haft auf Bewährung.

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Richter Horn erkennt das Teilgeständnis, den zeitlichen Abstand zur Tat und eine Nähe zum untauglichen Versuch an, verbucht auf der Negativseite aber 28 Einträge ins Bundeszentralregister, die der Mann seit seiner Jugend angesammelt hat – sieben davon einschlägig.

Ins Gefängnis musste der Dietzenbacher nur einmal nach einem Urteil 1989 für wenige Monate – und vergangenes Jahr für neun Tage. Im August hatte Richter Horn einen Haftbefehl ausgesprochen, weil der Angeklagte nicht zum Prozess erschienen war. Gegen eine Kaution von 750 Euro wurde er aufgehoben.

Schon 2019 verurteilte das Amtsgericht Langen einen Reichsbürger wegen Nötigung.

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