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Inklusive Theatergruppe aus Langen probt neues Stück

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Von: Nicole Jost

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Sie hoffen sehr, dass ihre Auftritte im Frühjahr wie geplant möglich sein werden: die Darsteller der inklusiven Tuckermann-Theatergruppe.
Sie hoffen sehr, dass ihre Auftritte im Frühjahr wie geplant möglich sein werden: die Darsteller der inklusiven Tuckermann-Theatergruppe. © Jost

Die inklusive Langener Theatergruppe „Die Tuckermänner und Tuckerfrauen“ probt für ihren nächsten großen Auftritt. Auf die Bühne kommt eine lustige Krimikomödie.

Langen – Hendrik haut beherzt auf den Schreibtisch. Antonio hat etwas zögerlich an seine imaginäre Bürotür geklopft. „Komm herein“, sagt der junge Mann zu seinem Mitspieler und nickt ihm aufmunternd zu. Antonio soll Hendrik in dieser improvisierten Szene um Urlaub bitten. „Hendrik, Du bist eine Zehn, ganz selbstbewusst. Antonio, Du bist maximal eine Fünf, ordne Dich deutlich Hendrik unter“, weist Regisseur Jan Bareins seine beiden Schauspieler an. Als sie mit ihrer Szene fertig sind, brandet der Applaus auf – die Akteure bekommen die Wertschätzung ihrer Mitspieler sofort.

Im großen Saal des Europahauses in Dietzenbach probt die Langener Theatergruppe „Die Tuckermänner und Tuckerfrauen“ ihr jüngstes Stück. Im April soll „Ein Dieb kommt selten alleine“, eine lustige Krimikomödie aus der Feder von Franziska Bareins, in der Stadthalle auf die Bühne kommen. Nach „Des Kaisers neue Kleider“ und „Don Quijote“ ist der Krimi das dritte Stück, dass die inklusive Theatergruppe spielt. Das Ensemble besteht aus behinderten Schauspielern, die zum Teil in der Albrecht-Tuckermann-Wohnanlage in Langen, in einem Haus des Wohnverbands der Behindertenhilfe in Offenthal, im betreuten Wohnen in Langen oder auch zu Hause leben, sowie aus engagierten Laienschauspielern, die Lust auf dieses besondere Projekt haben.

Das Stück verspricht sehr lustig zu werden. Es geht um eine Gruppe Diebe, die in Langen in der Gartenapotheke Medikamente stehlen wollen, um für ihren richtigen Überfall, einen Coup auf die Sparkasse, wach zu bleiben. Eine Gruppe Kommissare bekommt Wind von den kriminellen Plänen, weil die Übeltäter in der Pizzeria Italia so laut über ihr Vorhaben sprechen. Nebenrollen spielen eine neugierige und quirlige Lokalreporterin, die mit dem Kommissar anbandelt, und die Firma Abas, deren Fachleute eine spezielle Software entwickeln sollen, um mit Sehrings Kiesmaschine echtes Geld zu drucken.

Einmal in der Woche holt Jan Bareins seine Truppe zur gemeinsamen Probe zusammen. „Wir möchten das Stück jetzt schon seit zwei Jahren aufführen, 2020 wurde verschoben, 2021 wieder. Wir hoffen, dass es nächstes Jahr endlich möglich ist“, so der Regisseur. Die Arbeit mit geistig behinderten Menschen stellt ihn vor besondere Herausforderungen. „Natürlich muss immer Platz für Spontanität sein. Aber während ich mich vor sechs Jahren, als ich diese Arbeit begonnen habe, noch fragte, wie kann das funktionieren? Weiß ich heute: Kaum etwas ist einfacher als diese Arbeit. Denn meine Schauspieler sind so echt, so offen und so spontan. Im Laufe der Zeit ist das Vertrauen gewachsen und es macht einen solchen Spaß, mit dieser Truppe ein Stück zu erarbeiten“, ist Bareins voll des Lobes.

Insbesondere die Elemente des Improvisationstheaters haben eine „wahre Explosion des Ausdrucks“ gebracht, wie der Regisseur betont. Natürlich müsse man auf die Eigenheiten der Menschen Rücksicht nehmen. So will Hans-Jürgen nur alleine auf der Bühne stehen, es genießen ganz im Mittelpunkt zu stehen und benötigt ausreichend Platz – das könne man einplanen. Wenn er dann nicht mehr von der Bühne möchte, brauche es eben ein paar Tricks.

„Oder Hendrik. Er hat beispielsweise die besondere Gabe, dass er sich den Text einmal durchliest, und ihn dann kann. Er kann aber auch den Text von den anderen Schauspielern. Wenn sie etwas anderes sagen als im Textbuch steht, kann es schon sein, dass er auf die Bühne läuft und die Mitspieler korrigiert. Das ist dann eben so“, hat Bareins Gelassenheit gelernt.

Die Idee zu der inklusiven Theatergruppe hatten Wolfgang Herz und Inge Lotz-Maßholder. Die damalige Leiterin der Tuckermann-Wohnanlage kennt den Musiker schon lange. Sie hatten gemeinsame Projekte in der Langener Wohnanlage umgesetzt. Im Gespräch hat sich herausgestellt, dass sie beide das Theater lieben und so war die Idee geboren. Um mit Profis wie Jan und Franziska Bareins zu arbeiten, braucht es natürlich finanzielle Hilfe. Spender sind die Aktion Mensch, die Langener Bürgerstiftung und die Firmen, die auch im Stück genannt werden. Für die Schauspieler sind die Proben eine schöne Abwechslung in ihrem Alltag, der Auftritt dann aber das Größte: „Ich liebe die Bühne und habe kein Lampenfieber“, berichtet Thomas, „es ist wie eine andere, neue Welt und 500 Menschen schauen zu. Ich freue mich schon so auf unseren Auftritt.“ Für Wolfgang Herz ist die Mitarbeit bei den Tuckermännern und Tuckerfrauen bis heute ein Geschenk: „Es ist toll, die Entwicklung der Schauspieler in den vergangenen sechs Jahren zu sehen, wie sehr sie an Ausdruck und Spielfreude gewonnen haben“, ist Herz begeistert, Teil der Gruppe zu sein und ebenfalls voller Vorfreude auf die Premiere. (Nicole Jost)

Termine

Am 1. April 2022 spielt die Tuckermann-Theatergruppe in Erzhausen, am Sonntag, 3. April, um 17 Uhr in Langen in der Stadthalle. Wer zur Premiere kommen möchte oder schon 2020 Karten reserviert hat, sollte sich bei Inge Lotz-Maßholder melden unter i.lotz-massholder@behindertenhilfe-offenbach.de.

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