Verein Langen hilft Flüchtlingen: Unterstützung bei Alltagsfragen

Um den 2016 gegründeten Verein Langen hilft Flüchtlingen ist es etwas ruhiger geworden. Trotzdem stehen die Mitglieder weiterhin vielen Neuankömmlingen mit Rat und Tat zur Seite.
Langen – Zum „halben Rechtsanwalt“ habe er sich entwickelt, sagt Gernot Gutsch. Und fügt seufzend hinzu: „So viel Bürokratie wie das ist.“ Im mittlerweile siebten Jahr bekleidet der Rentner nun schon den Vorsitz des von ihm mitgegründeten Vereins Langen hilft Flüchtlingen. 2016 machten es sich Gutsch und seine Mitstreiter zur Aufgabe, die Neuankömmlinge, die im Zuge des Sommers der Migration in Langen ankamen, in den dringlichsten Lebenslagen zu unterstützen.
Anfangs organisierten sie daher in erster Linie Deutschkurse und Hausaufgabenbetreuung. Gesundheitliche Einschränkungen, der Tod eines engagierten Mitstreiters und nicht zuletzt die Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie hätten jedoch dazu geführt, dass der Verein dieses Angebot mittlerweile leider nicht mehr aufrechterhalten kann. Dabei hätten sie „zehn Mädchen erfolgreich durchs Abitur und noch viele mehr durch die Mittlere Reife gebracht“, freut sich der 72-Jährige im Rückblick. Mittlerweile habe sich das Engagement des Vereins auf „ganz klassische Bereiche der Sozialarbeit verlagert, die Leute kommen mit sämtlichen Fragen des Alltags auf uns zu“. Das kann die Hilfe beim Ausfüllen von Formularen oder die Begleitung von Behördengängen genauso bedeuten, wie die spontane Fahrt eines Angehörigen zum Arzt. „Die Leute können mich jederzeit anrufen und mich um Hilfe fragen“, sagt Gernot Gutsch.
Wer sich eine Weile mit ihm unterhält, weiß, dass das so gemeint ist. Während des Gesprächs macht sich immer mal wieder das Telefon des Rentners bemerkbar – jedes Mal aufs Neue nimmt Gutsch ab und steht den Anrufern mit Rat und Tat zur Seite. Ob Bescheide vom Jobcenter, vom Landratsamt des Kreises Offenbach oder dem Bundesamt für Migration – Gutsch kennt sich mittlerweile gut aus mit Paragrafen und Formularen. Oder, wie er sagt: „Mit dem absoluten Bürokratiewahnsinn.“
Gut 50 Mal habe er in den vergangenen Jahren Widerspruch gegen Bescheide der Behörden eingelegt, die Menschen betrafen, die sich mit der Bitte um Hilfe an den Verein gewandt hatten. „Kein einziger davon wurde abgelehnt“, zeigt sich Gutsch sichtlich zufrieden, dass er somit gut drei Dutzend Familien helfen konnte. Allerdings sei diese Zufriedenheit nur eine Seite der Medaille. Der Erfolg verdeutliche gleichzeitig, dass bei den entsprechenden Behörden „auch einfach viele Fehler gemacht werden“.
Er erzählt von einer beispielhaften Situation beim Jobcenter, die er selber schon vielfach miterlebt hat. Alle zwei Jahre wechselten dort die zuständigen Sachbearbeiter „und was der erste als Leistung noch kategorisch abgelehnt hat, ist beim zweiten Sachbearbeiter plötzlich überhaupt kein Problem mehr. Das schmeckt nach Willkür“, meint Gutsch.
Heute zählt der Verein Langen hilft Flüchtlingen knapp 30 Mitglieder, die sich im Altersspektrum von 25 bis 75 Jahren bewegen. Dazu gehören stille Beitragszahler genauso wie „Leute, die so verrückt sind wie ich“, erzählt Gutsch mit einem Lachen. Dennoch brauche der Verein „beständig neue Leute, die sich engagieren“. Schließlich habe er selbst bereits intern angekündigt, den Vorsitz nur noch für zwei weitere Jahre zu übernehmen. Danach wolle er sich allmählich aus der ersten Reihe zurückziehen. Umso mehr freut es ihn, dass erst kürzlich eine ganze Handvoll junger Frauen, allesamt Kinder von Geflüchteten, neu in den Verein eingetreten seien und bereits angekündigt haben, sich künftig mehr einbringen zu wollen. Ganz dem Ursprungsgedanken verpflichtet, mit dem der Verein einst gegründet wurde: Hilfe zur Selbsthilfe. (Joel Schmidt)