Langener Jugendarbeit: „Verkettung unvorhersehbarer Ereignisse“

Die prekäre Situation in der Jugendarbeit hat für Kritik an der Langener Verwaltung gesorgt. Im Interview mit unserer Zeitung nehmen Bürgermeister Jan Werner und der zuständige Dezernent, Ersten Stadtrat Stefan Löbig, nun Stellung.
Langen – Seit Dezember ist das Jugendzentrum geschlossen und weitere Angebote der städtischen Jugendarbeit können nicht aufrecht erhalten werden, weil dem Fachdienst das Personal fehlt. Dem Vernehmen nach kündigten Mitarbeitende auch aus Unzufriedenheit mit den Bedingungen. Die Grünen-Fraktion, die eine Podiumsdiskussion zum Thema organisierte, sprach gar von einer „Kündigungswelle“ und wirft der Stadt Untätigkeit bei der Nachbesetzung vor. Die SPD attestiert der Verwaltung mangelndes Interesse am wichtigen Thema und kritisiert vor allem Bürgermeister Jan Werner und den zuständigen Dezernenten, Ersten Stadtrat Stefan Löbig. Im Interview beziehen beide nun Stellung.
Wie konnte es zur jetzigen Situation kommen? Was hätte die Stadt Ihrer Meinung nach anders machen können oder sollen?
WERNER: Wir haben es hier mit einer Verkettung unvorhersehbarer Ereignisse zu tun. Längerfristige Erkrankung, persönliche Gründe wie der Wechsel in Elternzeit, was für den Einzelnen an sich ja eine schöne Sache ist, oder der Wunsch, sich beruflich weiterzuentwickeln oder umzuorientieren – all das kam zeitlich leider zusammen.
LÖBIG: Ich könnte mir vorstellen, dass das zu einem gewissen Teil auch noch immer Nachwirkungen der Corona-Lockdowns sind, während der praktisch keine Jugendarbeit möglich war. Das macht etwas mit den Menschen, die diesen Beruf ja eigentlich gewählt haben, um in der persönlichen Arbeit mit den Jugendlichen etwas zu erreichen. Und anschließend waren die Anforderungen umso größer. Sicherlich hätte man in einem größeren Team diese Ausfälle besser kompensieren können. Aber wir können kein überzähliges Personal vorhalten für den Fall, dass solche wie gesagt unvorhersehbaren Ereignisse auftreten. Bislang sind wir mit der Personalstärke in der Jugendarbeit gut gefahren.
Was sagen Sie zur Kritik an Ihrer Person und zu den Vorwürfen, die Jugendarbeit habe für Sie nicht den größten Stellenwert oder die Verwaltung sei in dieser Sache untätig?
WERNER: Ich bin als Bürgermeister aller Langenerinnen und Langener angetreten und dazu gehören für mich alle vom Neugeborenen bis zum Hochbetagten. Natürlich investieren wir derzeit sehr viel in den Abbau der Warteliste auf einen Platz in der Kinderbetreuung und haben dort schon viele schöne Erfolge erzielt, was wir auch öffentlichkeitswirksam publik machen. Das heißt aber nicht, dass wir bei den anderen Bevölkerungsgruppen Abstriche machen. Alle, die in dieser Stadt leben, sind mir wichtig.
LÖBIG: Die Verwaltung hat sofort, als sich die Personalprobleme im Jugendzentrum und in der dezentralen Quartiersarbeit abzeichneten, reagiert, um die Stellen wieder zu besetzen. Gewisse Prozesse bei der Stellenbesetzung lassen sich aber nicht beschleunigen. Auf einem leer gefegten Markt ist es eben schwer, schnell qualifiziertes Personal zu finden. Das merken nicht nur wir, sondern alle Kommunen landauf, landab. Wenn dann wie bei uns auch noch mehrere Stellen auf einmal vakant sind, macht es das nicht leichter.

Wie können Ihrer Meinung nach Lösungen in der jetzigen Situation aussehen?
LÖBIG: Wir haben wie gesagt die Stellen bereits ausgeschrieben und hoffen jetzt, zügig und ausreichend passende Bewerber zu finden. Dass jetzt von verschiedenen Stellen versucht wird, die Langener Jugendarbeit schlecht zu reden, macht die Suche leider nicht einfacher. Aber wir sind zuversichtlich, da wir mit unserem Jugendzentrum und dem guten Miteinander unterschiedlicher Akteure ein attraktives Umfeld bieten können. Wir haben uns zudem bewusst dazu entschieden, das künftige Team selbst über das Konzept entscheiden zu lassen. Damit signalisieren wir Bewerbern, dass wir ihnen ein hohes Maß an Verantwortung geben.
WERNER: Jugendarbeit findet ja nicht nur im Jugendzentrum statt, sondern in hohem Maß auch in unseren Vereinen. Hier eine noch bessere Verzahnung anzustreben, könnte aus meiner Sicht ebenfalls ein Ansatz sein. Anschauen werden wir uns auch, ob es Sinn macht, weiterhin eine Stelle für einen Jahrespraktikanten anzubieten, für die es bereits seit Längerem keine Bewerber mehr gegeben hat. Wenn wir daraus eine feste Stelle für einen Sozialpädagogen machen, dürfte sie leichter zu besetzen sein.
Hat das System des Zusammenspiels von Stadt und freien/kirchlichen Trägern noch Zukunft?
LÖBIG: Das Miteinander von Stadt, kirchlichen und freien Trägern hat viele Vorteile, weil dadurch unterschiedliche Konzeptionen und Herangehensweisen zusammenkommen und die Jugendarbeit breiter aufgestellt ist. Das hat in der Vergangenheit gut funktioniert. Insofern: Ja, das System hat Zukunft.
Es wurde auch fehlende Wertschätzung der Mitarbeiterinnen genannt und das Jugendforum kommt sich teilweise vernachlässigt vor. Was wollen Sie zukünftig anders machen?
LÖBIG: Die Arbeit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war bei uns immer hoch angesehen. Vielleicht hätte sich gerade während der Lockdowns mancher noch mehr Zuspruch gewünscht, aber das betrifft nicht nur die Jugendarbeit. Das war einfach Ausnahmezustand. Wertschätzung jedenfalls war immer vorhanden. Aber natürlich werden wir das noch einmal ganz genau bewerten.
WERNER: Was das Jugendforum betrifft: Es ist genauso wie der Ausländerbeirat ein eigenständiges Gremium. Die Stadtverwaltung übernimmt lediglich die organisatorische Betreuung. Wenn es dort zu einem personellen Wechsel kommt, ist das nichts Außergewöhnliches und schon gar keine Vernachlässigung. Dass Bürgermeister und Erster Stadtrat nicht bei jeder Sitzung dabei sind, ist Absicht. Schließlich sollen die jungen Leute unbeeinflusst arbeiten können und so die Arbeit in politischen Gremien kennenlernen.
Das Angebot an die Sonnenblumenschule, das Juz vorübergehend als Betreuungsort zu nutzen, hat für Verunsicherung und Entrüstung gesorgt. Wie können Sie in dieser Frage beruhigen?
WERNER: Von Verunsicherung und Entrüstung ist bei uns im Rathaus nichts bekannt. Vielmehr haben wir eine Unterschriftenliste von Eltern der Sonnenblumenschule erhalten, die einen Betreuungsplatz benötigen. Daher haben wir die aktuell nicht genutzten Räumlichkeiten des Jugendzentrums für die Nachmittagsbetreuung angeboten. Es sollte aber auch niemand gegeneinander ausgespielt werden. Die Räume wären für beide Zwecke nutzbar. Direkt nach der Schule könnte in einem Teil des Jugendzentrums Nachmittagsbetreuung stattfinden, während der andere Teil für die Jugendarbeit genutzt werden kann. Ab 17 Uhr würde dann im gesamten Jugenzentrum der normale Betrieb für die Jugendlichen stattfinden. Von unserem Angebot würden die Grundschüler profitieren, ohne dass an anderer Stelle Abstriche gemacht werden müssten.
Das Gespräch führte Julia Radgen