Eltern wollen Raser mit Warnfiguren bremsen - Stadt Langen droht mit Bußgeld
In einem Wohngebiet in Langen ist ein Streit zwischen Eltern und Stadt ausgebrochen. Grund sind „illegal aufgestellte“ Warnfiguren, die zum Langsamfahren animieren sollen.
Langen – Viele Eltern im Wohngebiet Belzborn in Langen ärgern sich immer wieder über Autos, die viel zu schnell unterwegs sind. Sie wollten Autofahrer nun zum Langsamfahren animieren - aber sie haben nicht mit der Reaktion der Stadt gerechnet. Die Egelsbacher Straße werde regelmäßig als Abkürzung zur Kreuzung Darmstädter Straße/Südliche Ringstraße genutzt, gerade in den Stoßzeiten seien Autofahrer mit gefährlich überhöhten Geschwindigkeiten – bis zu doppelt so schnell wie erlaubt – in der Tempo-30-Zone unterwegs.
Weil das Ordnungsamt trotz mehrfacher Hinweise nicht reagiert hat, wollten die Eltern „nicht tatenlos zusehen“ und sind selbst aktiv geworden: Sie haben Figuren aufgestellt, die Autofahrer an die angepasste Geschwindigkeit aus Rücksicht auf die Kinder erinnern sollen. Nun droht die Stadt den Eltern eben wegen jener Figuren mit einem Bußgeld – denn die stellten eine Verkehrsgefährdung dar.
Langen: „Bußgelder für Kinderschutz?“ - Besorgte Eltern schreiben offenen Brief
Für Betroffene wie Jan und Rachel Hegemann absurd. „Bußgelder für Kinderschutz?“ haben sie deshalb ihren offenen Brief überschrieben, mit dem sich die Langener stellvertretend für 40 Haushalte aus dem Wohngebiet an die Stadt und direkt an Bürgermeister Jan Werner gewendet haben. Darüber hinaus ist ihr Schriftwerk adressiert an den Kinderschutzbund im Westkreis und den ADFC Langen.

Für die Eltern ist die Gefahr klar: An der Egelsbacher Straße befinden sich immerhin ein Kindergarten, eine Krippe, ein Spielplatz und sie ist Teil des Schulweges für den Nachwuchs. „Da das Ordnungsamt verständlicherweise nicht jeden Tag kontrollieren kann, wollten wir Anwohnende unseren Teil zur Beruhigung der Situation beitragen und haben in Eigenleistung zwei Kinderfiguren gekauft und im Pflanzbereich zweier Bäume aufgestellt. Diese sollten die Autofahrenden an die vielen herumlaufenden Kinder erinnern und somit zu einem umsichtigen Fahren aufrufen“, heißt es im offenen Brief. Damit sei man auch bei vielen Vorbeifahrenden auf großes Verständnis gestoßen, schreiben die Verfasser weiter – allerdings scheinbar nicht bei allen.
Langen: Eltern weisen auf gefährliche Situationen in Wohngebiet hin
Offensichtlich nach Beschwerden einiger Verkehrsteilnehmer stand kürzlich das Ordnungsamt in der Straße und habe den Beteiligten mit Bußgeldern und gegebenenfalls sogar einem Strafverfahren gedroht, da die Figuren eine Verkehrsgefährdung seien, erklären die Hegemanns. „Zu allem Überfluss wurde den anwesenden Eltern geraten, man müsste den (Klein-)Kindern schlicht beibringen, beim Überqueren der Straße gut zu schauen!“
Die Eltern sind enttäuscht von der Stadt: „Es wird besorgten Eltern, die sich in Eigeninitiative für zusätzliche Verkehrssicherheit ihrer Nachbarschaft einsetzen, mit Strafandrohungen begegnet, statt sie in ihrem Vorhaben zu unterstützen“, kritisieren die Unterzeichner des Briefs. Sie glauben, beim Aufstellen der Figuren hätte es sicher „Ermessensspielraum“ gegeben. „Wir wünschen uns von der Stadt eine wirksame und nachhaltige Lösung zur Beruhigung der Verkehrslage in der Egelsbacher Straße“, lautet die klare Forderung der Eltern. Denn weiterhin gebe es mehrmals täglich gefährlichen Situationen durch unvorsichtig fahrende Autos.
Stadt Langen: Aufstellen der Figuren war rechtswidriger Eingriff in Straßenverkehr
Die Stadt erklärt auf Nachfrage, Mitarbeiter des Referats Ordnung und Verkehr hätten sich nach Beschwerden von Bürgern aus der Nachbarschaft – die in den Kinderfiguren eine Gefahr für die Verkehrssicherheit sahen – die Situation vor Ort angesehen. „Dabei wurde festgestellt, dass die Figuren illegal im öffentlichen Raum aufgestellt wurden. Zudem ragten die daran befestigten Fahnen in den Straßenraum hinein, wodurch die Gefahr bestand, dass speziell Rad- und Motorradfahrer davon am Kopf getroffen werden“, teilt Stadt-Pressesprecher Markus Schaible mit. Eine Genehmigung zur Aufstellung könne man laut bundesdeutscher Straßenverkehrsordnung nicht erteilen.
Dabei ist es nach Ansicht der Stadt unerheblich, ob es sich um eine an sich „begrüßenswerte“ Aktion zum Kinderschutz handele. „Einen Ermessensspielraum für die Stadt gibt es nicht, eine Erlaubnis zur Aufstellung der Figuren wäre rechtswidrig“, betont Schaible.
Man nehme die Sorgen der Anwohner natürlich ernst. Deshalb hat die Stadt Geschwindigkeitskontrollen angekündigt und einen Tempo-„Smiley“ angebracht. „Zudem appellieren wir an alle Verkehrsteilnehmer, sich regelkonform zu verhalten. Die Straße wurde beim Endausbau bereits so gestaltet, dass dort hohe Geschwindigkeiten möglichst vermieden werden.“ (jrd)
Smiley bereits angebracht
Ende vergangener Woche wurde in der Egelsbacher Straße der „Geschwindigkeits-Smiley“ angebracht, wie Jan Hegemann mitteilt. „Wir sind froh, dass die Stadt in dieser Hinsicht schnell reagiert hat. Allerdings ist die Positionierung und Ausrichtung des Smileys leider in Richtung der Kurve, in der die Autos ohnehin langsamer fahren.“ Die Anwohner befürchten, dass die gewonnene Geschwindigkeitsstatistik nicht repräsentativ ist. Nach Rückfrage erklärt die Stadt, das Display benötige gewisse Voraussetzungen: einen Pfosten, eine gewisse Höhe und Sonneneinstrahlung für Solaraufladung. Den jetzigen Standort sehe das Ordnungsamt als sinnvoll an, es werde die Ergebnisse beobachten. Gegebenenfalls werde das Display umgehängt. (jrd)