Weg frei für Solarenergie in Langener Altstadt

So mancher Hausbesitzer in der Langener Altstadt würde gerne Solarpanels auf dem Dach installieren. Aber dem widerspricht bislang die Satzung, die den historischen Kern Langens schützen soll. Nun will der Magistrat mit einer Satzungsänderung den Weg frei machen für Solarenergie – unter Auflagen.
Langen – Steigende Energiepreise, die Angst vor einer Verknappung von Gas und Öl und der Wunsch, etwas zur Energiewende beizutragen und umweltfreundlich Strom zu produzieren: Das alles sind Gründe, weshalb Hauseigentümer vermehrt die Möglichkeit prüfen, über erneuerbare Energien die Versorgung selbst zu übernehmen oder zumindest zu ergänzen. Im Stadtgebiet Langen ist die Nutzung der Dachflächen für Fotovoltaik oder Solarthermie die naheliegende Option.
Aber es gibt ein Problem: Im historischen Stadtkern Langens erlaubt die Altstadtsatzung bislang nicht, dass Hausbesitzer entsprechende Anlagen installieren. Für Verbraucher ist das frustrierend, so wie für die Familie Ganzkopp, die auf ihrem Dach in der Altstadt Solar-Panels befestigen wollte . Im historischen Stadtkern Langens steht die Altstadtsatzung dem entgegen. Möglich wären Anlagen allenfalls an Stellen, die öffentlich nicht einsehbar sind – doch das trifft fast nirgendwo zu, wo eine Installation sinnvoll wäre. Nun könnte sich die Lage bald ändern.
Nachfragen von Bürgern
Denn wenn es nach dem Magistrat geht, sollen in der Altstadt künftig Solaranlagen auf Hausdächern möglich sein. Allerdings müssen Hausbesitzer dabei Vorgaben berücksichtigen. So sieht es eine Ergänzung zur Altstadtsatzung vor, die der Magistrat nun vorgelegt hat. Letztlich entscheidet die Stadtverordnetenversammlung.
Die Stadt erreichen nach Angaben aus dem Rathaus immer wieder Nachfragen zu Solaranlagen in der Altstadt. Im Nachgang zur Berichterstattung unserer Zeitung wurde auch eine Online-Petition gestartet, die sich an Landrat Oliver Quilling richtet. Mittlerweile ist die Unterschriftensammlung beendet, sie soll eingereicht werden. In den Kommentaren fordern die Unterzeichner, dass die alte Satzung auf moderne Bedingungen angepasst und dem Klimaschutz Rechnung getragen werden müsse.
Nicht direkt verboten, aber nicht bedacht
Grundsätzlich sind Solaranlagen laut Hessischer Bauordnung (HBO) weitgehend genehmigungsfrei. In Langen stehen einer Installation von Solaranlagen in der historischen Altstadt allerdings die Auflagen der Altstadtsatzung entgegen. Darin sind genaue Vorgaben für die Baugestaltung der Dächer, wie etwa die Farbe der Dachdeckung oder die Höhe etwaiger Aufbauten, festgeschrieben. Direkt verboten sind Solaranlagen in der Altstadt also nicht – die Thematik war bei Erstellung der Satzung Anfang der 1980er Jahre schlicht noch gänzlich unbekannt und blieb dementsprechend komplett unberücksichtigt. Die erwähnte Petition zu einer Änderung der Satzung bezieht sich übrigens auf Paragraf 63, Anlagepunkt 3.9, der HBO. Sie findet sich unter www.openpetition.de (Suchbegriff: Aufnahme von Fotovoltaik-Anlagen in die Altstadtsatzung der Stadt Langen). jrd
Den entsprechenden Passus der Altstadtsatzung einfach zu streichen, ist keine Option für den Magistrat. „Die Erhaltung und Pflege des alten Stadtbildes ist eine besondere Verpflichtung der Stadt und ihrer Bevölkerung“, betont Petra Wagner, Leiterin des städtischen Fachdienstes Bauwesen, Stadtplanung, Umwelt- und Klimaschutz. Die historische Altstadt Langens innerhalb der ehemaligen mittelalterlichen Ortsbefestigung sei mit ihren zahlreichen Fachwerkhäusern aus dem 17. und 18. Jahrhundert sowie Bauwerken späterer Stilepochen mit Ausnahme einzelner Eingriffe erhalten geblieben. „Sie stellt ein zusammenhängendes städtebauliches Denkmal dar, das durch seine architektonische und geschichtliche Vielfalt jene unverwechselbare und lebendige Stadtgestalt ergibt, mit der sich die Bevölkerung identifiziert“, betont Wagner.
Für die Verwaltung stellte sich also die Frage, wie sich Maßnahmen zur energetischen Erneuerung und Nutzung erneuerbarer Energien mit der Gestaltung verbinden lassen. Beratend zur Seite stand bei der Erarbeitung der Satzungsergänzung Frank Oppermann, der sich seit Jahrzehnten für die Altstadt einsetzt und als Professor unter anderem für Baugeschichte und Denkmalpflege an der Hochschule Darmstadt anerkannter Fachmann auf diesem Gebiet ist. Ziel sei es, grundsätzlich allen Eigentümern im Bereich der Altstadtsatzung die Errichtung von Fotovoltaikanlagen oder Solarkollektoren zu ermöglichen, betont die Stadt. Jedoch sind nicht alle der aktuell zur Verfügung stehenden Techniken und Materialien optisch mit dem Erscheinungsbild historischer Städte vereinbar.
Vorgaben, was Farbe und Beschaffenheit angeht
Aus diesem Grund will der Magistrat Vorgaben für das Anbringen von Solarkollektoren und Fotovoltaikanlagen machen, damit die historische Dach- und Stadtgestalt möglichst wenig verändert wird. So müssen Eigentümer einen Standort wählen, der die geringste Beeinträchtigung für das Gebäude, den Straßenzug und die Stadtgestalt darstellt. Bevorzugt sollen sogenannte Indachanlagen – bei denen die Solarmodule bündig und rahmenlos, wie Ziegel, ins Dach eingelassen werden – realisiert werden. Kommen aufgesetzte Anlangen zum Einsatz, sind diese möglichst dicht an der Dachfläche zu führen. Der Farbton der Solar-Paneele muss dem der angrenzenden Dachdeckung entsprechen. Zudem sind nur Module mit matter, nicht reflektierender Oberfläche zulässig. Schließlich sind die Solaranlagen als zusammenhängende, klar definierte rechteckige Flächen auszubilden. Abtreppungen und gezackte Ränder sind nicht zulässig. Erlaubt sind nur Anlagen für den Eigengebrauch, die keinen kommerziellen Ertrag erwirtschaften. Bürgermeister Jan Werner hält das für einen guten Kompromiss. „Wir passen die Satzung an die Realität an, ohne den Blick auf den Erhalt unserer Vergangenheit zu verlieren. Unsere Altstadt ist ein Schmuckstück und wird es bleiben.“ Gleichzeitig wolle man Nachhaltigkeit fördern.
Über die Ergänzung zur Altstadtsatzung berät der Ausschuss für Umwelt, Bau und Verkehr am Mittwoch, 29. Juni. Beschließen soll sie die Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, 21. Juli. Beginn ist jeweils um 20 Uhr im Rathaus.