Anti-Atomkraft-Initiative hält letzte Mahnwache ab

Mit dem Atomausstieg verkündet auch die Initiative „Langen gegen Atomkraft“ das Ende ihrer monatlichen Mahnwachen. Das Engagement für eine Welt ohne Atomkraft endet damit jedoch längst nicht.
Langen – Es ist das Ende einer Ära: Am 15. April gingen in Deutschland die letzten drei Atomkraftwerke vom Netz. Nach einem Hin und Her markiert das einen Wendepunkt in der Energieversorgung. Und es wurde ein Ziel erreicht, für das sich die Mitglieder der Anti-Atom-Bewegung seit den 1980ern stark machen. Eine Gruppe, die sich in den vergangenen Jahren konsequent für die Abschaltung aller deutschen Atomkraftwerke eingesetzt hat, ist die Initiative „Langen gegen Atomkraft“. Sie ruft für Montag, 8. Mai, nun zur letzten Mahnwache auf. Denn laut Initiator Franz Scheidel sei das „Etappenziel“ mit dem Atomausstieg erreicht. Doch der Kampf für eine Welt ohne Atomkraft geht weiter, versichert er.

Die 153. Mahnwache wird nun die letzte sein, die die Initiative am Lutherplatz abhält. Zwölf Jahre lang haben sich die Teilnehmenden dort an jedem ersten Montag im Monat getroffen. Am 15. März 2011 haben sich die Langener Atomkraftgegner erstmals dort versammelt – nach einer Veranstaltung in Dreieich – in den vergangenen zwölf Jahren stets am selben Ort – mit Ausnahme von Online-Mahnwachen während der Hochphase der Pandemie.
Anlass war die Atomkatastrophe von Fukushima, die sich kurz zuvor ereignet hat. „Eigentlich hat es aber schon 2010 begonnen“, sagt Scheidel – nämlich nachdem die schwarz-gelbe Regierungskoalition den von Rot-Grün beschlossenen Atomausstieg rückgängig gemacht hat. „Da gab es größere Aktivitäten von Anti-Atomgruppen.“ Scheidel war da schon dabei. „Nach dem Unfall in Fukushima ging es dann richtig los – dann haben wir die Initiative zur Mahnwache ergriffen“, erinnert er sich. Mehr als 100 Teilnehmende kommen zur ersten Ausgabe, bei der neben der Forderung nach dem Ausstieg aus der Atomenergie die Anteilnahme mit den Opfern der Katastrophe im Vordergrund steht.

Anfangs ist es eine wöchentliche Mahnwache, nach kurzer Zeit schwenken die Atomkraftgegner auf monatliche Treffen um. „Das haben wir, glaube ich, zum richtigen Zeitpunkt geändert, denn so bei einem Langzeitthema ist es schwer, wöchentlich neue Aspekte aufzuzeigen“, so der Initiator. Regelmäßig kamen über 30 Leute. Ein Höhepunkt sei die Mahnwache mit Gregor Gysi 2014 gewesen. Der damalige Fraktionschef der Linkspartei war zuvor beim Politischen Salon der Dreieichschule zu Gast. Scheidel hat ihn dann angemailt und gefragt, ob er nicht noch bei der Mahnwache vorbeikommen wollte – und Gysi kam. „Das war schon eine beeindruckende Begegnung“, erinnert er sich.
Aktivitäten auf Verein konzentrieren
Der Verein „ByeByeBiblis - Energiewende in der Region“ ist aus einer überparteilichen Anti-Atom-Initiative von Bürgerinnen und Bürgern aus Dreieich, Langen und Neu-Isenburg hervorgegangen. Am 14. Mai 2012 wurde er in das Vereinsregister eintragen. Mit Infoständen, Diskussions- oder Filmabenden versucht der Verein, „Menschen aufzuklären und mitzunehmen in ein Zeitalter der regenerativen Energien“. Adressaten sind natürlich auch die Stadtverordneten, Stadtwerke und der Kreis. „Wir wollen starke Impulse geben, damit unsere kleinen Gemeinden mit zu den Vorreitern gehören – als eine atomstromfreie und klimaneutrale Region“, so ByeByeBiblis. Wer sich gegen Atomkraft starkmachen will, kann dem Verein beitreten. „Das geht schon ab einem Euro im Monat“ – der Mindestmitgliedsbeitrag liegt bei zwölf Euro im Jahr. Mehr Infos gibt es im Netz.
Die Initiative wird aber nie ein Verein. Das habe natürlich Vor- und Nachteile, gibt Scheidel zu. „Wir konnten so alles recht frei gestalten“. Über die Jahre haben sich viele Menschen stark und lange engagiert. Anne und Karlheinz Duda und den verstorbenen Udo Rach nennt Scheidel etwa als treue Mitstreiter aus Langen, Elmar Diez aus Hanau war gern gesehener Gast und Redner genau wie Jochen Stay von „ausgestrahlt“. Auch mit Atomkraftgegnern aus Japan stehen die Langener in Kontakt oder besuchten Demos, etwa in Neckarwestheim. Scheidel ist stolz, dass es die Mahnwachen so lange gab. „Und wir haben stets neue interessante Themen gefunden“.
Engagement geht aber weiter
Mit dem Vollzug des Atomausstiegs Deutschlands sei ein wichtiges Ziel erreicht, weshalb diese Mahnwache die letzte sein wird. Es gibt aber natürlich noch genug zu tun: Ein Unfall in einem AKW in einem Nachbarland, etwa Frankreich oder Belgien, würde auch für Deutschland gefährlich. Zudem gibt es noch deutsche Brennelementfabriken und die Frage der Atommüll-Endlagerung. „Wir sind aber nicht so vermessen zu denken, dass wir von Langen aus die Abschaltung aller Atomkraftwerke weltweit erwirken können“, sagt Scheidel schmunzelnd. Deshalb wird der Verein „ByeByeBiblis“ (siehe Kasten), dessen stellvertretender Vorsitzender er ist, nun Dreh- und Angelpunkt der Aktivitäten sein. Wie der Untertitel besagt, verfolgt dieser auch das Voranbringen der Energiewende in der Region. „Auf dem Strommarkt sind wir mit erneuerbaren Energien schon relativ gut versorgt, aber noch nicht ausreichend – und vor allem bei den Speichern muss noch viel passieren“, so Scheidel. Er hofft, dass treue Mitstreiter sich im Verein engagieren werden, vor allem auch Jüngere aus der Klimabewegung.
Die 153. und letzte Mahnwache „Atomkraft - Nein, danke!“ wird am Montag, 8. Mai, 18 Uhr, abgehalten.