1. Startseite
  2. Region
  3. Langen

„Dass die Gefahr da war, wussten alle“: Ukrainerin aus Langen berichtet von ihrer Familie

Erstellt:

Von: Julia Radgen

Kommentare

Menschen und Hund in U-Bahn-Station in Kiew
Diese Fotos hat Viktoria Masterovenko von Freunden in Kiew zugeschickt bekommen. Viele Ukrainer suchen derzeit Schutz vor Bomben in U-Bahn-Stationen. © privat/Masterovenko

Die Nachricht, die Viktoria Masterovenko aus Langen wie viele andere erhält, trifft mitten ins Herz. Ihr Heimatland befindet sich im Krieg.

Langen – Über Nacht sind die schlimmsten Befürchtungen wahr geworden: Auch Viktoria Masterovenko ist am Donnerstagmorgen mit der Nachricht aufgewacht, dass Putin die Ukraine angegriffen hat. Für die Ukrainerin aus Langen, die Familie und viele Freunde in der Heimat hat, beginnen bange Tage. Aber sie trifft auch auf überwältigende Solidarität.

Ein Gespräch über die vergangenen Tage. Als sie in den Nachrichten gesehen hat, dass Putin die Ukraine angegriffen hat, war das natürlich ein Schock, erzählt Masterovenko. „Dass die Gefahr da war, wussten alle.“ Aber bis zuletzt habe sie gehofft, dass es nicht zur Eskalation kommt.

„Das kann doch nicht sein, dass es im 21. Jahrhundert zu diesem Krieg kommt“, sagt die Frau, die Mitglied im Langener Ausländerbeirat ist. Sie war bereits am Donnerstagabend bei einer großen Kundgebung in Frankfurt, die der dortige Ukrainische Verein organisiert hatte.

Ukrainerin aus Langen berichtet: „Dass die Gefahr da war, wussten alle“

Bei den Mahnwachen am Wochenende waren es noch mehr, aber bereits da versammelten sich rund 2000 Menschen an der Hauptwache. „Das waren so viele“, sagt Masterovenko, die damit nicht gerechnet hätte. „Das war wichtig, um unsere Position zu zeigen und politische Aufmerksamkeit für das Thema zu erregen“, sagt die Langenerin.

Aber natürlich auch, um Emotionen auszutauschen. „Es wurde zusammen geweint oder die ukrainische Hymne gesungen.“ Das habe sie an 2014 erinnert. „Da haben wir schon demonstriert. Wenn so etwas in deinem Land passiert, musst du da sein, wo die Menschen sind“, meint Masterovenko, die seit acht Jahren in Langen lebt. „Eigentlich würde ich am liebsten da sein, wo meine Familie ist, aber das geht nicht.“

Deswegen sind die Mahnwachen und Demonstrationen für sie und die vielen Ukrainerinnen und Ukrainer hierzulande so wichtig. „Man will in der Situation irgendetwas machen. Aktuell kann man hier nur nach draußen gehen und zusammen sein.“ Schon seit drei Wochen demonstrieren Menschen in Frankfurt, weiß die Mutter von zwei Kindern – sie war oft mittendrin.

„Die Aufmerksamkeit ist da, die ukrainische Flagge hängt an Behördengebäuden“, sagt sie. Wichtig sei natürlich, dass die Politik auf höchster Ebenen klare Position gegen Putin und den Krieg bezieht, aber die große Solidarität der Bevölkerung gebe Kraft.

Schreckliches Bild: ein zerbombtes Haus in Kiew
Schreckliches Bild: ein zerbombtes Haus in Kiew © privat/Masterovenko

Die ganze Familie lebt in der Ukraine: Frau aus Langen bangt um ihre Angehörigen

Masterovenkos ganze Familie lebt noch in der Ukraine, ihre engsten Verwandten in Tschernihiw, einer Großstadt im Norden, gut 130 Kilometer von Kiew entfernt. Ihren Eltern hatte sie kurz vor der Eskalation noch geraten, einen Notfallkoffer zu packen – in der Hoffnung, dass der Ernstfall nicht eintritt.

Die Stadt liegt unweit der Grenze zu Belarus, war also von Norden kommend eine der ersten, die ins Visier der russischen Armee geraten ist. „Die Stadt wurde zum Glück nicht so richtig angegriffen, die Panzer sind wahrscheinlich vorbeigerollt, wie ich gehört habe“, erzählt Masterovenko.

Ihre Eltern haben Schutz in einem Bunker gesucht. Doch die Supermärkte sind leer, an den Tankstellen gibt es keinen Sprit und Bargeld ist bei den Banken schwer zu bekommen, ist zu hören. Das bereitet der Tochter in Langen große Sorgen.

Ukrainerin aus Langen berichtet: Schwierige Informationslage für Angehörige in Deutschland

Die Informationslage ist für die Angehörigen im Ausland schwierig. Neuigkeiten kommen nur häppchenweise an und nicht alle Nachrichten stimmen, sagt Masterovenko. „Deshalb ist es nicht immer einfach zu verstehen, ist das jetzt Panik oder die Wahrheit?“ Viele ihrer Freunde leben in der Hauptstadt Kiew.

Auch von dort erhält sie ständig aktuelle Informationen, zum Beispiel über Whatsapp. „Ich weiß von ein paar, dass sie aus der Stadt raus sind und schon die polnische Grenze erreicht haben, andere stehen in der Schlange, um, sich für das Militär anzumelden.“

Männer zwischen 18 und 60 Jahren müssen sich für den Militärdienst melden und dürfen nicht mehr ausreisen. Aber auch Ukrainerinnen können kämpfen. „Ich kenne einige Frauen, die das gewählt haben. Sie wollen helfen, wie sie können und wählen diesen aktiven Weg“.

Helfen

eine aktuelle Liste der Spendenkonten gibt es zum Beispiel auf der Seite der Tagesschau. Wer Geflüchteten aus der Ukraine eine Unterkunft anbieten will, kann sich dafür bei Elinor Network registrieren, für Hilfe und Fahrdienste gibt es eine Sammelseite von „Leave no one behind“.

Ukrainerin aus Langen berichtet: Familie hat auch Verwandtschaft in Russland

Die Familie hat auch Verwandtschaft in Russland, die genauso schockiert über den Krieg ist. „Ich habe neulich erst zu meiner Mutter gesagt, die Menschen in Russland entscheiden doch nicht. Putin hat sie nicht gefragt. Er macht, was er will.“

Sie habe in den vergangenen Tagen auch mit einigen russischen Bekannten hierzulande telefoniert. „Keiner will den Krieg. Es ist doch allen normalen Menschen klar, dass hier Leben riskiert werden.“

Neben den Nachrichtenportalen, über die sich die Langenerin stetig informiert, erhält sie die meisten Informationen über Facebook. Dort ist die ukrainische Community gut vernetzt, auch Demos und Hilfsangebote werden im Netz organisiert. (Julia Radgen)

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion