50 Badewannen in der Sekunde

Bruchköbel – Wenn in Bruchköbel Land unter herrscht, kommen sie zum Einsatz: drei Hochleistungspumpen, die bereits seit den 80er Jahren in einem Pumpwerk am Ende der Kirlesiedlung installiert sind und im Ernstfall dafür sorgen, dass die Kanalisation der Stadt entlastet wird. Damit sie immer einsatzbereit sind, müssen die Geräte gepflegt und regelmäßig gewartet werden.
Jetzt wurde eine der drei Pumpen mit großem Aufwand ausgebaut. Sie soll in den nächsten Wochen überholt werden.
Es pfeift ein eisiger Wind über die Kirlesiedlung hinweg, als die schwere Pumpe am Haken eines Autokrans auf einen Transporter verladen wird. Zuvor war sie vom Kranführer mit viel Fingerspitzengefühl aus einer dafür vorgesehenen Öffnung im Dach des Pumpenhauses gehoben und auf dem Parkplatz zwischengelagert worden. Der Koloss ist sieben Meter lang und wiegt zwei Tonnen. Beim Aufsetzen auf der Ladefläche geht der Lkw gehörig in die Knie.
Bei voller Auslastung kann die Pumpe pro Sekunde rund 1250 Liter Wasser durch die Röhre pressen, die einen Durchmesser von 60 Zentimetern aufweist, erklärt Björn Schutt, der Leiter des Bruchköbeler Bauamts, der die Arbeiten koordiniert.
5000 Liter Wasser in einer Sekunde
Vom gleichen Typ gibt es im Pumpwerk noch zwei weitere Anlagen, hinzu kommen noch drei Elektropumpen, die bei geringeren Regenmengen eingeschaltet werden. Zusammen können sie rund 5000 Liter Wasser in einer einzigen Sekunde aus der Kanalisation ziehen. Das sind etwa 50 gefüllte Badewannen „Das sorgt bei einem mittlereren bis starken Regenereignis schon für Entlastung“, berichtet Schutt. Der Bauamtschef ist schon seit vielen Jahren für das Wassermanagement der Kommune verantwortlich. Nur wenn es ganz heftig kommt, bei Niederschlagsmengen mit einem Volumen wie etwa bei der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021, würde auch diese Pumpkraft nicht mehr ausreichen, sagt er. Aber Folgen wie bei der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz seien allein wegen der topografischen Situation in Bruchköbel so gut wie ausgeschlossen, sagt er.
Man braucht die Pumpen nur äußerst selten. Im Jahr kommen sie im Schnitt auf nur etwa zehn Betriebsstunden. Es ist jedoch wie bei jeder Sicherheitstechnik: Lange Zeit wird sie nicht genutzt, aber wenn man sie braucht, muss sie funktionieren – und zwar tadellos, ergänzt Schutt. Die großen Pumpen werden mit Dieselmotoren angetrieben, damit sie auch im Falle eines Stromausfalls einsatzfähig sind. Alle drei Wochen werden sie auf ihre Funktionsfähigkeit getestet.
Zahn der Zeit nagt an Pumpwerken
Obwohl nur selten in Gebrauch, nagt der Zahn der Zeit an der Mechanik. Am unteren Ende des Förderrads erkennt man deutlich den Rost. Es sei jetzt Zeit, dass die Anlage über die Wartung hinaus generalüberholt wird, sagt Schutt. Die Pumpen wurden Mitte der 80er Jahre installiert. Letztmals wurde 2008 eine von ihnen überholt.
Der Transport geht nach Frankenthal in die Pfalz. Dort wird die Pumpe von einer Spezialfirma in ihre Einzelteile zerlegt und später wieder zusammengebaut. Dafür sind etwa zehn Wochen eingeplant. Die Kosten inklusive Transport belaufen sich auf rund 100 000 Euro. „Ein Neukauf würde sich in ganz anderen Dimensionen bewegen“, relativiert Schutt die Summe.
Das Pumpwerk in der Kirlesiedlung liegt auf dem Weg der Kanalisation, die die Abwässer aus Bruchköbel zum Klärwerk nach Hanau führt. Etwa 80 Liter pro Sekunde an einem normalen, trockenen Tag. Steigt die Menge durch starke Regenfälle an, fließt das Wasser zunächst in ein Überlauf- und von dort in die umliegenden Rückhaltebecken. Davon gibt es rund um das Pumpwerk einige mit einem Gesamtfassungsvermögen von rund 3000 Kubikmetern. Sind diese gefüllt, wird das Wasser hochverdünnt in den Krebsbach geleitet.
Die Stadt Bruchköbel hat in den vergangenen Jahrzehnten viel Geld in den Hochwasserschutz investiert. Nach der folgenschweren Flut im Jahr 1981, als die gesamte Bruchköbeler Innenstadt vollgelaufen war, sind in der Stadt eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt worden. Die wichtigste davon sei zweifellos der Bau des Rückhaltebeckens zwischen den beiden Ortsteilen Nieder- und Oberissigheim gewesen, berichtet Schutt. 2010 wurden der Damm sowie das Drosselbauwerk fertiggestellt. Ein weiteres, wenngleich kleineres Rückhaltebecken gibt es am Blochbach in Niederissigheim, wo rund 10 000 Kubikmeter Wasser gestaut werden können. Auch die Renaturierung des Krebsbachs trägt enorm zum Hochwasserschutz bei. Ein halbes Dutzend Maßnahmen sind in den vergangenen Jahren umgesetzt worden. Mehr als zwei Kilometer des Flusslaufes sind in seine ursprüngliche Form gebracht worden. Weitere Projekte sind bereits geplant. Bezuschusst werden die Arbeiten zum großen Teil vom Land Hessen.
Topografische Lage in Bruchköbel besonders
Die topografische Lage mache Bruchköbel für Wasserbauer zu einem komplizierten Fall. An vielen Stellen liegen die Gewässer auf einem ähnlichen Niveau wie das Land. Dies bringt ein erhöhtes Überschwemmungsrisiko mit sich und erfordert zudem höhere Investitionen in Schutzmaßnahmen. Aber auch die Infrastruktur zum Abtransport der städtischen Abwässer sei aufwendiger. Damit die Abwässer in Richtung Hanau fließen können, müssen sie in einem Hebewerk zunächst auf ein höheres Niveau gebracht werden. Zwei große Schnecken in der Nähe der Kirlesiedlung verrichten diese Arbeit. Eine von ihnen war vor einigen Jahren ausgetauscht worden, sagt Schutt. Im Wasserbau gibt es immer was zu tun. (Von Holger Weber-stoppacher)


