Der Mann, der den Ruhestand der Bruchköbeler plant

Bruchköbel – „Mensch, Manfred“, sagt der leicht ergraute Mann auf dem Bürgersteig in Bruchköbels Stadtzentrum, „gut, dass ich dich hier sehe, ich wollte dich ohnehin schon anrufen.“ Der Passant ist augenscheinlich Rentner oder zumindest kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand und somit genau die Zielgruppe von Manfred Brede, seit fünf Jahren ehrenamtlicher Versichertenberater im Main-Kinzig-Kreis.
Bis zu seinem Ausscheiden war der heute 75-jährige Bruchköbeler Vorstandsvorsitzender der Vereinten BKK. Sein ganzes Leben lang hat er sich mit Versicherungsfragen beschäftigt. Für die Deutsche Rentenversicherung, die bundesweit von 2600 ehrenamtlichen Beratern unterstützt wird, ist der Bruchköbeler somit ein echter Glücksfall. Und auch Brede findet, die Aufgabe sei genau sein Ding. Zum Gespräch in einem Bruchköbeler Café hat er eine Aufstellung mitgebracht, quasi eine Bilanz seiner Jahresleistung. 459-mal hat er vergangenes Jahr Menschen beraten, 275 Anträge ausgefüllt und dies alles in 214 Stunden. Entweder an seinem Schreibtisch im Bürgerbüro der Stadt, oder bei den Versicherten zu Hause. Die Corona-Pandemie konnte seinen Eifer nicht bremsen. „Ich sitze mit einer Maske bei geöffnetem Fenster hinter einer Glasscheibe. Da fühle ich mich sicher“, sagt er.
Er könnte viele Geschichten erzählen
Brede könnte viele Geschichten erzählen, wenn er es denn dürfte. Doch wie ein Pfarrer oder ein Anwalt unterliegt auch der Rentenberater einer Schweigepflicht. In der Regel, wenn alles glatt läuft, der Versicherte alle erforderlichen Unterlagen dabei habe, fülle er einen Antrag innerhalb von einer Viertelstunde aus, sagt er. Manchmal aber bei interessanten Kunden dauert es auch wesentlich länger. „Sie können sich nicht vorstellen, welche Geschichten man so hört. Da sind Biografien dabei, bei denen möchte man einfach mehr erfahren über den Menschen, der da vor einem sitzt“, sagt er.
Er hört Erfolgsgeschichten, Chroniken des Scheiterns, Beschreibungen tragischer Lebenswege und Berichte von Liebe, Glück und Zufällen – eben die ganze Bandbreite, die das Leben bereithält. Die traurigen Geschichten gingen ihm sehr nahe, aber meistens vergesse er sie auch sehr schnell wieder. Zum Glück, sagt er, denn wenn man das alles zu sehr an sich heranließe, könnte man den Job auf Dauer nicht machen.
Mehr als 400 Beratungsgespräche im Jahr
Bei mehr als 400 Beratungsgesprächen im Jahr kann er sich auch nicht jedes Gesicht merken. Deshalb kommt es nicht selten vor, dass er auf der Straße freundlich gegrüßt werde, er den Gegenüber aber nicht immer erkenne – und schon gar nicht dessen Lebenslauf präsent habe.
Den Versicherten, auch denjenigen, deren Ruhestand noch in weiter Ferne liegt, rät er, schon frühzeitig alle Unterlagen zu sammeln damit der Übergang ins Rentnerdasein harmonisch verläuft.
Brede ist neben seiner Tätigkeit bei der Deutschen Rentenversicherung auch noch Schöffe und stellvertretender Ortsgerichtsvorsteher in Bruchköbel sowie ehrenamtlicher Richter am Landessozialgericht in Darmstadt. Er hat sein ganzes Leben lang ehrenamtliche Aufgaben übernommen. Schon im Sportverein in Niederrad, wohin es den Sohn eines Postbeamten als Zwölfjährigen verschlug.
Zahlreiche Funktionen bei der SG Bruchköbel
Bei der SG Bruchköbel bekleidete Brede von 1980 bis bis heute zahlreiche Funktionen – vom Schriftführer bis zum Amt des Vizepräsidenten, das er 2018 niederlegte. Bis heute gehört er als zweiter Vorsitzender zu den Aktivposten im Förderverein der Fußballabteilung. Ein Leben ohne Ehrenamt kann sich der Bruchköbeler nicht vorstellen. Er ist überzeugt davon, dass der Mensch auch im Alter und nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben eine feste Struktur braucht. Einfacher wird seine ehrenamtliche Tätigkeit dadurch, dass auch seine Frau Brigitte sich als Übungsleiterin und Präsidiumsmitglied bei der SG Bruchköbel engagiert. Von daher bringe sie auch Verständnis für seine mitunter zeitraubenden Tätigkeiten mit, sagt er.
Die Termine für die Rentenberatung werden von der Stadtverwaltung in Bruchköbel vergeben, wo Bredes Sohn Jens die Finanzabteilung verantwortet. Das Thema Stadtfinanzen ist bei den Familientreffen allerdings genauso tabu wie die Geschichten der Versicherten. (Von Holger Weber)