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Für Frauen in Not eingesetzt

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Bekleidet beim Sozialdienst katholischer Frauen ein Ehrenamt, das Zeit und viel Kraft verlangt. Jetzt erhielt sie den Landesehrenbrief überreicht.
Bekleidet beim Sozialdienst katholischer Frauen ein Ehrenamt, das Zeit und viel Kraft verlangt. Jetzt erhielt sie den Landesehrenbrief überreicht. © Detlef Sundermann

Bruchköbel – Ach, warum wollen Sie denn was über mich wissen? Ich bin doch nicht so interessant“, wehrt Marion Meister den Versuch ab, im Gespräch mit dieser Zeitung was Persönliches über sie zu erfahren. Dabei macht sie keinen Eindruck von Schüchternheit. Viel lieber erzählt Meister über ihre Arbeit im Vorstand des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) in Bad Soden-Salmünster, dem die Wahl-Bruchköbelerin seit 20 Jahren als Vorsitzende angehört.

Nicht allein für die lange Zeit an der Spitze des Ortsvereins hat Meister nun den Landesehrenbrief erhalten. Sie hat so manches Projekt aus der Taufe gehoben, das positive Schlagzeilen gemacht hat, und das heute noch existiert, wie die einst in Hessen einmalige Babyklappe an den katholischen Krankenhäusern in Fulda, Kassel und Hanau.

Das Ehrenamt fing bei Meister nicht mit dem SkF an, sondern noch einmal 20 Jahre vorher. Als sie von Koblenz, ihre Geburtsstadt, nach Bruchköbel gezogen war, wurde sie schnell zum aktiven Mitglied der katholischen Gemeinde St. Familia, gar nicht aus eigener Initiative. „Ich wurde gefragt, können Sie mal“, erzählt Meister. Und ja, sie konnte, bereitete schon bald Gottesdienste vor und übernahm sonst noch Aufgaben für Ehrenamtliche. Anfang der 2000er Jahre wurde in Hanau ein Ortsverband des SkF gegründet, da war sie gleich dabei. „Gesellschaftliche und Frauen-Themen haben mich immer schon interessiert“, bemerkt sie. Dann kam sie als Vorsitzende für den neuen Ortsverein in Bad Soden-Salmünster ins Gespräch. Zeit hatte sie. Meister hatte ihren Beruf als gelernte Bankkauffrau bei der Sparkassen-Innenrevision für die Familie, Mann und zwei Kinder aufgegeben. „Das war damals so, wenn der Mann genug Geld verdiente“, sagt sie.

Aber Meisters Beruf stand für ihre Charaktereigenschaft, Gewissenhaftigkeit. Sie habe sich nicht einfach in die verantwortungsvolle Aufgabe hineinstürzen wollen. Überhaupt sei die Nominierung zunächst ein „Schock gewesen“. Meister bereitet sich ein Jahr lang vor, besuchte diverse Seminare, um für die Vorstandsarbeit in jeder Facette wie Verwaltung und Personalführung visiert zu sein. „Erst dann ließ ich mich wählen“, sagt sie. Was sich später als kluge Entscheidung herausstellte. Nicht nur, weil sie bis 2016 auch die Geschäfte des Ortsvereins ehrenamtlich miterledigte, sondern ebenso um den SkF weiterzuentwickeln.

„Unser Anliegen lautet, Babys zu retten“

Ein besonderes Merkmal des SkF sei die Dienstgemeinschaft von haupt- und ehrenamtlichen Kräften. Daher war Meister nicht nur einmal in Fulda bei der Bistumsverwaltung vorstellig, etwa in Sachen Babyklappe. „Es gab viele rechtliche Fragen und Lösungen für die bauliche Umsetzung des Hamburger Modells zu finden“, sagt sie. „Unser Anliegen lautet, Babys zu retten und die Mütter nicht zu kriminalisieren, in dem sie das nicht gewollte Kind etwa in einer Plastiktüte im Busch entsorgen müssen“, sagt Meister. Die Zeit habe den Erfolg bestätigt. „Alle Klappenkinder sind bei den Ersatzeltern ganz tolle Menschen geworden“, betont sie. Dass der Vatikan, gegen den Protest mancher Katholiken, der Caritas und dem SkF verbot, eine Schwangerschaftskonfliktberatung vorzunehmen, um der Schwangeren womöglich den Schein zur Abtreibung auszustellen, entspricht auch Meisters Selbstverständnis. „Ich war mittendrin in der Diskussion“, erzählt sie. „Der SkF ist keine Scheinausgabestelle, aber wir können den betroffenen Frauen Alternativen aufzeigen. Wir können den Frauen helfen“, sagt Meister. Nicht nur um einen Weg aus einer möglichen wirtschaftlichen Misere nach der Geburt zu finden, sondern ebenso etwa im Fall einer zu erwartenden Behinderung des Kindes mit professioneller psychosozialer Beratung. Denn eine Abtreibung könne eine Frau auf Lebenszeit traumatisieren, bemerkt Meister.

Um Familien finanziell zu helfen, gründete Meister 2008 eine Unterstiftung des SkF Bad Soden-Salmünster, die vom Land Hessen mit dem Titel „Stiftung des Jahres“ ausgezeichnet wurde. „Bei der Stiftung sind wir auf Spenden angewiesen“, sagt sie. Daher habe sie zuvor Kurse im Fundraising besucht.

Ein wichtiges Anliegen sei ihr aber auch die Auseinandersetzung mit Gewalt gegen Frauen. Das Thema habe sie mit verschiedenen Aktionen an die Öffentlichkeit gebracht. Dazu zählte ebenso eine Beratung per Internet-Chat rund um die Uhr. Mangels Geld musste dieses Angebot bald eingestellt werden. „Das war für uns Haupt- und Ehrenamtliche eine große Niederlage“, sagt Meister, die ie einzige.

Ans Aufhören denkt sie nicht

Die Arbeit im SkF-Vorsitz ist ein „sehr intensives Ehrenamt“. Es verlangt viel Zeit und Kraft“. Die Trennung von operativen und administrativen Aufgaben mit der Einführung einer hauptamtlichen Geschäftsleitung habe eine Erleichterung gebracht. Zumal Meister seit 15 Jahren obendrein den Vorsitz in der Diözesan-Arbeitsgemeinschaft inne hat. Ob sie, Großmutter von vier Enkeln, schon mal ans Aufhören gedacht habe? Es habe sich noch keine Nachfolgerin gefunden. Amtsmüde sei sie auch nach zwei Jahrzehnten nicht. „Bei der Arbeit im SkF ist immer Leben drin, sie hält einen wach und macht Freude. Es ist einfach ein toller Ortsverein“, sagt die Vorsitzende. Und was käme für Marion Meister danach? „Das ist ein Moment, an den ich noch gar nicht denke“, sagt sie mit ein bisschen Schaudern. (Von Detlef Sundermann)

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