Glücksgefühl auf zwei Rädern

Bruchköbel – Während der Osterferien haben Kids bei den Jugendaktionstagen der Stadtverwaltung Kniffs und Tricks beim Mountainbikefahren gelernt.
„Die Ferse leicht nach unten gedrückt, in den Pedalen stehen, die sich in waagerechter Ausrichtung befinden, und noch ganz wichtig: Das Körpergewicht darf nicht auf dem Lenker lasten“, erklärt Annette Gerhard eine Grundposition auf dem Mountainbike (MTB). Nur so lässt sich ein hindernisreicher Trail unbeschadet bewältigen oder das einem Cross-Motorrad ähnelnde Velo im Stand halten, ohne die Füße auf den Boden zu setzen.
Neben Toy-Fotografie und Upcycling bietet das Jugendreferat der Stadt Bruchköbel bei den Jugendaktionstagen wieder einen MTB-Kurs für Anfänger und Fortgeschrittene. Die erstgenannte Gruppe, die ihr Bike an sich schon gut beherrscht, wurde, bevor es auf den Trail in Bad Orb ging, zunächst auf dem Freizeitgelände „Dicke Eiche“ fit gemacht – mit keineswegs einfachen Übungseinheiten.
Aus der Fahrt einen bodentief gehaltenen Becher – mal mit der rechten, mal mit der linken Hand – aufnehmen und ihn in eine Kiste zu befördern, hört sich erst einmal einfach an, verlangt jedoch gutes Balancegefühl und ein feines Dosieren des Bremshebels. Das Bremsen ist beim Mountainbike-Sport überhaupt so eine Sache für sich, erfahren die Teilnehmer im Alter von rund 13 Jahren. Denn es gilt, mit beiden Bremsen einen kurzen Bremsweg zu erreichen, ohne eine Bremsspur zu hinterlassen, die durch die grobstollige Bereifung drastisch ausfallen kann. „Das erfreut weder den Waldbesitzer noch den Trailbauer, der euch danach ein Bahnverbot ausspricht“, sagt Gerhard.
Für das Training dürfen jedoch alle ein paar Mal auf einem matschigen Streifen die Scheibenbremse am Hinterrad zupacken lassen, das flugs blockiert und eine deutliche Spur zieht. „Und nun nur die Vorderradbremse! Wer hat Angst davor?“, fragt Gerhard, erhält aber keine Rückmeldung. Laut der Trainerin, ziehen nicht wenige MTB-Sportler wegen der Überschlagsgefahr sehr respektvoll am linken Bremshebel.
Für die vier Schüler war das Thema Bremsen hingegen keines. Doch Bremsen ist laut Gerhard nicht alles. Es kann auf einem Trail auch mal heißen, im Stand zu balancieren, weil es sich etwa an einer Stelle staut oder ein Hindernis es erfordert. Auch das schafft das Quartett nach kurzer Zeit, einer sogar für einen Moment freihändig.
„Nach dem Training sind die Jugendlichen fähig, auf blau und rot markierten Trails zu fahren“, sagt David Dieschburg, Jugendarbeiter bei der Stadt Bruchköbel und selbst begeisterter MTB-Pilot. Die Farben stehen für die Schwierigkeitsgrade leicht und mittel, steile Abfahrten oder Treppen gehören jedoch schon zum Repertoire. Wer hierbei keine Herausforderung für sich mehr sieht, kann bei den Jugendaktionstagen auch an einem Training für Fortgeschrittene teilnehmen. „Voraussetzung ist, dass man den Basiskurs absolviert hat“, sagt Dieschburg.
„Das Beherrschen der Fahrtechnik ist für die Sicherheit ganz wichtig“, erläutert Gerhard ihr Konzept. Gerade bei Kindern und Jugendlichen seien die Voraussetzungen dazu am günstigsten, nicht allein wegen der besseren Körperbeherrschung, sondern auch mental. Kinder seien noch sehr intuitiv und denken nicht wie Erwachsene über die möglichen Folgen nach, wenn etwas schief geht.
Die studierte Industrie-Designerin verfügt über jahrelanger Rennerfahrung im Enduro- und Downhillsport. Es folgte eine Ausbildung zur zertifizierten Mountainbike-Fahrtechniktrainerin bei der Deutschen Initiative Mountainbike. Seit elf Jahren leitet Gerhard den Mountainbike-Kurs der Hochschule Darmstadt und führt Touren. Überdies trainiert sie die MTB-Jugend beim VC Darmstadt. Vor einem Jahr hat sie ihr eigenes Unternehmen, MTB-ABC, gegründet.
„Die Nachfrage ist riesig“, sagt sie. Für Gerhard ist Mountainbiken mehr als ein Sport oder ein Geschäft. „Mountainbikefahren ist sehr gesellig. Es gibt für mich keinen Sport, der so ausgeglichen macht“, sagt die Profifahrerin und fügt lachend hinzu: „Der Schlamm auf der Schutzbrille macht glücklich.“
Von Detlef Sundermann

