Bruchköbeler Automatensprenger skrupellos

Bruchköbel – Sogar in Erlensee wollen einige die Detonationen gehört haben, die in der Nacht von Sonntag auf Montag um kurz nach zwei Uhr zahlreiche Menschen aus dem Schlaf riss. Noch in der gleichen Nacht machte die Nachricht in den sozialen Netzwerken die Runde: Unbekannte hatten den Geldautomat der Sparkasse Hanau auf dem Parkplatz des Discounters Lidl in Bruchköbel in die Luft gejagt.
Auf rund 50 000 Euro bezifferte die Sparkasse gestern nun den Schaden, der durch die Explosion entstanden ist. Keine Informationen gibt es bisher darüber, ob und wie viel Geld die Täter in der Nacht erbeutet haben. „Wir wollen keine Nachahmer auf den Plan rufen“, erklärte Sparkassensprecher Stefan Schüßler auf Anfrage unserer Zeitung.
Schüßler kündigte an, dass man den Automaten, von denen die Sparkasse Hanau in ihrem Beritt insgesamt vier Stück betreibt, an gleicher Stelle wieder aufbauen werde. Nach 2017 in Langenselbold war es bereits das zweite Mal, dass ein Cash-Point der heimischen Sparkasse von Unbekannten gesprengt wurde, um an das Bargeld im Inneren zu gelangen.
Keine Spur von den Dieben
Von den Dieben fehlt nach Angaben der Polizei bisher noch jede Spur. Laut Landeskriminalamt agieren die Täter, in der Regel sind es mehrere, immer nachts oder in den frühen Morgenstunden. Sie nutzen zum Sprengen inzwischen auch in Hessen sogenannte Festsprengstoffe, anstatt der sonst üblichen Mischung aus Acetylen-Sauerstoff aus Gasflaschen. Die Gefahrenmomente für unbeteiligte Dritte seien dabei noch höher, weil die Sprengungen mittels Sprengstoffen im Vergleich zur Wirkung von Gasgemischen eine größere und zerstörerische Energie entfalteten.
Die Täter seien nicht selten in hochmotorisierten Fahrzeugen unterwegs und entfernen sich nach der Sprengung rasch vom Tatort, weiß Laura Kaufmann-Conrad, Sprecherin des hessischen Landeskriminalamts. Das Phänomen werde seit 2015 von der Behörde beobachtet. Im Jahr 2019 sei der bislang höchste Stand der Geldautomaten-Sprengungen in Hessen, 53 an der Zahl, festgestellt worden. „Nach einer Abnahme der Fälle im Jahr 2020, in dem es zu 30 Geldautomaten-Sprengungen kam, verzeichnen wir derzeit wieder einen Anstieg “, berichtet sie. Zum jetzigen Zeitpunkt sind den Angaben zufolge hessenweit bereits 41 Fälle – darunter 16 Versuche – von Geldautomaten-Sprengungen für das Jahr 2021 bekannt geworden.
Zwei Drittel aus den Niederlanden
Laut einem aktuellen Lagebericht des Bundeskriminalamts lag der regionale Brennpunkt 2020 in Nordrhein-Westfalen. Vor allem wegen der Nähe zu den Niederlanden, von wo aus nach Erkenntnissen der Polizei die meisten Täter stammen. „In Zusammenhang mit Sprengungen von Geldautomaten traten 2020 überwiegend Tatverdächtige mit niederländischer (51 Prozent) oder deutscher Staatsangehörigkeit (19,6 Prozent) in Erscheinung“, heißt es. Von den im Jahr 2020 identifizierten „Panzerknackern“ waren etwa zwei Drittel „reisende Täter“. Gut möglich also, dass auch die Automatensprenger aus Bruchköbel nur im Vorbeifahren agiert haben.
Der Schaden, der durch die Sprengung von Automaten entsteht, ist enorm. Bei den 414 Fällen, die 2020 bundesweit verzeichnet wurden, erbeuteten die Täter laut Bundeskriminalamt rund 17,1 Millionen Euro.
Die Frage ist: Wie können sich Banken und Sparkassen vor den Verbrechern schützen? Das Phänomen lasse sich nur durch geeignete Präventionsmaßnahmen nachhaltig bekämpfen, heißt es seitens des LKA. Banken, Finanzdienstleistern und Aufstellern von Geldautomaten komme dabei eine besondere Rolle zu. Aktuell seien in Deutschland bei noch recht vielen Geldautomaten die mechanischen und technischen Schutzvorrichtungen gering. Gleiches gelte für Schutzsysteme, etwa Geldeinfärbe- oder Verklebesysteme, die eine Nutzung des erbeuteten Geldes erschweren. Die Bereiche, in denen die Geldautomaten aufgestellt seien, seien darüber hinaus häufig nachts nicht verschlossen – so wie auch in Bruchköbel, wo der Geldautomat mitten auf dem Parkplatz steht. wenngleich Sparkassensprecher Schüßler betont, dass die Automaten des Hanauer Geldinstituts mit allen gängigen Sicherheitsausstattungen ausgerüstet seien.
Druck im Ausland wird größer
Präventionsmaßnahmen führen nach Einschätzung des LKA zu einer Minimierung des Risikos. Das zeigten Ergebnisse aus Nachbarstaaten, etwa den Niederlanden oder Frankreich. Der Erfolg der anderen ist jedoch zu einem Problem für Deutschland geworden. Denn die verstärkten Maßnahmen in den Nachbarländern seien ein Grund dafür, dass die Täter nun ihr Glück häufiger hier suchten. (Holger Weber)
