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Vesna Martin: „Ich habe für Freunde gekocht“

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Von: Holger Weber-Stoppacher

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Sechs Tage in der Woche bediente Vesna Martin ihre Gäste im Treffpunkt Nord in Bruchköbel. Jetzt muss sie ihr Restaurant aus gesundheitlichen Gründen schließen.
Sechs Tage in der Woche bediente Vesna Martin ihre Gäste im Treffpunkt Nord in Bruchköbel. Jetzt muss sie ihr Restaurant aus gesundheitlichen Gründen schließen. © Holger Weber-Stoppacher/Privat

Bruchköbel – „Nur so lange der Vorrat reicht. Wenn es alle ist, dann ist es alle.“ So lautete die Devise von Vesna Martin, die am Samstag im „Treffpunkt Nord“ in Bruchköbel das letzte Mal in der Küche ihres Restaurants am Herd stehen wird. Die Gäste konnten sich somit darauf verlassen, dass die Zutaten, die die Bosnierin für ihre Speisen verwendete, stets frisch waren.

Vor 20 Jahren hatte die heute 63-Jährige das Restaurant an der Pestalozzi-Straße übernommen, jetzt muss sie aus gesundheitlichen Gründen ihr Lokal aufgeben.

Kochen sei für sie nicht nur ein Job gewesen. „Es ist meine große Leidenschaft“, sagt sie. Neben den Speisen von der Karte gab es bei ihr auch immer ein Tagesgericht. Mal Lammbraten mit grünen Bohnen und Bratkartoffeln, mal Hackbraten oder Leber. Wenn sie am Morgen sechs Kilo Leber gekauft habe, sei am Abend alles weg gewesen, sagt sie. Vor allem ihre Gerichte vom Balkan hätten ihre Kunden geliebt.

Nachbarn, Tuner und Tischtennisspieler

Zu den Gästen zählten die vielen Nachbarn im Bruchköbeler Norden, aber auch die Turner des TV Roßdorf und die Tischtennisspieler der SG Bruchköbel, die nach dem anstrengenden Training im benachbarten Sportzentrum regelmäßig bei Vesna Martin wieder Kraft tankten. Man habe bei ihr unzählige Geburtstage und andere Feste gefeiert. Der beliebteste Tisch sei immer der mit Blick in die Küche gewesen, wo die Gäste es geliebt hätten, der geschickten Köchin bei der Arbeit zuzusehen.

Über die Jahre wuchs man in dem Lokal, in dem man im Sommer auch in dem schattigen aber gemütlichen Hof sitzen konnte, zu einer großen Gemeinschaft zusammen. „Eigentlich habe ich nicht für Gäste, sondern meist für Freunde gekocht“, sagt sie. Und ihre Stammgäste sorgten auch dafür, dass sie gut durch die zwei harten Corona-Jahre kam, in denen sie das Essen nach außen gab.

An ihrer Seite stand dabei Claudia Winterstein, die mehr als 14 Jahre im „Treffpunkt Nord“ bediente. „Wir hatten nie ein Verhältnis Chefin und Angestellte, sondern wir waren wie Freundinnen, sagt Vesna Martin. Vor allem am Wochenende war das Restaurant immer gut gefüllt. Bis zu 40 Gäste zählte sie an einem Abend. Mittags schon stand sie in der Küche, die Vorbereitung dauerten stets drei bis vier Stunden, dann machte sie sauber, um 16 Uhr öffnete sie das Lokal und von 17 bis 21 Uhr gab es dann warme Küche.

Hart war die Anfangszeit

Dass sie das alles geschafft habe, ganz allein in der Küche, darüber muss sie selbst manchmal staunen. Hart sei vor allem die Anfangszeit gewesen, als sie das Restaurant 2002 übernahm und ihre Kinder noch klein gewesen seien. Ihr Sohn und die beiden Töchter sind heute erwachsen, Vesna Martin hat nun auch schon drei Enkelkinder.

Dennoch wird sie Bruchköbel im kommenden Jahr verlassen und zurück nach Bosnien gehen. Nach mehr als 40 Jahren in Deutschland. Dort hat sie auch eine große Familie. „Wir waren sieben Geschwister zu Hause und haben heute noch ein inniges Verhältnis“, sagt sie. Ihre Heimat verließ sie als 18-Jährige, weil sie schon immer ein freiheitsliebender Mensch gewesen sei. Doch jetzt freue sie sich auf Bosnien, auf die Menschen, auf die Natur und das Leben in ihrer Heimat – ohne natürlich die Brücken nach Bruchköbel abzubrechen.

Für die Nachbarschaft im Bruchköbeler Norden war die Nachricht, dass die Bosnierin ihr Lokal schließen muss, zweifellos ein harter Schlag. Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Die Gastronomin hat einen Nachfolger gefunden, der schon bald wieder die Pforten öffnen wird. Im Angebot soll es afrikanisches Essen geben – eine Geschmacksrichtung, die es in Bruchköbel bisher noch nicht gibt.

Abschiedsparty am Samstag

Am Samstag will Vesna Martin jedoch erst einmal mit ihren Stammgästen Abschied feiern. Sven Kusnetzoff, Nachbar, Stammgast, Freund und Vorsitzender des Bruchköbeler Kulturvereins Wundertüte, werde die Musik auflegen, freut sich die Gastronomin und wird dann doch noch ein wenig melancholisch: „Es war eine schöne Zeit“, sagt sie und geht wieder in die Küche. Schließlich erwartet sie am Abend noch Gäste. (Von Holger Weber-stoppacher)

Eine Institution im Bruchköbeler Norden: Der „Treffpunkt Nord“.
Eine Institution im Bruchköbeler Norden: Der „Treffpunkt Nord“. © -
Immer frisch: Auf Qualität legte die Köchin in all den Jahren Wert.
Immer frisch: Auf Qualität legte die Köchin in all den Jahren Wert. © -

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