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„Ich war der mit der Zehn auf dem Trikot“

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Von: Holger Weber-Stoppacher

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Er werde viel vermissen, hat er gesagt: Pfarrer Burkhard von Dörnberg verlässt nach 14 Jahren die Gemeinde Issigheim, die sich aus den beiden Bruchköbeler Ortsteilen Nieder- und Oberissigheim zusammensetzt.
Er werde viel vermissen, hat er gesagt: Pfarrer Burkhard von Dörnberg verlässt nach 14 Jahren die Gemeinde Issigheim, die sich aus den beiden Bruchköbeler Ortsteilen Nieder- und Oberissigheim zusammensetzt. © Holger Weber

Bruchköbel – Am Sonntag feiert man in der Kirchengemeinde Issigheim wie immer kurz vor Ferienbeginn den Reisegottesdienst. Diesmal wird auch Pfarrer Burkhard von Dörnberg seinen Koffer packen. Allerdings wird er die Tasche nach seinem Urlaub nicht wieder im Pfarrhaus in Niederissigheim auspacken wie sonst, sondern in Marburg. Dort tritt der 48 Jahre alte Geistliche zum 1.

September seine neue Stelle als Dekan des Kirchenkreises Marburg an.

Das Wichtigste auf der Position des Spielmachers ist es doch, Ideen zu haben. Man muss die Tore nicht selbst schießen

Die Niederissigheimer werden diesen Gottesdienst deshalb mit einer Mischung aus Freude und Traurigkeit begleiten. So sehr sie ihm die neue verantwortungsvolle Stelle gönnen, so sehr werden sie ihn wohl auch vermissen. „Vor allem seine unkomplizierte Art und die Spontanität wird mir sehr fehlen“, sagt Martin Ohl-Norris, der in der Gemeinde für die Jugendarbeit zuständig ist. Er kann sich noch gut an den ersten gemeinsamen Gottesdienst mit dem Pfarrer erinnern. Das war 2008. „Wir sind zur Predigt in die Kirche gejoggt“, sagt er und lacht. Von da an war man gleich per du. Weitere außergewöhnliche Auftritte der beiden sollten folgen in den 14 Jahren.

Eine Pfarrerfamilie vom alten Schlag

„Wir sind eine Pfarrerfamilie vom alten Schlag“, sagt von Dörnberg. Und dieser Satz sagt viel aus über sein Pfarrerbild, die Beziehung zu seiner Gemeinde und auch das Selbstverständnis seiner Familie. Im Garten des Pfarrhauses steht ein langer hölzerner Tisch mit vielen Stühlen drumherum. Hier haben nicht nur die von Dörnbergs gesessen, sondern auch die Mitglieder des Jugendtreffs, mal der Kirchenvorstand oder auch andere Gremien der Gemeinde. Das Pfarrhaus und der Pfarrgarten standen den Issigheimern immer offen in der Zeit, in der von Dörnberg für das Seelenheil der beiden Ortsteile Nieder- und Oberissigheim Verantwortung trug. Von Dörnberg hat nie unterschieden zwischen Freizeit und Arbeit, war für die Menschen immer ansprechbar. Weil auch seine Frau Stefanie sowie die Kinder Johannes (18), Jakob (17), Frederik (14) sowie Judika (11) im gemeindlichen Leben engagiert sind, war der Kontrast zwischen Privatem und Dienstlichem bei den von Dörnbergs eigentlich kaum wahrnehmbar. Er hat es immer so betrachtet: Wenn die Grenzen zwischen den fundamentalen Bereichen des Lebens verschwimmen, dann relativiert sich auch die Zeit, die man dem Beruf widmet.

Während der Jugend in seiner Heimatstadt Melsungen war der Pfarrer ein begeisterter Fußballer und Fan von Arminia Bielefeld. Und auch im Gespräch bedient sich von Dörnberg gerne Analogien aus der Welt des Fußballs. So habe er sich in seiner Kirchengemeinde immer als der Spielmacher gesehen: „Ich war der mit der Zehn auf dem Trikot.“ Er habe die Bälle gefordert, verteilt und versucht, seine Mitspieler gut einzusetzen. „Das Wichtigste auf dieser Position ist es doch, Ideen zu haben. Man muss die Tore nicht selbst schießen.“ Und das würde er auch seinem Nachfolger raten: Sich selbst nicht so wichtig nehmen und die Menschen verknüpfen. Mit dieser Strategie ist er in Issigheim gut gefahren. Und an den besagten Ideen hat es ihm selbst nie gemangelt.

Schillernde Veranstaltungen bleiben in Erinnerung

In Erinnerung bleiben viele schillernde und außergewöhnliche Veranstaltungen: Etwa der Hawaii-Gottesdienst, bei dem von Dörnberg den Talar kurzerhand mal gegen Fußball-Trikot und Blumenkette tauschte. Seinen Auftritt im Supermann-Kostüm vor dem Altar wird man in Niederissigheim wohl genauso wenig vergessen wie den Basketball-Korb, den er zum Vorstellungsgottesdienst der Konfirmanden in die Kirche schob, um den „perfekten Wurf“ nicht nur theologisch-inhaltlich, sondern auch praktisch darzustellen.

Die Weihnachtskerb auf dem Areal der Gärtnerei Itt war mit knapp 1000 Besuchern zweifellos eines der größten Feste in den vergangenen Jahren. Unvergessen auch der Autogottesdienst auf dem Parkplatz des Tegut-Marktes während des Corona-Lockdowns. Nicht alle fanden diese Idee gut. In dieser Zeitung wurde eine Debatte über Sinn- und Unsinn einer solchen Veranstaltung geführt. Von Dörnberg hielt dem Gegenwind stand.

Dass seine Ideen nicht nur in Nieder- und Oberissigheim begrüßt und geschätzt wurden, zeigte sich auch bei den Verleihungen des Grünstift-Preises, den der Kirchenkreis Hanau alle zwei Jahre für besonders innovative Projekte vergibt. Die Gemeinde Issigheim war immer unter den Gewinnern dabei. Innovativ, offen für neue Ideen und gewillt, auch neue Wege zu gehen – so wird man den Pfarrer in Issigheim in Erinnerung behalten. „Unser Pfarrer war für jeden Klamauk und jeden Spaß zu haben. Aber es war ihm wichtig, dass hinter allem auch eine christliche Botschaft stand“, sagt Martin Ohl-Norris. „Das habe ich immer bewundert.“

20 Prozent mehr Kirchenbesucher

Auch die gemeindliche Statistik, zeigt, dass von Dörnberg in den zurückliegenden Jahren nicht viel falsch gemacht haben kann. Zwar ist die Zahl der Gemeindemitglieder in Issigheim während seiner Schaffenszeit wie auch andernorts um zehn Prozent gesunken. Doch stieg die Zahl der Gottesdienstbesucher im gleichen Zeitraum um 20 Prozent. Das sagt einiges aus über das Gemeindeleben. Während seiner Zeit konnte er stets auf eine Vielzahl an Helfern bauen. Allein die Teamer, rund 50 Ehrenamtliche zwischen 15 und 40 Jahren, bilden dabei ein starkes Fundament für die Kirchengemeinde.

Ich bin keiner, der hinter sich die Brücken einreißt, sondern werde immer wieder zurückkommen

Dass viele der Ehrenamtlichen auch gleichzeitig in anderen dörflichen Vereinen und Institutionen engagiert sind, führt in Niederissigheim zu einer starken Verzahnung der Kirche. So stelle sich laut von Dörnberg nie die Frage, ob sich die Kirche bei Veranstaltungen wie beispielsweise jüngst dem Feuerwehrjubiläum einbringe, sondern nur, wie sie dies tue.

All das werde er vermissen, sagt der Pfarrer. Genauso wie die Menschen, die ihm ans Herz gewachsen sind. Und wenn er nicht von der Bischöfin selbst gefragt worden wäre, hätte er sich auf die Stelle in Marburg wahrscheinlich auch nicht beworben – zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt, der aus familiären Gründen nicht sehr gelegen kommt. Die beiden großen Jungs stehen kurz vor dem Abitur. Sie werden auch weiterhin die Rehbeinschule in Hanau besuchen, um dort ihren Abschluss zu machen.

Die Stadt Marburg ist für die Familie kein Neuland. Der Pfarrer hat dort sein Examen in Theologie sowie sein Vikariat absolviert, auch seine Frau hat dort studiert. Die vier Kinder sind allesamt in der Universitätsstadt geboren. Es wird also ein „Zurück zu den Wurzeln“ für die Familie sein. Wenngleich die Gemeinde Issigheim immer Heimat bleiben wird, schränkt von Dörnberg ein. „Ich bin niemand, der alle Brücken hinter sich einreißt. Ich werde immer wieder zurückkommen“, sagt er. Und bis ins kommende Jahr wird er auch weiterhin in Niederissigheim wohnen, denn das Dekanat in Marburg, gleich in der Nähe des Schlosses gelegen, befindet sich gerade im Umbau.

Analogien aus der Welt des Fußballs

Bei der Beschreibungen seiner künftigen Aufgabe als Dekan gleitet von Dörnberg wieder in die Welt des Fußballs ab. Im Kirchenkreis werde er die Rolle des Spielertrainers bekleiden. Einer, der gestaltet und führt, aber sich manchmal auch selbst einwechselt. Denn Gottesdienste halten will er auch weiterhin.

Für den Abschiedsgottesdienst, der am Sonntag um 10 Uhr wieder auf dem Areal der Gärtnerei Itt gehalten wird, ist alles vorbereitet. Martin Ohl-Norris wird ein T-Shirt mit der Aufschrift „Ich habe einen Dekan zum Freund“ tragen. Dies werden noch viele weitere Issigheimer von sich sagen können. (Von Holger Weber-stoppacher)

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