Kommentar zur geplanten Querspange: Es geht im Kleinen auch um das große Ganze

Was für ein Fehlstart: Die Priorisierung der Roßdorfer Querspange durch das Land Hessen fußt auf falschen Daten. Ein Drittel der Unfälle, die im Bemessungszeitraum zwischen 2017 und 2019 registriert wurden und die bei der Frage der Priorisierung eine maßgebliche Rolle spielen, haben sich gar nicht auf Bruchköbeler Gebiet ereignet.
Denn: Die Auffahrt zur B 45, an der es seinerzeit zu einer massiven Serie von teils schweren Unfällen gekommen war, liegt auf Hanauer Gemarkung. Sicher: Unfall ist Unfall und letztlich ist es egal, wo die Gemarkungsgrenze verläuft, wenn bei einem Verkehrsunglück Menschen zu Schaden kommen. Doch wirft der Fauxpas der Behörde ein schlechtes Licht auf die Gesamtplanung, zumal der Unfallschwerpunkt durch den Bau einer Ampelanlage längst entschärft worden ist.
Allein aus diesem Grund sollte er bei der Betrachtung der verkehrlichen Gesamtsituation von Bruchköbel keine Rolle mehr spielen. Durch die Unkenntnis der örtlichen Gegebenheiten geht viel Vertrauen in den Planungsprozess verloren, den Bruchköbels Stadtverordnete am kommenden Dienstag in der Parlamentssitzung auf den Weg schicken sollen.
Aber nicht nur dieser Fehler lässt Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Projekts aufkommen. Auf zunehmenden Verkehr ausschließlich mit dem Bau neuer Straßen zu reagieren, ist salopp gesagt „old school“, passt nicht mehr in eine Welt, in der die Menschheit nach neuen Konzepten sucht, um ihr eigenes Überleben zu sichern.
„Wir müssen viele Dinge neu denken“, hat im Interview mit dieser Zeitung der IHK-Präsident Dr. Norbert Reichhold mit Bezug zur Klimadiskussion gesagt. Nachzulesen in der Ausgabe vom vergangenen Samstag. Und damit hat er Recht. Besser wäre, die Schüler eines womöglich größeren Bruchköbeler Schulzentrums so zur Schule zu befördern, dass es keiner zusätzlichen Zufahrt für Autos bedarf. Ein Beispiel von vielen.
Es kann nicht die Lösung sein, Menschen vor Verkehrslärm und Schadstoffen schützen zu wollen, in dem andere belastet werden. Manchmal mag dies unausweichlich sein, wenn der Nutzen gesamtgesellschaftlich ungleich größer ist als der Schaden. Aber im Fall der Roßdorfer Querspange ist nach bisherigem Stand Zweifel an der Verhältnismäßigkeit angebracht.
An einer 500 Meter langen Straße wird doch die Welt nicht zugrunde gehen, wird manch einer jetzt einwenden. An der Straße sicherlich nicht, aber an der Philosophie, die sich dahinter verbirgt. Eines wird immer deutlicher: Über einen fortschreitenden Klimawandel mit allen Konsequenzen entscheiden nicht allein die Chinesen mit ihren Kohlekraftwerken und die Brasilianer im Umgang mit dem Regenwald. Im Kleinen entscheiden auch wir alle über das große Ganze. Und dieser Verantwortung muss man sich auch auf kommunaler Ebene stellen.
Es sei immer alles eine Frage der Abwägung, hat Bürgermeisterin Braun am Montag gesagt. Das stimmt. Aber vor dem Hintergrund von Klimawandel und Artensterben ist es an der Zeit anzuerkennen, dass sich die Parameter verändert haben. Auch im beschaulichen Bruchköbel.