„Kraft und eiserner Wille zählen“

Bruchköbel – Der Schnee liegt hoch und dicht. Nur mit einem dicken Pullover und einer kurzen Sporthose bekleidet stürmt Herbert Arndt mit der schweren hölzernen Schubkarre voran durch den Ort. Winterlich eingepackte Zuschauer blicken ihm nach. „Die anderen Teilnehmer des Rennens waren noch nicht sichtbar“, sagt Arndt zu dem Moment, als das Foto gemacht wurde.
Das war 1957 bei seinem ersten Sieg. An die 20 Jahre startete der heute 80-Jährige bei den legendären Roßdorfer Schubkarrenrennen. Er galt als Seriensieger ohne Trainingseifer.
Viele Bilder und Zeitungsausschnitte sind ihm aus dieser Zeit geblieben. Auch noch eine Schubkarre? Arndt winkt ab. „Bloß nicht“, sagt er. Ein handliches Holzmodell ist ihm jedoch schon geblieben, wie auch sein erster Wanderpokal, der nach drei Jahren dauerhaft an den Sieger vergeben wurde. Die zweite Wandertrophäe, die er nach drei Siegen in Reihe 1979 hätte sein Eigen nennen können, gab Arndt wieder zurück. „Ich wollte, dass ihn auch andere Teilnehmer gewinnen“, sagt er. Es war für den Schriftsetzer und gebürtigen Roßdorfer das letzte Rennen – nicht aus Mitleid gegenüber der Konkurrenz. „Im Ziel dachte ich, ich würde sterben, so sehr hatte ich mich verausgabt“, sagt Arndt.
Früher Amateurfußballer
Der einstige Amateurfußballer „mit guter Ausdauer“, erkannte auch, dass sich mit der Eingemeindung zu Bruchköbel und der wachenden Popularität der Veranstaltung das Starterfeld gewandelt hatte. Nun waren es nicht vornehmlich Roßdorfer Männer und Frauen, die das Gefährt mit dem Eisenring um das Holzrad ratternd über die Strecke schoben. Sprinter oder Langstreckenläufer von auswärts sahen nun ihre Chance bei der sportlichen Gaudi. Arndts Erfolgsformel „Kraft und eiserner Wille“ reichte nicht, um dagegen zu bestehen. Zumal es auch nicht Arndts Sache war, für das Rennen ins Training zu gehen. „Einige Leute sind schon Tage vorher mit der Schubkarre durchs Dorf gelaufen“, sagt er mit einem Schmunzeln. Die „Kraft und der eiserne Wille“ sowie ein wenig Enthaltsamkeit reichten ihm oft zum Sieg. „Am Vorabend habe ich mich beim Kerbtanz und beim Bier etwas zurückgehalten“, sagt er.
Die Kirchweih zu Ehren des Heiligen Antonius ist bis heute eine der ersten im Jahr im Hanauer Land, sie wird immer am dritten Wochenende im Januar gefeiert. In dem Dorf stand einst ein Kloster der Antoniter. Die Verbindung zwischen Kerb und Schubkarrenrennen wurde 1927 in der Kneipe „Zum Löwen“ hergestellt, die Arndts Opa gehörte. Dort soll es in einer illustren Herrenrunde zu einer Wette gekommen sein, wer der Schnellste im Ort mit der gut 40 Kilogramm schweren Transporthilfe ist. Seitdem steht die Kerb ganz im Zeichen des Renntags – zumindest am Montag. In den ersten Jahren waren es noch 1200 Meter, dann wurde es ein 400 Meter-Rundkurs. Arndt erklärt seine frühe Begeisterung für das Rennen mit dem Geburtsort des Kerbereignisses. „Ich bin in der Wirtschaft quasi groß geworden“, sagt Arndt, der auch für manchen Spaßauftritt bei den Wettläufen zu haben war. Schon als Schüler habe er die Sponsorenbriefe geschrieben.
Früher gab es Nützliches zu gewinnen
Der Senior bedauert, dass das Interesse bei den Zuschauern nachgelassen habe. Es gehe auch nicht mehr so familiär zu, bemerkt er. Überdies mache sich die lokale Prominenz rar. Früher habe schon mal der Landrat den Karren geschoben. Damals gab es aber auch nicht nur Pokale oder Medaillen zu gewinnen, sondern ebenso Nützliches, was man eben so kurz nach dem Krieg benötigte, etwa eine Fuhre Zement oder Sand oder Kleidung. „Es ist heute gut und wichtig, die Tradition zu erhalten“, sagt Arndt. Seit langem trägt hierzu der Verein Schubkarren-Rennfreude bei, der auch die Organisation innehat. Am kommenden Montag will Herbert Arndt auf jeden Fall wieder an der Strecke stehen.
Weitere Informationen
Die 97. Auflage des Schubkarrenrennens startet am Montag, 16. Januar, um 13.30 Uhr am Feuerwehrgerätehaus. Die Siegerehrung erfolgt um 16.30 Uhr in der Mehrzweckhalle Roßdorf. Weitere Informationen und Anmeldung im Internet.
» schubkarren- rennfreunde.de (Von Detlef Sundermann)
