Leikert gewinnt und verliert in Bruchköbel

Bruchköbel – Bruchköbel hält Dr. Katja Leikert weiter die Treue: Zumindest in ihrem Heimatort hat die Christdemokratin, die bei der Bundestagswahl ihr Direktmandat im Wahlkreis Hanau verloren hat, mit 32,7 Prozent mehr Stimmen eingefahren als Lennard Oehl (27,1 Prozent). Damit bildete die Kommune neben der kleinen Gemeinde Großkrotzenburg (Leikert 31 Prozent/ Oehl 28 Prozent) eine Ausnahme, denn in den anderen zwölf Städten und Gemeinden hatte immer der Sozialdemokrat – wenn auch zumeist sehr knapp – die Nase vorne.
Trotz ihres Sieges hat die Politikerin in ihrer Heimatstadt offensichtlich an Popularität verloren. Dies legt ein Blick auf das Verhältnis von Erst- und Zweitstimmen nahe. Mit neun Prozent war Leikerts Minus bei den Erststimmen im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 (41,8) größer als der Verlust an Zweitstimmen ihrer Partei, deren Minus in Bruchköbel gegenüber 2017 bei etwa acht Prozent liegt. Die Leikert’schen Verluste also allein mit der Sogwirkung des insgesamt schwachen CDU-Ergebnisses auf Bundesebene zu erklären, wie Leikert selbst und auch einige ihrer Parteifreunde es derzeit versuchen, greift in dem Fall zu kurz.
Ein Grund, dass Leikert in der Gunst einiger Bruchköbeler gefallen ist, könnte die verlorene Bürgermeisterwahl sein. Viele Mitglieder der CDU und wohl auch ein Teil der christdemokratischen Stammwählerschaft geben ihr eine Mitschuld daran, dass die Bürgermeisterwahl in der einst konservativen Bastion für die CDU zu einem Fiasko wurde.
Die Nachwehen der Bürgermeisterwahl
2019 waren gleich drei Kandidaten aus dem CDU-Lager angetreten. Leikert warf man vor, hinter dem Rücken des damals designierten Kandidaten Thomas Sliwka mit Daniel Weber ihren eigenen Kandidaten ins Rennen gebracht und somit die Kandidatenflut begünstigt zu haben. Davon profitierte vor allem eine Mitbewerberin: die heutige Bürgermeisterin Sylvia Braun (FDP). Der CDU drohte in der Stadt damals sogar eine Spaltung. Dies haben ihr scheinbar einige Christdemokraten nicht vergessen.
Auffällig am Wahlergebnis in Bruchköbel sind auch die 15,8 Prozent, die die FDP erzielt hat. Nur in Ronneburg holten die Liberalen mit 16 Prozent mehr Stimmen im Wahlkreis 180. Damit lag die FDP in der Stadt weit über dem Bundesschnitt.
FDP profitiert vom Sylvia-Braun-Effekt
Hier kommt sicherlich der „Sylvia-Braun-Effekt“ zum Tragen. Die Bürgermeisterin würde in der Stadt nach anderthalbjähriger Amtszeit hohe Zufriedenheitswerte erzielen, gäbe es einen Indikator dafür. Zwar hat sie keinerlei Einfluss auf bundespolitische Themen, doch scheint sie bei manch einem Bruchköbeler eine positive Grundstimmung für die Liberalen erzeugt zu haben. Davon hat auch Henrik Statz als Kandidat der Liberalen im Wahlkreis 180 profitiert. Mit 12,8 Prozent erzielte der Hanauer in Bruchköbel deutlich sein bestes Ergebnis. Und das, obwohl im Wahlkampf von der FDP in Bruchköbel nicht allzu viel zu sehen war und sich auch der Ortsverband eher in Zurückhaltung übte.
AfD deutlich auf dem Rückzug
Bei den Bruchköbeler Grünen dürfte man das Resultat der Wahl mit gemischten Gefühlen betrachtet haben. Zwar hat die Partei ihr Ergebnis im Vergleich zu 2017 (8,6) mit 13 Prozent deutlich ausgebaut, doch an den Bundesdurchschnitt reicht das Ergebnis dennoch nicht heran. Deutlich auf dem Rückzug ist in der Stadt auch die AfD, die bei den Landtags- und Kommunalwahlen noch deutlich im zweistelligen Bereich rangierte. Mit 9,8 Prozent und somit mehr als vier Prozent unter dem Ergebnis von 2017 ist die Partei auf dem absteigenden Ast. Eine Ursache dafür mögen vor allem die Corona-Positionen sein. Bruchköbel war in diesem Jahr gleich zweimal Veranstaltungsort für Querdenkerdemonstrationen. Auch dies wird so manchem, der vor vier Jahren noch AfD gewählt hat, zu denken gegeben haben. (Holger Weber)