Mit gutem Gefühl ins Ferienhaus

Bruchköbel – Ernst Münz muss für die Antwort auf die Frage, ob er seinen Posten jetzt mit einem gutem Gefühl verlassen kann, nicht lange überlegen. Ja, sagt er, er gehe jetzt wirklich mit einem guten Gewissen. Vor ein paar Monaten noch hätte der Leiter der Heinrich-Böll-Schule in Bruchköbel dies wohl noch nicht behauptet – zumindest nicht mit dieser Bestimmtheit.
Pläne, die integrierte Gesamtschule in eine Haupt- und Realschule umzuwandeln und aus dem benachbarten LOG ein Vollgymnasium zu machen, bereiteten ihm und seinen Kollegen große Sorgen. Wenngleich Münz mahnt, dass man weiter wachsam sein müsse, scheinen diese Pläne nun erst einmal vom Tisch zu sein. Jetzt vertraut man auf das Wort des Landrats, dass die Schule in ihrer jetzigen Form Bestand hat.
Komplette Schullaufbahn in Bruchköbel möglich
Alles andere wäre nach Ansicht des Schulleiters, der heute nach 15 Jahren an der Spitze der Einrichtung offiziell in den Ruhestand verabschiedet wird, auch „eine Katastrophe“ und nach seiner Einschätzung das Ende all der Standards und Angebote gewesen, die man sich in den mehr als 50 Jahren seit Gründung der Reformschule erarbeitet habe. Münz zählt auf: der Status Unesco-Schule, die Schulpartnerschaft mit dem Instituto Nacional Diriangen in Dirriamba (Nicaragua), Spanisch als zweite Fremdsprache, die Pilot-Berufsvorbereitung in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche und und und. „Dafür haben meine Kolleginnen und Kollegen und ich viele Jahre gekämpft.“ In Bruchköbel könne man auch dank der integrierten Gesamtschule die komplette Schullaufbahn absolvieren, von Klasse eins bis 13. Das finde man nicht oft in Städten mit vergleichbarer Größe.
Münz verlässt die Schule nicht allein. Mit ihm setzen sich auch seine Stellvertreterin Renate Weimert sowie der Stufenleiter der Jahrgänge neun und zehn, Martin Schneider sowie Viola Ehlert zur Ruhe. Das sei zum einen schön, weil man wunderbar zusammengerabeitet habe und nun auch den letzten beruflichen Schritte gemeinsam gehen könne. Andererseits ist sich Münz der Problematik bewusst, dass die Schule von einem auf den anderen Augenblick ohne Führung dasteht, wenn nicht schnell die Nachfolge geklärt wird. Über mögliche Nachfolgekandidaten will sich der erfahrene Pädagoge und Sozialdemokrat nicht äußern. Das sei nicht seine Entscheidung. Aber es ist sicherlich kein Geheimnis, dass er sich jemanden wünscht, der die Philosophie der Einrichtung so sehr im Herzen trägt wie er selbst: „Länger gemeinsam lernen.“ Dieser Leitspruch steht nicht nur an der Außenfassade des Gebäudes, sondern er wird auch von den Lehrkräften an der Böll gelebt. Genau wie der Gedanke, dass Vielfalt für die Schule eine Chance ist und sich die Gesellschaft innerhalb einer Schule abbilden sollte. Münz: Niemand kann alles, jeder kann etwas. Und jeder kann etwas vom anderen lernen.“
In der Phase, in der man alles ein letztes Mal macht
Seit einiger Zeit befindet sich der 63-Jährige bereits in der Phase, in der man nach einem langen Berufsleben alles ein letztes Mal macht. Vergangene Woche hat er im neuen Stadthaus von Bruchköbel den Zehntklässlern ade gesagt. Und am Freitag ist seine Schullaufbahn dann selbst beendet. Begonnen hatte diese erst mit einer kleinen Verzögerung. Weil es damals, Ende der 80er Jahre, keine Jobs für Lehrer gab, arbeitete er nach dem Studium zunächst bei Siemens in der EDV. Eine Erfahrung, die er nicht missen will. So konnte er als Lehrer für Mathematik und Sozialwissenschaften seinen Schülern auch immer aus der Berufspraxis in der freien Wirtschaft erzählen. Sein Ziel, Lehrer zu werden, verlor er jedoch nicht aus dem Augen. 1992 fand der gebürtige Rodenbacher dann eine Anstellung an einer Schule in Biebergemünd, wurde 2001 Leiter der Adolf-Reichwein-Schule in Rodenbach, 2007 stellvertretender Schulleiter an der Böll-Schule in Bruchköbel und 2012 letztlich Chef der Einrichtung.
Reisen, lesen, kochen
Und was kommt jetzt? Zunächst einmal muss Münz darauf warten, dass seine Frau Sabine ihm zum Ende des Jahres in den Ruhestand folgt. Sie ist Lehrerin für Deutsch, Kunst und Arbeitslehre an der Käthe-Kollwitz-Schule in Langenselbold, wo das Ehepaar bereits seit 1986 lebt. Münz freut sich darauf, mehr Zeit mit seinen beiden Enkelkindern Mathilda (1) und Oscar (3) verbringen zu können und morgens endlich mit Ruhe und Zeit Zeitung zu lesen. Er will sich Romanen und Sachbüchern widmen und vor allem reisen. Zunächst einmal nach Nordjütland, wohin es die Familie bereits seit 1981 verschlägt. Dort in einem Ferienhaus findet das Lehrerehepaar Muse für eine weitere gemeinsame Leidenschaft: das Kochen. Aber auch Südtirol und die Toskana stehen wieder auf der Wunschliste. Vielleicht geht es auch bald mal wieder in die USA, hat Münz gedanklich die Koffer bereits gepackt. Eines sei jedoch sicher: Langweilig wird es nicht. (Von Holger Weber-stoppacher)