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Roßdorfer Querspange: „Neue Straßen führen zu mehr Verkehr“

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Von: Holger Weber-Stoppacher

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Harald Wenzel
Harald Wenzel positionierte sich in einem Redebeitrag deutlich gegen das Bauvorhaben. Im Interview spricht er über die unterschiedlichen Ansichten innerhalb seiner Partei. © -
Um diese Grünlandschaft am südlichen Rand von Roßdorf geht es: Der Streifen wird von einer Straße durchzogen, sollte die Querspange gebaut werden. Auch eine Rampe sowie eine Brücke werden gebaut.
Um diese Grünlandschaft am südlichen Rand von Roßdorf geht es: Der Streifen wird von einer Straße durchzogen, sollte die Querspange gebaut werden. Auch eine Rampe sowie eine Brücke werden gebaut. © Holger Weber

Bruchköbel – In der emotionalen Debatte um die Planung einer Querspange vom Pferdchenkreisel zur B45 in Roßdorf war Harald Wenzel (Bündnis 90/Die Grünen) der einzige Redner in der Bruchköbeler Stadtverordnetensitzung, der eindeutig Position gegen die Straßenbaupläne bezog.

Unter andere sagte er Sätze wie diesen: „Wir Stadtverordnete sind dem Gemeinwohl auch unserer Kinder und Enkel verpflichtet.Ich für mich muss mich über die kommunale Kurzzeitabwägung hinaus begeben. Und da kann ich selbst, wenn ich es mit dem Erhalt unserer Umwelt und einer ernstgemeinten Politik in Richtung 1,5 Grad-Ziel (oder auch nur 2 Grad Ziel) ernst nehme, hier nicht pro Querspange stimmen.“ Bei der Abstimmung gehörte er zu den fünf von acht grünen Stadtverordneten, die das Projekt ablehnten. Der 56 Jahre alte Tierarzt engagiert sich seit 1995 im Stadtverband der Grünen, war auch eine Zeit lang deren Fraktionsvorsitzender.

Herr Wenzel, Sie wohnen in der Kernstadt von Bruchköbel. An welcher Stelle verzweifeln Sie das erste Mal, wenn Sie mit dem Fahrrad nach Hanau fahren möchten?

Zugegebenermaßen dann, wenn ich die Bruchköbeler Gemarkung verlasse und wahlweise auf einer Wiese oder einem unbefestigten Feldweg lande. Hier hat die Stadt Bruchköbel einen schwierigen Verhandlungspartner, der guten Willen betont, aber dann nichts macht. Aber unzufrieden bin ich schon auch, wenn ich mir vorstelle, als älterer Mensch oder als junger, noch nicht so sicherer Radfahrer den ersten Wegabschnitt von unserem Haus in der Beethovenstraße bis zum Kreisel im Kirle zu fahren – das Angebot an sicheren Strecken in Bruchköbel ist einfach klein.

Wird Ihrer Meinung nach genug getan, um das Radfahr-Angebot attraktiver zu machen ?

Da sage ich: Leider zu wenig! Sicher ist die Verwaltung bemüht und auch erfolgreich, ihre Sympathie für den Fahrradverkehr öffentlich zu machen. Die Verkehrsinfrastruktur in Bruchköbel lässt aber weiterhin zu wenig Raum für das Fahrrad. Am Ende ist unverändert der Vorrang für den PKW-Verkehr Mittelpunkt der Planungen. Ich würde mir wünschen und gehe davon aus, dass hier in Zukunft der Fahrradverkehr gleichwertig aufgenommen wird. Ob das gelingt, wird der neue Verkehrsentwicklungsplan der Stadt Bruchköbel zeigen.

Ihr Fraktionsvorsitzender Uwe Ringel hat sein Votum für die Aufnahme der Querspangen-Planungen auch mit der Historie begründet. Der Lückenschluss sei seit vier Jahrzehnten eine ungeklärte Frage, hat er gesagt. Ergibt es für Sie einen Sinn, zurückzublicken, wenn es um so existenzielle Fragen wie Klima- und Naturschutz geht?

Na ja, es ist ja offensichtlich, dass ich hier zu einer anderen Einschätzung komme. Für mich ist die Linie des hessischen Verkehrsministers Tarek Al Wazir schon eine Richtschnur, der ja eigentlich aus klima- und umweltpolitischen Gründen auf Straßenneubau verzichten wollte, das aber – leider – ganz offensichtlich nicht durchhalten konnte.

Bürgermeisterin Braun hat in Ihrer Rede pro Querspange angeführt, ihr Ziel sei es, die Bruchköbeler vor Lärm und Verkehrsbelastung zu schützen. Glauben Sie, dass die Verwaltungschefin ihrem Ziel mit dem Bau einer neuen Straße näher kommt?

Das wird kurzfristig fraglos der Fall sein. Aber neue Straßen führen zu mehr Verkehr und deshalb holt uns das dann doch wieder ein, das sehen wir ja immer wieder. Meinem Eindruck nach hätte es Alternativen gegeben, die Verkehrsberuhigung schaffen und keinen neuen Individualverkehr generieren. Daran müssen wir auch arbeiten, denn die Querspange kommt, wenn überhaupt erst in zehn Jahren.

In Ihrer Rede haben Sie diese rhetorische Frage gestellt: „Welche Anstrengungen haben wir unternommen, die Schüler – und auch die Lehrer des Schulzentrums zur konsequenten Nutzung des ÖPNV beziehungsweise. von Fahrrad und den eigenen Füßen zu bewegen?“ Wie kann man Schüler und Lehrer dazu bringen?

(Lacht) Die Frage hatte ich in der Stadtverordnetensitzung erwartet und ein bisschen erhofft. Ich glaube, dass die Schüler – und auch die Lehrer – da ja eigentlich ein gutes Stück weiter sind als die Bruchköbeler Politik. Deshalb wäre natürlich der erste Ansatz zu versuchen, mit den Schülern und den Lehrern ins Gespräch zu kommen. Sie zu sensibilisieren und zu erfahren, was fehlt, damit sie auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umsteigen – beziehungsweise auch die Eltern dazu bewegen! Und dann natürlich auch Hindernisse beseitigen. Vielleicht sind wir zum einen ein bisschen mehr „Fridays for Future“ und zum anderen, naja, „Winfried Kretschmann“,aber das geht bei den Grünen noch immer zusammen.

Auf Ihren kritischen Redebeitrag im Parlament hat die FDP-Fraktionsvorsitzende erwidert: „Es geht hier doch nicht um eine sechsspurige Autobahn“. Wie interpretieren Sie eine solche Reaktion?

Ich glaube tatsächlich, dass ich hier nicht klar genug gemacht habe, dass ich nicht Frau Lauterbach, nicht die FDP, die ja mit uns erst seit einem Jahr regiert, und auch nicht Frau Bürgermeisterin Braun, die ja auch erst seit relativ kurzem unter schwierigsten Bedingungen einen guten Job macht, für die Versäumnisse aus den letzten 20 Jahren haftbar mache. Dann ist so eine Reaktion menschlich für mich nachvollziehbar.

Sie haben nach der Stadtverordnetenversammlung betont, dass es innerhalb der Partei keine Spaltung gebe und die Diskussion Zeichen einer lebendigen Diskussionskultur sei. Vor dem Hintergrund, dass uns das Thema die nächsten Jahre noch weiter intensiv beschäftigen wird: Wie lange hält eine Partei zwei solch konträre Positionen aus?

Es gibt eigentlich keine konträren Positionen, was unsere Ziele für die Verkehrspolitik der Stadt Bruchköbel insgesamt angeht. Das unterschiedliche Votum für die Querspange entspringt einer unterschiedlichen Wertung der Auswirkung der Querspange – und vielleicht sind wir zum einen halt ein bisschen mehr „Fridays for Future“ und zum anderen naja „Winfried Kretschmann“, aber das geht bei den Grünen noch immer zusammen.

Dennoch: Irgendwann müssen Sie in der Frage zu einer einheitlichen Position finden.

Meine Erwartung an die Grünen und die Politik in Bruchköbel sind so, dass wir eine Verkehrswende einleiten in der Stadt und bei politischen Entscheidungen Aspekte des Klimaschutzes berücksichtigen müssen.

Das Gespräch führte Holger Weber

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