Bruchköbeler „Spaziergänge“ mit Konsequenzen

Bruchköbel/Neuberg – Die Teilnahme von Kommunalpolitikern aus Bruchköbel und Neuberg an den „Sparziergängen“ in Bruchköbel schlägt weiter Wellen. Die Neuberger Grünen-Fraktionsvorsitzende Melanie Esch kündigte gestern an, dass sie aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen austreten werde, nachdem ihr dies von der Kreisspitze nahegelegt worden sei. Der Kreisverband der Grünen hatte sich am Vortag in einer Pressemitteilung von den Äußerungen Eschs gegenüber unserer Zeitung distanziert.
Ganz anders die Situation beim ehemaligen Bruchköbeler Bürgermeister Michael Roth. Er bekam von seiner Wählergemeinschaft, dem Bruchköbeler Bürgerbund (BBB), den Rücken gestärkt.
Teilnahme gegenüber HA begründet
Roth und Esch sowie der ehemalige Bruchköbeler CDU-Fraktionschef Thomas Sliwka hatten ihre Teilnahme an der Kundgebung gegenüber unserer Zeitung mit einem schriftlichen Statement begründet.
Esch meinte gestern: „Ich hätte nichts dagegen, wenn die Grünen ein Parteiausschlussverfahren anstrengen würden. Andererseits werde ich auch von mir aus austreten.“ Ihr Mandat in der Neuberger Gemeindevertreterversammlung, in der sie seit elf Jahren die Fraktion der Grünen leitet, will sie jedoch weiter ausüben. „Ich bin nicht an eine Partei gebunden, sondern ich arbeite für die Menschen“, sagte sie. Esch kritisierte, dass alle Spaziergänge, egal wann und wo diese stattfänden, als Naziaufmärsche gebranntmarkt würden. Sie distanzierte sich „von jeglicher politischer Haltung links- und rechtsaußen des Parteienspektrums. Ich sehe mein Wirken, meine Haltung und mein Arbeiten für die Menschen in der Gesellschaft nicht in erster Stelle als Kommunalpolitikerin, sondern vielmehr als Mutter dreier Kinder, Oma einer Enkeltochter, als auch in Vollzeit arbeitende Hebamme.“
Michael Roth (BBB), ehemaliger Bürgermeister und derzeit Mitglied des Magistrats in Bruchköbel, verteidigte sich in seiner Pressemitteilung gegen die Vorwürfe der Jusos Bruchköbel, die sich über Roths Teilnahme an dem Spaziergang in einer Mitteilung zuvor „entsetzt“ gezeigt hatten. Roth meint: „Die Jusos verleumden pauschal alle Teilnehmer der Spaziergänge. Dabei haben sie sich, wie eindeutig erkennbar ist, nicht einmal die Mühe gemacht, sich auch nur einen einzigen Spaziergang selbst anzusehen. Hätten sie es getan, hätten sie gewusst, dass ihre Behauptungen unwahr sind. “ Und weiter: „Sie reden von etwas, das sie nicht wirklich, sondern nur aus ihrer selbst gebastelten Propaganda-Kiste zu kennen meinen.“
Roth: Teil einer weltweiten Bewegung
Wer aufmerksam sei, wisse, dass die Spaziergänger „Teil einer weltweiten Bewegung für Frieden und Freiheit“ seien, behauptet der Stadtrat. „Als Demokrat und freier Bürger lasse ich mir das Recht, mit anderen Menschen friedlich für Freiheit und Mitmenschlichkeit auf die Straße zu gehen, von niemandem nehmen“, so Roth weiter.
Rückendeckung bekam er von seiner Wählergemeinschaft, dem Bruchköbeler Bürgerbund. Dieser bezeichnete die Angriffe gegen Roth als schlechten Stil und Beleg eines zweifelhaften Demokratieverständnisses. Der BBB wies die Aufforderung der Jusos zurück, sich von Teilnehmern der „Spaziergänger“ in Bruchköbel zu distanzieren. „Es sollte für alle demokratischen Kräfte selbstverständlich sein, andere gesellschaftliche Meinungen zur respektieren. Dies gilt auch und gerade für zahlreiche Fragen zum Umgang mit der Corona-Pandemie“, heißt es in der Mitteilung.
„Zirka 20 Prozent der impffähigen Bevölkerung haben bisher eine solche Impfung gegen Covid-19 nicht wahrgenommen. Wie viele geimpft sind und dies nur aufgrund beruflicher oder gesellschaftlicher Zwänge gemacht haben, ist völlig offen. Trotzdem gehören diese Menschen nach Meinung des BBB nicht ausgegrenzt und weiterhin zu unserer Gesellschaft“, wird Harald Hormel, der Vorsitzende der Gruppierung zitiert.
Hormel: Verheerende Situation der Schüler
Die Jusos in der SPD gehörten zu denjenigen, denen Minderheitenschutz zu Lasten der Rechte der überwiegenden Mehrheit fast alles Wert sei“, so Hormel weiter. Als Jungpolitiker sollten die Jusos vielmehr einen Blick auf die „verheerende“ Situation von Schülern, Auszubildenden und Studenten richten, empfiehlt er. „Fehlende soziale Kontakte, Studiengänge ohne jede Präsenzvorlesung, Praktika als Einstieg in die Berufsausbildung nur am Laptop und Schulabschlüsse unter fragwürdigen Bedingungen benachteiligen seit zwei Jahren die jüngere Bevölkerung.“ (Von Holger Weber)