Wie das Bruchköbeler Parlament entscheiden wird

Bruchköbel – Am Dienstagabend entscheiden Bruchköbels Stadtverordnete darüber, ob das Land Hessen in die Planung für die Roßdorfer Querspange einsteigen soll. Dabei handelt es sich um eine rund 500 Meter lange Verbindungsstraße von der L3195 über den Pferdchenkreisel zur Bundesstraße 45 sowie eine Rampe und einen Brückenbau über die B45. Die Brücke soll die Auffahrt in Richtung Hanau gewährleisten.
Befürworter versprechen sich von der Maßnahme eine verkehrliche Entlastung für die Stadt Bruchköbel und bessere Entwicklungschancen mit Blick auf Gewerbe- und Wohngebiete. Gegner befürchten indes, dass durch den Bau der Straße ein einzigartiger und artenreicher Naturstreifen für immer zerstört wird. Sie bezweifeln zudem die verkehrliche die Notwendigkeit der Maßnahme.
Der BBB wird gar nicht abstimmen
Wie also sind die Aussichten für beide Seiten? Nach aktuellem Stand schlecht, für diejenigen, die die Naturlandschaft erhalten wollen. Denn obwohl alle Parteien ihren Mitgliedern keinen Fraktionszwang auferlegen und die Abstimmung freigeben werden, zeichnet sich eine Mehrheit für die Befürworter ab. Dazu trägt nicht zuletzt der Entschluss des Bruchköbeler Bürgerbunds (BBB) bei, der erst gar nicht abstimmen möchte und sich „aus Mangel an Informationen“ der Wahl entziehen wird. „Uns fehlen saubere Prognosen, was die Verkehrszahlen anbelangt. Stattdessen haben wir nur Modellrechnungen bekommen“, sagt Stefanie Zorbach. Und auch habe man bis Ende der Woche keine Details über das Priorisierungsverfahren erhalten, die man angefordert habe, begründete die Chefin der kleinsten Fraktion das eigenwillige Verhalten des BBB.
Ohne die fünf Abgeordneten des Bürgerbunds und zwei weitere Stadtverordnete, die nach Informationen unserer Zeitung nicht da sein werden, reichen den Befürwortern also 16 der insgesamt noch 30 Stimmen für die notwendige einfache Mehrheit. Die FDP, zugleich die Partei von Bürgermeisterin Sylvia Braun, wird nach Auskunft der Fraktionsvorsitzenden Katja Lauterbach geschlossen für das Vorhaben stimmen und unter Berücksichtigung, dass ein Mandatsträger aus gesundheitlichen Gründen fehlen wird, acht Stimmen auf die Waagschale bringen. In der CDU werden sich nach Informationen unserer Zeitung einige wenige Stadtverordnete wegen Befangenheit enthalten. Dass jedoch die überwiegende Mehrheit der neun Christdemokraten dafür stimmen wird, gilt als sicher. Waren es doch der CDU-Landtagsabgeordnete Max Schad und die Stadtverbandsvorsitzende Karina Reul, die das Projekt kurz nach dessen Priorisierung durch das Land als große Chance für Bruchköbel gepriesen hatten.
SPD und Grüne gespalten
Mehr Diskussionen gibt es innerhalb von Bündnis 90/Die Grünen. Die Fraktion, so lässt es sich heraushören, ist ob der Frage gespalten. Nicht anders verhält es sich bei der SPD. In der Fraktion, es werden laut dem stellvertretenden Vorsitzenden Patrick Woschek nur fünf von sechs Abgeordneten pandemiebedingt zugegen sein können, wird es das ganze Spektrum geben. „Einige stimmen dafür, manche dagegen, und es wird zumindest auch eine Enthaltung geben. Meine eigene“, so Woschek. Fazit: Die Bruchköbeler Ampel-Koalition wird mit Unterstützung der CDU keine überwältigende Mehrheit, aber offensichtlich die notwendigen 16 Stimmen zusammenbekommen.
Wird dann die Umgehungsstraße gebaut? Die Befürworter haben in den Diskussionen im Vorfeld stets behauptet, dass mit dem Ja zur Planung noch kein Einverständnis zum Bau der Straße einhergehe. Ziel, so lautete die Argumentation, sei es, aktuelle Daten als Entscheidungsgrundlage zu bekommen. In der Tat waren die Daten, die zur Priorisierung des Vorhabens geführt haben, nicht mehr auf dem aktuellen Stand. In der Unfallbilanz wurde ein Unfallschwerpunkt berücksichtigt, der bereits durch den Bau einer Ampel entschärft worden ist und darüber hinaus nicht auf Bruchköbeler, sondern Hanauer Gemarkung liegt (wir berichteten ausführlich).
Woschek: Keine Daten, nur Bauchgefühl
Für den Sozialdemokraten Patrick Woschek ist es vor allem die dünne Faktenlage, die ihn davon abhält, für das Projekt zu stimmen. „Wir müssen uns ganz auf unser Bauchgefühl verlassen. Das behagt mir überhaupt nicht.“ Und auch sei er keinesfalls sicher, dass die Stadt Bruchköbel noch wesentlich Einfluss auf den Fortgang der Planungen haben wird, und ob man am Ende noch einmal insgesamt über die Sinnhaftigkeit des Projekts abstimmen dürfe.
In der Tat stellt sich die Frage, ob das Vorhaben noch zu bremsen ist, wenn es erst einmal Fahrt aufgenommen hat. Denn die Planungen, die viele Gutachten erforderlich machen, sind für das Land teuer. Auch in Wiesbaden wird man darauf bedacht sein, keine Gelder auszugeben, ohne am Ende ein sichtbares Ergebnis zu bekommen, wenngleich die landeseigene Straßenbehörde Hessen Mobil versicherte, die Stadt sei auch nach dem morgigen Abend weiter im Spiel. Auf die Frage unserer Zeitung, ob die Stadtverordneten am Ende des Planungsprozesses die Gelegenheit bekämen, das Projekt im Gesamten noch einmal zu beurteilen, antwortete die Behörde gestern folgendermaßen: „Nach jeder Planungsphase wird das Stadtparlament um einen Beschluss gebeten, das heißt für die Vorzugstrasse wird sich das Stadtparlament äußern und später für die Beantragung der finalen Trasse in ein Planfeststellungsverfahren. Das Planfeststellungsverfahren erfolgt nur bei positivem Stadtverordnetenbeschluss.“
In Erlensee sammelten Studierende Fakten
Von unserer Zeitung befragte Experten glauben jedoch, dass den Zug niemand mehr aufhält, wenn er erst einmal Fahrt aufgenommen hat, sprich die Straße dann auch gebaut wird. In den meisten Fällen sei es ohnehin so, dass es die Kommunen sind, die Ortsumgehungen einfordern, und der Meinungsbildungsprozess in der Bürgerschaft zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen sei. Beispiel Umgehungsstraße Erlensee: Dort wurden seinerzeit mehrerer Bürgerversammlungen abgehalten, bei denen Daten als Beratungsgrundlage dienten, die zuvor von Studierenden während einer zweijährigen Datenerhebungsphase gesammelt worden waren. (Von Holger Weber)
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