Kreisspitze: „Corona ist mit Ignoranz nicht zu besiegen“

Main-Kinzig-Kreis – Im Main-Kinzig-Kreis hat sich ein breites Bündnis aus Politik und Zivilgesellschaft gebildet, das vor einer Verharmlosung der deutschlandweiten sogenannten „Spaziergänge“ warnt und zu einer kritischen Distanz gegenüber den nicht angemeldeten Demonstrationen und Aufmärschen sowie gegenüber der Querdenkerbewegung aufruft.
Bereits zum Jahresbeginn hatte Landrat Thorsten Stolz die Bürgerinnen und Bürger im Main-Kinzig-Kreis dazu aufgerufen, nicht an den sogenannten „Spaziergängen“ der Querdenkerbewegung teilzunehmen oder diese zu unterstützen. Nun hat die Kreisspitze mit einer gemeinsamen „Erklärung für Offenheit, Respekt und Solidarität“ ihre Position bekräftigt.
Zu den Erstunterzeichnern gehören auch die Spitze der Stadt Hanau um Oberbürgermeister Claus Kaminsky sowie alle 28 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister von Maintal bis Sinntal. Der Text ist auf der Homepage des Main-Kinzig-Kreises veröffentlicht und kann dort von allen Bürgern digital unterzeichnet werden. Viele Unterstützerinnen und Unterstützer aus der Zivilgesellschaft, darunter aus Kirchen, Wirtschaft und Gewerkschaften, haben die Erklärung laut Pressemitteilung des Kreises bereits unterzeichnet.
Botschaften kritikwürdig
Anlass für diese Erklärung sind die regelmäßigen öffentlichen Treffen, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie seit einer Weile auch regelmäßig in einigen Städten und Gemeinden im Main-Kinzig-Kreis stattfinden. Diese vorwiegend über soziale Netzwerke organisierten „Spaziergänge“ seien nicht angemeldet und erfüllten damit nicht die gesetzlichen Vorgaben des Versammlungsrechts. Besonders kritikwürdig seien die wesentlichen Inhalte und Botschaften, die indirekt oder zum Teil völlig offenkundig von den Versammlungen ausgehen.
Für Landrat Thorsten Stolz, Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler und den Kreisbeigeordneten Winfried Ottmann seien das gleich mehrere Gründe, dass sich der Main-Kinzig-Kreis unter anderem als verantwortliche Gesundheits- und Ordnungsbehörde zu der Entwicklung klar positionieren müsse, heißt es in der Kreismitteilung. Zudem vertrete die Kreisspitze die Überzeugung, dass auch inhaltlich eine kritische Haltung zu diesen eindeutig definierten Demonstrationen gefordert sei.
Wahrnehmbares Zeichen setzen
Gleichlautende Äußerungen gab es in den vergangenen Wochen auch zunehmend aus den Rathäusern sowie von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. Vor diesem Hintergrund sei die Entscheidung gereift, mit einer entsprechenden Erklärung ein wahrnehmbares Zeichen zu setzen und der gesellschaftlichen Mehrheit eine Stimme zu geben. Bereits zahlreiche Personen seien diesem Aufruf gefolgt und hätten die „Erklärung für Offenheit, Respekt und Solidarität“ unterzeichnet.
Möglich ist diese Meinungsäußerung über die Homepage des Main-Kinzig-Kreises mit nur wenigen Handgriffen. Es gibt dabei auch die Möglichkeit, sich dort „namenlos“ zu beteiligen, sodass die hinterlegten Angaben zwar beim Main-Kinzig-Kreis bekannt sind, aber nicht sichtbar werden.
Wie es in der Erklärung heißt, unterstellen die Unterzeichnenden den Teilnehmenden „nicht pauschal rechtswidrige oder verletzende Absichten, doch wer sich dieser Gruppe anschließt, solidarisiert sich mit verbaler und körperlicher Gewalt, die nachweislich in diesem Umfeld propagiert wird.“
Eine Minderheit der Gesellschaft
Weiter wird darauf verwiesen, dass sich die „Spaziergänger“ als schweigende Mehrheit sehen, aber eine Minderheit in der Gesellschaft sind. „Sie werden geführt und verführt von einer noch kleineren, staatsfeindlichen Gruppe, die in den sozialen Netzwerken ihr wahres Gesicht zeigt: ohne Distanz zu Gewalt, ohne Anstand im Tonfall, ohne Distanz zu Bedrohungen, denen Verantwortungsträgerinnen und -träger aus Politik, Wissenschaft, Medizin und anderen Teilen unseres zivilen Miteinanders zunehmend ausgesetzt sind“, so der weitere Text der Erklärung.
Wie überall in der Bundesrepublik suchten sie die Anonymität gezielt, um ihre politischen Zwecke zu verschleiern. Sie nutzten die Möglichkeiten des Grundgesetzes und sie nutzten das Versammlungsrecht, um genau dieses zu umgehen. Sie beriefen sich auf Demokratie und Pluralismus und kaschierten dabei ihr demokratiefeindliches Auftreten, das von Hetze, Wissenschaftsferne und einem engstirnigen Weltbild geprägt sei.
Was vordergründig als „berechtige und harmlose Kritik an der Corona-Politik“ deklariert werde, habe leider vielerorts zu gewalttätigen Übergriffen, verbalen Attacken und sonstigen Angriffen gegenüber Sicherheits- und Ordnungskräften sowie politischen Mandatsträgern geführt. Daher appelliert die Kreisspitze an die Bürger zwischen Maintal und Sinntal von Veranstaltungen der Querdenker fern zu bleiben und sich klar und deutlich davon zu distanzieren.
An der Seite derjenigen, die täglich in den Kliniken kämpfen
Wie die Kreisspitze betont, lasse das Coronavirus nicht mit sich diskutieren und sei auch nicht mit Ignoranz zu besiegen. Die Unterzeichnenden stehen an der Seite derjenigen, die täglich mit ihrer Arbeit in den Kliniken, Arztpraxen, Impfstellen, Pflegeeinrichtungen, in den Gesundheitsbehörden oder an anderer Stelle dazu beitragen, diese Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen zu überwinden. Darüber hinaus bedeute die veröffentlichte Erklärung auch ein Zeichen der Solidarität mit Betroffenen, die durch das Coronavirus einen nahestehenden Menschen verloren hätten oder an den Folgen der Erkrankung litten.
Die Erklärung soll die verantwortlichen Personen unterstützen, die demokratisch-rechtsstaatlich handeln und bei Corona-Themen wissenschaftlich fundiert, ausgewogen und im Sinne der Gesellschaft entscheiden. Es sei zudem ein Zeichen der Solidarität mit all jenen Privatpersonen und Initiativen in der Region, die sich gegen die Querdenkerszene und die kruden Theorien wenden, die den „Spaziergängen“ zugrunde liegen. Die Kreisspitze dankt auch den Polizei- und Ordnungskräften, die aufgrund der „Spaziergänge“ einen sehr herausfordernden Job hätten. (how)