Degen erreicht die 100 Prozent

Bruchköbel – Bernd Kaltschnee machte es spannend: „69 Stimmberechtigte haben gewählt. Und alle 69 Abgeordneten haben für Christoph Degen gestimmt. 100 Prozent!“, ließ der Wahlleiter bei der Verkündung des Ergebnisses viel Pathos mitschwingen. Der Start in den Landtagswahlkampf konnte also besser nicht sein für den Generalsekretär der hessischen SPD.
Und auch Degens Stellvertreterin Ajla Kurtovic erzielte mit 61 Ja-Stimmen ein recht deutliches Ergebnis beim Nominierungsparteitag der SPD Main-Kinzig für den Wahlkreis 40.
Aus der Veranstaltung im neuen Bruchköbeler Stadthaus konnte der geneigte Beobachter jedoch noch einen weiteren Schluss ziehen: Dass bei der Landtagswahl für die SPD jemand anderes als die Landeschefin und Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Spitzenkandidatur übernimmt, ist sehr unwahrscheinlich. Faeser wandte sich mit einer aufgezeichneten Videobotschaft an die Delegierten und warb mit sehr persönlichen Worten für „meinen Freund“ Christoph Degen, der als Generalsekretär „Herausragendes“ leiste.
Kurtovic Botschafterin gegen den Hass
Und auch Ajla Kurtovic, deren Bruder Hamza vor drei Jahren beim Anschlag eines Rechtsextremen in Hanau ermordet wurde, sei für die SPD in Hessen eine wichtige Botschafterin gegen den Hass und für ihre Aufgabe „unglaublich qualifiziert“, sagte Faeser vor der heimischen Bücherwand. „Bitte stattet sie mit einem guten Ergebnis aus“, sagte sie. „Wir haben in Hessen noch viel vor.“ Das klang eindeutig nach Spitzenkandidatur.
In den nächsten vier Wochen will die SPD offiziell ihren Spitzenkandidaten oder ihre Spitzenkandidatin benennen. Offen ist auch noch der Wahltag. Er werde im Oktober sein, prognostizierte Degen.
Der Neuberger zeigte sich von dem Ergebnis „gerührt“. Für seine Partei sieht er eine echte Chance, nach fast 25 Jahren die CDU-Herrschaft im Land zu beenden. Dafür sei das Ergebnis der Bundestagswahl ein guter Indikator, bei der die Sozialdemokraten in Hessen als stärkste Partei hervorgegangen waren, glaubt Degen.
Bruchköbel habe man sich ganz bewusst für die Veranstaltung ausgesucht: „Wir wollen Hessen modernisieren. Und das neue Stadthaus ist für uns ein Symbol für Modernisierung.“
Sowohl Degen selbst als auch seine Parteifreunde betonten in ihren Reden die Verbundenheit des 42-Jährigen mit seinem Wahlkreis. „Es gibt in Wiesbaden keinen Oppositionspolitiker, der hier so viel für seine Heimatregion macht, wie du, lieber Christoph“, lobte der Bundestagsabgeordnete Lennard Oehl. Und auch Landrat Thorsten Stolz stellte die kommunalpolitische Verankerung Degens heraus.
Degen in drei Parlamenten vertreten
Degen ist seit 2014 Abgeordneter und bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag. Gleichzeitig vertritt der ehemalige Förderschullehrer seine Partei auch im Neuberger Kommunalparlament und ist Abgeordneter im Kreistag.
Bei der vergangenen Landtagswahl war Degen aufgrund seines hohen Listenplatzes ins Parlament nach Wiesbaden eingezogen. Die Differenz zu Max Schad (CDU), der den traditionell CDU-dominierten Wahlkreis gewann, betrug jedoch nur knapp zwei Prozentpunkte. „Diesmal wollen wir gewinnen. Und ich verspreche euch, dass wir es schaffen“, demonstrierte Degen Zuversicht.
Der Zweikampf Degen/Schad findet diesmal jedoch unter anderen Voraussetzungen statt, weil der Zuschnitt des Wahlkreises sich verändert hat. Ronneburg und Gründau sind herausgefallen, dafür ist Erlensee hinzugekommen. In allen drei Kommunen hatte die CDU 2018 knapp gewonnen. Welche Folgen der neue Zuschnitt also haben wird, bleibt abzuwarten. Zum Wahlkreis 40 gehören außerdem die Städte und Gemeinden Bruchköbel, Freigericht, Hammersbach, Hasselroth, Langenselbold, Neuberg, Nidderau, Rodenbach und Schöneck.
Themen, die Degen für seinen Wahlkreis vorantreiben will, sind „dringend notwendige“ Umgehungsstraßen, die Fertigstellung des Riederwaldtunnels, die nordmainische S-Bahn, der Ausbau der Bahnstrecke Hanau-Fulda und die Einrichtung einer Oberstufe an der Bertha-von-Suttner-Schule in Nidderau. Zudem möchte er, dass sich das Land zu zwei Dritteln an der Finanzierung von Kitas beteiligt und auch Kommunen mit Hallenbädern im kommunalen Finanzausgleich besserstellt. „Niemand möchte ein Hallenbad schließen“, sagte er mit Blick auf Erlensee, wo das städtische Schwimmbad ab dem Sommer vorübergehend geschlossen werden soll.
Heimspiel für Kurtovic
Soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit nannte Ajla Kurtovic als ihre wichtigsten Ziele. Für die Hanauerin war der Nominierungsparteitag so etwas wie ein Heimspiel. Ihre politische Laufbahn hatte sie vor drei Jahren im Bruchköbeler Stadtverband der SPD begonnen. Ihr Einzug in den Landtag hängt allerdings vom Ergebnis und auch von den persönlichen Plänen ihres Mentors ab.
Für Kurtovic entstünden nur dann Optionen, wenn Degen den Wahlkreis 40 gewinnen und im Fall einer Regierungsbeteiligung der SPD als Minister ins Kabinett einziehen würde. Dann könnte er theoretisch der Hanauerin mit einem Verzicht auf sein Mandat den Weg ins Parlament ebnen. (Von Holger Weber-stoppacher)