Als Erlensee unter Wasser stand: Vor 40 Jahren wurde der Ortskern von Langendiebach überschwemmt

Der Hof von Hansheinrich und Erna Mickel liegt mitten in Langendiebach an der Friedrich-Ebert-Straße/Ecke Fallbachstraße. Im gemütlich plätschernden Fallbach, der damals in seinem Bett noch eingemauert und verrohrt war, ließ der Landwirt täglich seine Enten schwimmen.
In der Nacht vom 10. zum 11. August 1981 allerdings sollte das unscheinbare Gewässer die Ortsmitte unter Wasser setzen. Die Eheleute und auch Schwager Wolfram Heitzenröder, 1981 stellvertretender Ortsbrandmeister und mitten im Geschehen, erinnern sich an diese Tage noch immer sehr genau. Und sie haben für den HANAUER ANZEIGER ihr Fotoalbum aus dieser aufregenden Zeit geöffnet.
Vier Tage lang hatte es nur geregnet, erzählen die Ehepaare. Erna Mickel hat den ganzen Tag über Kuchen gebacken. Ihre Cousine Eleonore Clement würde am 11. August 1981 schließlich ihren 50. Geburtstag feiern und das Fest würde wie jedes Jahr auf dem Hof der Mickels stattfinden.

„Wir feiern immer zusammen“, erklärt Erna Mickel und meinte damit den großen Kreis aus Familie, Verwandten und Freunden. Deshalb war sie überhaupt nicht davon begeistert, als ihr Ehemann mitten in der Nacht vor dem großen Fest sagte „Steh auf! Das Wasser steigt.“ Sie ließ ihn sogar die Kellerfenster mit Holzbohlen, Lochziegel und Schotter alleine abdichten. Hansheinrich Mickel nahm einfach alles, was er auf dem Hof finden konnte und arbeitete gegen die Zeit und das steigende Wasser.
Morgens gegen drei Uhr heulten schließlich die Sirenen: Katastrophenalarm wurde ausgelöst. Als die Hochwasserwelle aus Hüttengesäß in Langendiebach ankam, war Hansheinrich Mickel einer der wenigen, der darauf vorbereitet war. Fallbach und der Landwehrgraben überfluteten innerhalb weniger Minuten den Ortskern von Langendiebach. „Das Wasser lief durch die Fenster und vor allem über die Außentreppen in die Keller. Die Feuerwehren versuchten mit Bohlen, die Fallbach (regionaler Sprachgebrauch, Anm. d. Red.) in Schach zu halten“, erinnert sich Wolfram Heitzenröder.
Mit Sandsäcken versuchten die Menschen Fenster und Türen abzudichten und ihre Häuser zu schützen. Vollgelaufene Keller wurden abgepumpt, damit vor allem von halb gefüllten Öltanks, die in Kellern und Höfen aufschwammen, keine Gefahr drohte. Trotzdem waren damals viele Heizungen nach dem Hochwasser nicht mehr zu retten. Der Einsatz der Feuerwehrleute, die aus Bruchköbel, Neuberg, Ravelshausen und Heldenbergen zu Hilfe eilten, war nicht ungefährlich. Das Wasser auf der Straße strömte mit einiger Geschwindigkeit durch den Ort. In der Landwehrstraße kamen direkt vor Heitzenröder die Kanaldeckel hoch. „Das siehst du nicht, wenn das Wasser drüber läuft.“

An die Aufregung, Hektik und den Schrecken jener Tage erinnern sich die über 80-jährigen Ehepaare bis heute sehr genau. Als die größte Gefahr vorüber war und das Wasser sich zurückzog, dokumentierte das Ehepaar Mickel das außergewöhnliche Ereignis in einem Fotoalbum. Auch die Zeitungsberichte des HANAUER ANZEIGER sind hier eingeklebt.
In einem dieser Berichte heißt es: „Bürgermeister Erich Wörner, der mit einigen Rathaus-Mitarbeitern vor Ort war, betonte, daß es eine solch verheerende Überschwemmung in Langendiebach bisher nicht gegeben habe.“ Und weiter wird berichtet, dass die Männer der Wachenbuchener Wehr die Aufgabe übernahmen, die Sport- und Kulturhalle zu sichern, deren Keller mit den dortigen Kegelbahnen voll Wasser liefen. In Langendiebach sank schließlich gegen 16 Uhr der Wasserstand und die Inhaber der kleinen Läden konnten aufatmen. Die Geschäfte waren trocken geblieben. Wolfram Heitzenröder, der von 1947 bis 1996 für die Verwaltung in Langendiebach und später Erlensee tätig war, sagt, dass die Stadt Erlensee aus der damaligen Überflutung Konsequenzen gezogen habe.

Ein Verteilerbauwerk reguliere nun den Wasserstand von Landwehrgraben und Fallbach. Der Fallbach sei inzwischen aus seinem engen Bett befreit und renaturiert. Auch die Feuchtwiese mit den Wasserbüffeln sei letztlich eine Konsequenz dieser Überflutungen von 1981, so Heitzenröder.
Das Hochwasser richtete im Haus der Mickels kaum Schaden an, ein paar Pfützen waren im Keller, der nächtliche Einsatz von Hansheinrich Mickel mit Holzbohlen und Schotter hatte sich gelohnt. Die Geburtstagskuchen und Torten übrigens wurden an die Feuerwehrleute und freiwilligen Helfer verteilt.
Von Ulrike Pongratz