Ingo K. zeigt vor dem Hanauer Schwurgericht keinerlei Reue

Grauenhafte Bilder werden an diesem Tag im Hanauer Schwurgerichtssaal gezeigt. Ein DNA-Gutachten belastet den Angeklagten schwer. Doch Ingo K., der wegen Mordes angeklagt ist, zeigt keinerlei Regung. Er gibt nur zu, was eh schon jeder weiß: An diesem Juliabend 2020 war in der Wohnung von Susanne W. in Erlensee.
Erlensee/Hanau – Es sind die wichtigsten Rechte eines Menschen, der auf der Anklagebank sitzt: Für jeden gilt die Unschuldsvermutung, jeder hat das Recht auf Verteidigung – und das Recht, zu den Vorwürfen zu schweigen. Ingo K. (41) hat dieses Recht bislang genutzt und beharrlich geschwiegen. Denn er steht unter Anklage, die 47-jährige Susanne W. am Sandweg in Erlensee ermordet haben – um anschließend das Auto der Pflegerin zu Geld zu machen. Den SUV soll er für 4000 Euro verscherbelt haben, weil er seine neuen Freundin im Vogelsberg habe beeindrucken wollen (wir berichteten).
Hanauer Schwurgericht: Angeklagter bricht sein Schweigen
Seit Anfang Juli sammelt die Schwurgerichtskammer unter Vorsitz von Landgerichtspräsidentin Susanne Wetzel zahlreiche Indizien und hört Zeugen – danach folgt eine Verhandlungspause im Sommer. Diese hätte der arbeitslose Automechaniker aus Linsengericht in der Untersuchungshaft nutzen können, um seine Position zu überdenken und den fünf Richtern seine Version der Dinge zu erklären und eine plausible Erklärung für das blutige Geschehen zu finden.
Ingo K.: „ich kann mich nicht erinnern - ich war voller Blut“
Am Donnerstag macht er schließlich eine Aussage. Die Chance für ihn, seine Position zu erklären und vielleicht der gesetzlichen Höchststrafe – einer lebenslangen Freiheitsstrafe – zu entgehen. Über eine Stunde windet sich K., immer wieder fallen die Sätze: „Ich kann mich nicht mehr erinnern. Ich weiß es nicht.“ Zuvor gibt er lediglich zu, am Abend des 20. Juli, seine Internet-Bekannschaft besucht zu haben. Seine Erklärung für die Auseinandersetzung: „Ich habe ihr erzählt, dass ich eine neue Freundin hab. Daraufhin wurde sie sauer und aggressiv und ist mir an den Hals gegangen. Ich kann mich wirklich nicht erinnern, wie das weiterging.“ Ein völliger Blackout? Nur an eines kann sich K. vage erinnern: „Ich war voller Blut.“ Dann stellt sich der Angeklagte auch den Fragen von Gericht, Staatsanwältin und Nebenklägerin. Die Fragen bleiben jedoch unbeantwortet. K. bleibt dabei: „Ich kann mich nicht mehr erinnern. Ich weiß es nicht mehr.“
Hanauer Richterin: „Ich glaube Ihnen das nicht“
Die Vorsitzende Richterin redet mehrfach Tacheles: „Ich habe den Eindruck, dass Herr K. uns genauso um den Finger wickeln will wie alle anderen“, sagt Wetzel und fügt hinzu: „Ich sage es Ihnen in aller Deutlichkeit: Ich glaube Ihnen das nicht.“ K. räumt weder ein, dass er am Tod seiner Internet-Bekanntschaft Verantwortung trägt noch zeigt er einen Hauch von Reue. Dr. Christine Pott, die als Anwältin die Mutter des Opfers als Nebenklägerin vertritt, muss sich sichtlich beherrschen und wirft die Frage auf, ob der Angeklagte wirklich so „eiskalt“ ist. Von K. kommt keine Reaktion. Selbst die Mahnung der beisitzenden Richterin, dass dies nun die „letzte Chance“ für K. sei, sich zu erklären, verhallt. Der 41-Jährige bleibt bei seiner Version. Er war an diesem Abend bei W. in der Wohnung. Die Frau haben ihn angegriffen. An mehr könne er sich nicht erinnern.
Selbst als Gerichtsmediziner Dr. Mattias Kettner vom Rechtsmedizinischen Institut der Universität Frankfurt die grauenvollen Bilder der blutüberströmten Frau mit einer wissenschaftlichen Tatortanalyse erläutert, sieht Ingo K. teilnahmslos auf die großen Bildschirme des Schwurgerichtssaals. Keine Regung, keine Reue. Mit der räumlichen Analyse der Blutspuren liefert der Sachverständige weitere Indizien für die Anklage. Laut Kettner sei es zunächst im Bereich des Betts zu einem Angriff gekommen, danach ein verzweifelter Fluchtversuch und schließlich die Tötung mit mehreren Messerstichen auf dem Boden.
Gutachter: Täter von Erlensee duscht sich nach dem Blutbad
Und noch einen Verdacht erhärtet der Wissenschaftler durch die Untersuchungen: Luminol macht Blut sichtbar. Am Waschbecken und in der Dusche, in der sich der Täter offenbar nach der Tötung gesäubert hat. Schließlich kommt noch die Auswertung der DNA-Spuren hinzu, die K. erneut schwer belasten: Unter den Fingernägeln des Opfers werden organische Spuren entdeckt: Sie enthalten die DNA des Angeklagten. Der Prozess wird fortgesetzt. Von Thorsten Becker