Chaos rund ums Rundhotel in Erlensee

Erlensee – Die Zukunft eines der heute markantesten Gebäude in Erlensee stand vor einem halben Jahrhundert auf der Kippe: Das im Februar 1973 noch im Bau befindliche Rundhotel in Rückingen und der angeschlossene Flachbau, in dem ein Einkaufszentrum untergebracht war, gaben zu jener Zeit ein trauriges Bild ab, standen leer oder waren noch nicht fertiggestellt – und es war unklar, ob sie noch ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt werden würden.
Mit viel Tamtam war der Gebäudekomplex, zu dem neben dem markanten Rundhotel auch ein daran angeschlossener Flachbau zählte, einst an den Start gegangen. „Der letzte Schrei“ war insbesondere das Einkaufszentrum, das als erster Bauabschnitt bereits 1971 eröffnet worden war: Dort fand sich neben einigen kleineren Geschäften ein dringend benötigter Selbstbedienungsmarkt, in dem sich die Rückinger Bürger fußläufig mit Lebensmitteln versorgen konnten.
Das brandneue Gebäude offenbarte jedoch schon bald gravierende Mängel, vor allem bei der Dichtigkeit des Daches. Dieses war nämlich so porös, dass das Wasser bei stärkeren Niederschlägen nur so in die Geschäfte strömte; alsbald standen auf den Gängen und in den Regalen Eimer und Wannen, um das an allen Ecken und Enden hereintropfende Wasser aufzufangen. Grund für die marode Decke war nach Angaben des Bauherren ein Lastwagen einer Asphaltfirma, der das auf dem Dach des Einkaufszentrums befindliche Parkdeck befahren haben sollte – dieses durfte aber nur von Autos genutzt werden.
Pfusch am Bau?
Ob das stete Tropfen von der Decke nun wirklich auf besagten Lastkraftwagen zurückzuführen war oder auf Pfusch am Bau, die meisten Mieter hatten rasch die Nase voll und suchten das Weite, auch der Lebensmittelmarkt nahm nach rund einem Jahr Reißaus. Das wiederum brachte den Bauherren in finanzielle Schieflage, der das Großprojekt hauptsächlich über Kredite finanziert hatte und der durch die ausbleibenden Mieteinnahmen wohl Probleme bekam, jene Kredite auch zu bedienen. Die Gemeinde brachte diese Misere jedenfalls in eine missliche Lage, hatte sie dadurch am Ortseingang doch eine teilweise dem Verfall preisgegebene Bauruine stehen, die den ein oder anderen Beobachter an einen Faulturm erinnerte. Die Gemeinde selbst sah sich allerdings außerstande, als Käufer einzuspringen, sodass der Komplex schließlich versteigert wurde.
Den Zuschlag bekam eine Firma aus Mainz, die zuvor bereits in der Karlsbader Straße in Hanau mehrere Häuser hatte errichten lassen und nun auch dem Komplex mit dem Rundhotel eine Zukunft geben wollte. Dafür seien, wie ein Firmensprecher veranschlagte, Investitionen von rund 15 Millionen Mark nötig.
Die To-Do-Liste der neuen Besitzer war nämlich lang: Einerseits musste das marode Flachdach abgedichtet werden, damit sich wieder Mieter für das Einkaufszentrum finden. Die Mainzer waren zu diesem Zweck schon in Gesprächen mit mehreren Firmen und hatten auch Kontakte zu Interessenten geknüpft, die wieder einen Lebensmittelmarkt dort unterbringen wollten.
Arbeitsstätte für „leichte Mädchen“?
Auch die Arbeiten am Rundhotel, das bis dahin erst zu etwa 60 Prozent fertiggestellt war, sollten abgeschlossen werden – ob es nach der Fertigstellung allerdings wie geplant als Hotel fungieren würde, konnte die Mainzer Firma nicht bestätigen.
Als Arbeitsstätte für „leichte Mädchen“, wie es in Gerüchten hieß, sollte der Bau allerdings nicht dienen, stattdessen brachte ein Firmensprecher die Unterbringung von Gastarbeitern ins Spiel.
Wie sich im Lauf der Jahre herausstellen sollte, wurde das Rundhotel später tatsächlich lange wie geplant als Hotel genutzt, inzwischen beherbergt es unter anderem eine Seniorenwohnanlage. Auch das Einkaufszentrum steht längst nicht mehr leer, sondern ist aktuell Standort eines Supermarktes, einer Drogerie und eines Bekleidungsgeschäft, nachdem dort zuvor unter anderem ein Baumarkt und eine Diskothek untergebracht waren. Probleme mit Wasserschäden sind aus der jüngeren Vergangenheit nicht bekannt. (Von Robert Giese)

