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Endlich wieder vereint

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Endlich wieder mit der Familie vereint: Anastasiia Hasanova (Zweite von rechts) sitzt mit ihren zwei kleinen Kindern, der Schwiegermutter (rechts) und ihrer jungen Schwägerin (links) in ihrem neuen Zuhause in Erlensee.
Endlich wieder mit der Familie vereint: Anastasiia Hasanova (Zweite von rechts) sitzt mit ihren zwei kleinen Kindern, der Schwiegermutter (rechts) und ihrer jungen Schwägerin (links) in ihrem neuen Zuhause in Erlensee. © Monica Bielesch

Erlensee – Dankbarkeit und Erleichterung: Das empfindet Anastasiia Hasanova in ihrem neuen Zuhause in Erlensee, einem Haus, das die Stadt für ihre Familie angemietet hat. Die Mutter zweier Kinder ist aus der ukrainischen Hafenstadt Odessa geflohen und jetzt endlich wieder mit ihren Kindern, ihrer Schwiegermutter und ihrer jungen Schwägerin unter einem Dach vereint.

Rechtzeitig vor Weihnachten. Hinter ihr liegen Monate der Ungewissheit und Unsicherheit, Angst und Flucht.

In Odessa hat sie als zivile Angestellte beim Militär gearbeitet. Als dort die Lage im Sommer immer bedrohlicher wurde, hat sie die Schwiegermutter mit ihrer neunjährigen Tochter, dem fünfjährigen Sohn und der 15-jährigen Schwägerin auf den Weg nach Deutschland geschickt. „Ich konnte nicht mitkommen, weil ich noch auf meine Erlaubnis für die Ausreise warten musste“, erzählt sie auf Russisch der Übersetzerin Yuldus Linin, die bei der Stadt im Fachbereich Familien und Soziales arbeitet.

Gemeinsam mit Fachbereichsleiter Reiner Mayer sitzen wir am einzigen Tisch im Haus, der im Wohnzimmer steht. Anastasiia berichtet, dass ihre Schwiegermutter mit den Kindern schon im August die lange Flucht per Bus nach Deutschland angetreten ist. Sie spricht von den Raketen, die von den russischen Truppen vom Meer aus auf die Hafenstadt gefeuert wurden. Von der ständigen Furcht der Menschen. „Wir Erwachsenen hatten Angst, aber mehr um die Kinder als um uns.“

Die knapp zwei Tage lange Busfahrt führt die Schwiegermutter über Polen nach Frankfurt, dort ist eine Notunterkunft – die erste Station. Dann geht es nach Gießen in die Erstaufnahme-Einrichtung des Landes. Viel Gepäck haben sie nicht mitgenommen. „Nur das Nötigste, Kleidung und wichtige Unterlagen“, erzählt Anastasiia. Schließlich gelangen Schwiegermutter und Kinder über Wächtersbach nach Bruchköbel, wo sie eine Wohnung zugeteilt bekommen. Unterdessen darf Anastasiia endlich ausreisen und steigt im Oktober in den Bus nach Deutschland. Auch sie muss zuerst in die Erstaufnahme-Einrichtung nach Gießen. Und obwohl sie den Behörden immer wieder von ihren zwei Kindern und der Familie erzählt, die schon in Deutschland sind, wird sie in eine Notunterkunft in Birstein gebracht. „Warum ist das so passiert?“, fragt die Mutter im Rückblick.

Um ihre Kinder zu sehen, ist sie wochenlang regelmäßig mit Bus und Bahn von Birstein nach Bruchköbel gefahren. Erlensees Fachbereichsleiter Familien und Soziales Rainer Mayer vermutet ein Missverständnis als Grund für die getrennte Unterbringung der Familie. Aber schließlich kommt Anastasiia nach Erlensee und wird hier in einem Hotelzimmer mit Doppelbelegung untergebracht. Sie wendet sich an die städtische Flüchtlingshilfe, erzählt auch hier wieder von ihren Kindern, die woanders, nämlich in Bruchköbel untergebracht sind. Und Rainer Meyer handelt sofort. Glücklicherweise konnte die Stadt der Familie ein Haus zur Verfügung stellen, jedes Kind hat sein eigenes Zimmer, vom Wohnzimmer geht der Blick in den Garten. Sie hätten niemals erwartet, gleich ein ganzes Haus zur Verfügung gestellt zu bekommen, so Anastasiia. „Wir können endlich selbst kochen“, beschreibt sie die größte Freude. Und tatsächlich duftet es aus der Küche nach einem leckeren Mittagessen.

In der Ukraine wird Weihnachten von den orthodoxen Christen nach dem julianischen Kalender am 6. und 7. Januar gefeiert. Darum können Anastasiia und ihre Familie sich noch einige Tage in ihrem neuen Zuhause einleben, bevor sie Weihnachten feiern. Vielleicht haben sie bis dahin ja auch noch einige weitere Möbel. Denn jede geflüchtete Familie bekommt lediglich eine Grundausstattung, wenn sie das Glück hat, aus der Gemeinschaftsunterkunft in eine eigene Wohnung oder ein Haus ziehen zu können. Ein Bett für jeden, einen Tisch, fünf Stühle, einen Kühlschrank, einen Herd hat die Familie erhalten. Darum sucht der Fachbereich von Rainer Mayer nicht nur dringend Wohnungen und Häuser für Geflüchtete, die in Erlensee ankommen, sondern gerne auch gespendete Möbel.

„Aktuell haben wir knapp 70 Wohnungen angemietet“, erzählt Mayer. Aber angesichts der Zuweisungen an neuen Flüchtlingen, die die Stadt in den kommenden Wochen wieder erwartet, wird Wohnraum weiter dringend gesucht.

Unterdessen hat sich der fünfjährige Sohn auf Anastasiias Schoss gesetzt, fest hält sie seine kleine Hand in der ihren und erzählt von ihrem Mann, der noch in der Ukranie ist. „Er ist beim Militär im Krieg“, sagt sie mit leiser Stimme. Erst gestern hat er eine Nachricht per Handy geschickt. Es geht ihm gut. Aber es ist eine große Belastung für Anastasiia, ihn an der Front zu wissen.

Für das Foto kommen alle an dem kleinen Tisch zusammen. Und auch die Schwiegermutter bedankt sich sehr für das große Haus, in dem sie jetzt wohnen dürfen. Sogar auf Deutsch: „Danke, Danke!“

Spenden

Wer Möbel spenden oder eine Wohnung an Flüchtlinge vermieten will, wendet sich an Rainer Mayer von der Stadt Erlensee unter z 06183 9151-500 oder per E-Mail: rmayer@erlensee.de

Von Monica Bielesch

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