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Neue Kostenschätzung für Hallenbad

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Die Erlensee kämpfen weiter um ihr Hallenbad: Jetzt hat die Arbeitsgruppe, bestehend aus Kommunalpolitikern und Bürgern, Ergebnisse ihrer Sondierungen präsentiert.
Die Erlensee kämpfen weiter um ihr Hallenbad: Jetzt hat die Arbeitsgruppe, bestehend aus Kommunalpolitikern und Bürgern, Ergebnisse ihrer Sondierungen präsentiert. © Detlef Sundermann

Erlensee – Mit einem zweiten Kostengutachten soll der Preis für die Generalüberholung des inzwischen vorzeitig geschlossenen Hallenbads in Erlensee ermittelt werden. Dies ist ein Ergebnis der Arbeitsgruppe Hallenbad, die auf Beschluss der Stadtverordneten zu Jahresbeginn gebildet wurde. Überdies sollen Land und Bund stärker zur Finanzierung verpflichtet werden.

Allerdings ist der Arbeitsgruppe dazu ein wichtiges „Druckmittel“ abhanden gekommen.

Bislang ist von 20 Millionen Euro für die Sanierung des 1976 eröffneten Bads die Rede. Ob dieser Betrag tatsächlich für die Instandsetzung von Gebäudeschäden und für die Modernisierung der Technik ausgegeben werden muss, soll nun eine zweite Studie klären, sagt Heinz Müller, Vorsitzender der AG, im Gespräch mit dieser Zeitung. Immerhin soll die Stadt Hanau im vergangenen Jahr die aufwendige Sanierung des Lindenaubads mit nur knapp acht Millionen Euro abschlossen haben. Überdies ist das Erlenseer Bad vor rund zwölf Jahren bereits nahezu grundlegend herausgeputzt worden. Die damals veranschlagten Kosten betrugen rund viereinhalb Millionen Euro. Dass die Summe deutlich höher ausfiel, war wohl gravierenden Planungsfehlern geschuldet.

Für 20 Millionen Euro gäbe es laut Bürgermeister Stefan Erb (SPD) auch schon ein „Hallenbad von der Stange“. Die Neubauvariante wäre laut Erb nur vom Tisch, wenn die neue Expertise zu einem deutlich niedrigeren Ergebnis käme. „Alle Experten sagen, dass sich eine Sanierung nicht lohnt, wenn die Kosten mehr als 60 Prozent im Vergleich zu einem neuen Hallenbad betragen“, so Erb.

Neubau bringt mehr Zuschüsse von Bund und Land

Mit einem Neubau könne die Stadt überdies mit höheren Zuschüssen von Kreis, Land und Bund rechnen. Denn bei einer Sanierung würde es Geld nur zur Verbesserung der energetischen Bilanz geben, etwa für die Fenster, aber nicht für die Becken, heißt es.

Die Bestandsaufnahme der Schäden am Bad kann erst ab Sommer erfolgen, wenn das Wasser in den Becken abgelassen ist. Zurzeit ist das Bad für Vereine noch geöffnet. Der öffentliche Betrieb wurde Anfang des Monats überraschend eingestellt, weil sich Beschäftigte vorzeitig einen neuen Job gesucht haben. Entsprechend dem Stadtverordnetenbeschluss wird die Schwimmstätte ab Juni für zunächst bis zu fünf Jahre geschlossen, um Lösungen für eine Instandsetzung oder einen Neubau und zur Senkung der Betriebskosten zu finden. Hierzu kommt seit Februar alle zwei Wochen die AG zusammen, die aus Bürgern, Vertretern der Fraktion und Vereinen sowie der Schulen besteht.

Für Bürgermeister Erb steht fest, dass es bei den gegenwärtigen Betriebsausgaben in Höhe von 1,5 Millionen Euro im Jahr keine Zukunft für ein Hallenbad in der Stadt gibt. Erlensee sei in den vergangenen Jahren stark gewachsen, damit seien auch die Sozialausgaben kräftig gestiegen, etwa in den Bereichen Kinderbetreuung und Jugendpflege sowie der städtischen Infrastruktur, bemerkt Erb. Ausgaben, die für eine funktionierende Gesellschaft in der Stadt unerlässlich seien. „Welchen Weg wir auch gehen, wir werden wegen des Hallenbads nicht alles andere plattmachen“, betont er. Denn bei den 1,5 Millionen Euro werde es nicht bleiben, die sich aus 260 000 Euro für Energie und Wasser sowie aus Material-, Wartungs- und vor allem aus Personalkosten ergeben. Das Landesentschuldungsprogramm Hessenkasse schreibe den Kommunen vor, dass Tilgung und Zins zu den Betriebsausgaben zu addieren seien. Erb spricht daher von gut zwei Millionen Euro, die die Stadt künftig jedes Jahr zuschießen müsste.

Über verschiedene Beteiligungsmodelle informiert

Die AG sucht bereits Antworten auf die Frage, wie der städtische Zuschuss kleiner gehalten werden kann. Laut Müller hat sich AG über verschiedene Beteiligungsmodelle informiert. Einen Zweckverband etwa mit Langenselbold und Rodenbach zu gründen, das Nächstliegende, wäre wohl nicht realisierbar. Dass es auch ohne eine solche Finanzierungsgemeinschaft geht, beweist seit 2008 die Stadt Nidderau. „Durchschnittlich gibt die Stadt gut eine Millionen Euro pro Jahr zum Unterhalt“, sagt Bürgermeister Andreas Bär (SPD). Das Nidderbad sei ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge, aber auch, weil die Stadt Schulstandort ist. „Beim Schulschwimmen sind wir voll bis obenhin“, sagt Bär. Um an mehr Geld für den Betrieb und für die Instandsetzung zukommen, hat die AG schriftliche Forderungen an Land und Bund gerichtet, sagt Müller. Erlensee stehe mit dieser Forderung nicht allein da. „Keine Kommune ist in der Lage, mit Ihrem Bad Gewinne zu erwirtschaften“, so Müller. „Bislang hat weder der CDU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz, der in den Bundestag einen Antrag zu einem ‚Bewegungsgipfel’ einbrachte, um ‚Deutschland gesünder zu machen’, noch Bundesgesundheitsminister Lauterbach geantwortet“, sagt Müller. Der Bewegungsgipfel kam Ende 2022 zustande und endete mit vielen wohlwollenden Erkenntnissen und Absichten, die auf in einer fünfseitigen „Gipfelerklärung“ zusammengefasst worden sind. Darin ist von Förderung „durch unterschiedliche Maßnahmen“ zu lesen, aber nichts zur Finanzierung von Schwimmstätten.

Der Landessportbund Hessen nimmt dies zum Titelthema in der Februarausgabe seiner Zeitschrift und fordert ebenso mehr Unterstützung von Land und Bund, nicht nur wegen des Freizeit- und Gesundheitsnutzens eines Bades. Fast 58 Prozent der Kinder können nicht sicher schwimmen, heißt es dort. Dieses Argument kann die Erlenseer Hallenbad-AG in Wiesbaden nunmehr nicht mehr vorbringen. „Alle Grundschulen in der Stadt sind in Bruchköbel untergekommen“, sagt Müller. Laut einer Statistik der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung liegt Hessen mit sieben Bädern pro 100 000 Einwohner über den Bundesdurchschnitt von sechs. Allerdings, die DLRG warnt nicht erst seit heute vor einem bundesweiten Bädersterben. „In den vergangenen 17 Jahren sind durchschnittlich jährlich 80 Schwimmbäder geschlossen worden“, heißt es in einer Mitteilung

Keine Denkverbote

AG-Leiter Müller berichtet, dass ob der Schwierigkeiten die Stimmung bei den Teilnehmenden in der Arbeitsgruppe unterschiedlich sei. Vor allem beim Blick in das Zahlenwerk zum Hallenbad, sei bei manch einem Ernüchterung eingetreten. „Aber dennoch sind wir alle mit Elan dabei.“ Die Politik habe keine „Denkverbote“ gesetzt, was den Spielraum groß halte, um Optionen auszuloten. Etwa auch die eines teilkommerziellen Gesundheitszentrums, bei dem das Bad ein Teil von mehreren sei, so Müller. Und Erb betont: „Es geht nur ums Geld. Es besteht kein Dissens wegen des Bades.“ (Von Detlef Sundermann)

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