1. Startseite
  2. Region
  3. Main-Kinzig-Kreis
  4. Erlensee

Millionendefizit: Hallenbad Erlensee soll für immer schließen

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Monica Bielesch

Kommentare

Hallenbad Erlensee
Das Hallenbad Erlensee soll 2023 schließen. © Rainer Habermann

Das Hallenbad in Erlensee soll nur noch bis Ende Juni 2023 geöffnet bleiben. Das schlägt der Magistrat der Stadt einstimmig vor.


Erlensee – Die Entscheidung ist den Verantwortlichen nicht leichtgefallen, das ist Bürgermeister Stefan Erb (SPD) und der Ersten Stadträtin Birgit Behr (CDU) bei dem kurzfristig anberaumten Pressegespräch anzusehen. Aber die Schließung des Hallenbades sei alternativlos, betonen beide.

Diesen Vorschlag hat der Magistrat einstimmig im Verlauf seiner Haushaltsberatungen getroffen. Die Schließung des Hallenbades ist Teil des Haushaltsplanentwurfs für das Jahr 2023, den der Bürgermeister am 17. November in der Stadtverordnetenversammlung einbringen wird. Am Schluss entscheiden die Stadtverordneten, ob das Hallenbad tatsächlich zum 30. Juni 2023 endgültig geschlossen wird.

Bürgermeister Erb war sichtlich angefasst bei der Verkündung dieses drastischen Schrittes, immerhin hat er – ebenso wie sein persönlicher Referent Wolfgang Rittershauß – im Erlenseer Bad das Schwimmen gelernt. „Das ist ein schlimmer Moment für mich.“

1976 eröffnet, hat das Bad 46 Jahre lang Wasserratten aus der ganzen Region als Ort der Erholung und des Sports gedient. Im Durchschnitt kamen 100 000 Besucher jährlich. „Es war ein Aushängeschild für unsere Stadt“, so Erb. Aber trotz aller Emotionen müssten die Verantwortlichen auch den sachlichen Bedingungen Rechnung tragen. So wird für 2023 ein Defizit im Bereich Hallenbad von rund 1,5 Millionen Euro erwartet. Alleine die Kosten für das Hallenbad würden ein gutes Drittel der freiwilligen Leistungen ausmachen, die Erlensee für seine Bürger aufwendet. Denn in die Bücherei, die Kinderbetreuungsangebote, die Kitas, die Unterstützung der Vereine, des Seniorenbeirats und vieles mehr investiert die Stadt insgesamt 4,1 Millionen Euro.

Das Defizit des Bades sei keine Momentaufnahme, das sei über die Jahre immer weiter angewachsen. Die aktuellen Krisen mit den Teuerungsraten und eine dynamische Entwicklung der Personal- und Instandhaltungskosten verschlimmern die Situation nur noch.

Dabei hat die Kommune lange an dem Bad festgehalten. Erst vor einigen Jahren, zwischen 2007 und 2010, wurden 7 Millionen Euro in eine neue Hallenbad-Technik investiert. Diese Investition alleine hatte einen jährlichen Zuschussbedarf von rund 500 000 Euro zur Folge. Schon länger ist klar, dass auch Gebäudeteile wie das große Becken dringend saniert werden müssen.

Ein vor diesem Hintergrund kürzlich beauftragter Gutachter brachte die nächste Hiobsbotschaft: 90 Prozent der Hallenbad-Technik müssten schon wieder erneuert werden, da diese Technik nur eine Lebendauer von rund 15 Jahren hätte. Die notwendigen Sanierungen der drei Saunen, des Beckens, der Umkleiden, weiterer Gebäudeteile und eine neue Technik werden auf rund 20 Millionen Euro geschätzt.

Selbst wenn es bei sparsamer Rechnung nur knapp 12 Millionen Euro wären, so würden alleine für das Darlehen, das die Stadt dafür aufnehmen müsste, jährlich über 600 000 Euro den Ergebnishaushalt der Stadt belasten. Erb: „Das ist einfach nicht mehr machbar.“ Bei solchen Summen gelte es realistisch zu sein und das Hallenbad als wirtschaftlichen Totalschaden einzustufen. Wäre ein kompletter Neubau eine Lösung? „Dazu sehen wir uns perspektivisch nicht in der Lage, das wäre sehr vermessen“, sagt Erb und berichtet von den vielen Versuchen der Stadt, das defizitäre Hallenbad auf finanziell bessere Beine zu stellen. So wurden über die Jahre Gespräche mit potenziellen Betreibern geführt, Konzepte geprüft, das Bad von einem Verein betreiben zu lassen, eine Änderung der Rechtsform angedacht – immer ohne den gewünschten Erfolg. Auch Finanzierungsmöglichkeiten aus Fördertöpfen seien untersucht worden oder Möglichkeiten, die Kosten durch Beschränkung der Öffnungszeiten zu senken. Aber: Es gibt nur Förderungen für energetische Sanierungen, und kürzere Öffnungszeiten würden keine nennenswerten Einsparungen bringen.

Auch eine Finanzierung über höhere Gewerbesteuereinnahmen sei nicht realistisch, denn dafür müssten die Gewerbesteuer von jetzt 675 Punkte auf mindestens 940 Punkte angehoben werden. Erb macht klar, dass selbst wenn es gelänge, das jährliche Defizit in den Griff zu bekommen, die anstehenden Sanierungen in zweistelliger Millionenhöhe der ausschlaggebende Punkt für das Ende des Bades sind. Für die aktuell 20 Mitarbeiter inklusive fünf Schwimmmeister sollen individuelle, sozial verträgliche Lösungen gefunden werden. Gerade aus Fairness den Mitarbeitern und Bürgern gegenüber sei die frühzeitige Information der Öffentlichkeit ihm wichtig gewesen, betonte Erb.

Sitzung Stadtparlament

Nächste Stadtverordnetenversammlung, Donnerstag, 17. November, 19.30 Uhr, Erlenhalle: Bürgermeister Stefan Erb bringt den Haushaltsentwurf 2023 ein, inklusive des Vorschlag des Magistrats zur Schließung des Hallenbads.

Das Schließungsdatum Mitte 2023 sei gewählt worden, um allen einen Vorlauf zu bieten. Danach müsse über einen Abriss des Hallenbades nachgedacht werden. Erb: „Aber das alles entscheiden die Stadtverordneten.“

Unterdessen wurde auf einer Online-Plattform für Bürgerbeteiligung eine Online-Petition zum Erhalt des Bades gestartet. Gestartet von Marcus Stickler-Jäger, hat die Petition unter dem Titel „Hallenbad Erlensee: Sanieren statt abreißen!“ innerhalb von zwei Tagen schon rund 2000 Unterschriften gesammelt. Die Schließung wäre ein herber Rückschlag für den Standort, ein wichtiger Treffpunkt für Familien, Jung und Alt würde wegfallen. Gerichtet ist die Petition an den Magistrat der Stadt.

Der sagt nach Abwägung aller Faktoren aber, dass ein Weiterbetrieb des Hallenbades nicht mehr zu verantworten sei. Weder zulasten der restlichen freiwilligen Angebote für die Erlenseer Bürger noch durch weitere drastische Erhöhungen der Grundsteuer. „Denn auch das Land Hessen oder der Landkreis sehen sich nicht in der Pflicht, sich hier zu beteiligen“, schreibt der Magistrat in seiner Presseerklärung.

Schweren Herzens sei diese Entscheidung gefallen, sagen die Erste Stadträtin Behr und der Bürgermeister immer wieder. Und Erb lädt die Bürger ausdrücklich zu den öffentlichen Stadtverordnetenversammlungen und Ausschusssitzungen ein, wo über den Haushalt und somit über das Hallenbad entschieden werden wird. Außerdem geht er davon aus, dass es zu dem Thema weitere Info-Veranstaltungen oder sogar eine Bürgerversammlung vonseiten der Stadtverordnetenversammlung geben wird.

Auch interessant

Kommentare