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Monika Kühn-Bousonville: „Wir haben etwas auf den Weg gebracht“

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Von: Monica Bielesch

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Ihr Garten ist ihr Lieblingsplatz: Monika Kühn-Bousonville wohnt mit ihrer Familie in einem Passivhaus, das umgeben von viel Grün ist.
Ihr Garten ist ihr Lieblingsplatz: Monika Kühn-Bousonville wohnt mit ihrer Familie in einem Passivhaus, das umgeben von viel Grün ist. © Foto: Monica Bielesch

Unter den Blättern einer Kiwi-Pflanze sitzt es sich im Garten von Monika Kühn-Bousonville schattig und lauschig. Denn auf die Frage nach ihrem Lieblingsplatz in Erlensee hat die 64-Jährige sofort geantwortet: „Mein Garten!“ Darum findet dieses Feriengespräch dort statt. Ein idyllischer Ort um auszuspannen von Terminen und Aufgaben.

Erlensee - Und davon hat die gebürtige Erlenseerin viele. In den vergangenen Jahrzehnten hat sie sich in der Region einen Namen gemacht als Kommunalpolitikerin, als Umweltaktivistin, als Frauenrechtlerin. Zuletzt war sie viele Jahre Frauenbeauftragte der Stadt Hanau. Eine Aufgabe, wie für sie gemacht, hat sie sich doch seit ihrer Jugend gegen Ungerechtigkeiten engagiert.

„Ich bin grundsätzlich ein Mensch des Ausgleichs, Gerechtigkeit ist mir schon immer sehr wichtig gewesen“, erzählt sie von ihren Motivationen. Seit ihrer Jugend zieht sich ihr Engagement wie ein roter Faden durch ihr Leben.

Als sie während ihrer Ausbildung zur Kinderpflegerin wie so viele andere junge Leute aus der Region nebenbei beim Hanauer Schwab-Versand jobbt, stellt sie fest, dass die männlichen Aushilfskräfte alle einen besseren Lohn erhalten als die jungen Frauen. „Das hat mich empört, es war schließlich die gleiche Arbeit.“ Die damals 16-jährige beschwert sich und blitzt bei den Firmenverantwortlichen ab, das sei schon immer so gewesen, wird gesagt. Die Erinnerung an diese klare Ungerechtigkeit bleibt.

„Wir Frauen müssen uns das nehmen, was wir wollen.“

Ein paar Jahre später bildet sie sich zur Erzieherin weiter. „Es war eine reine Mädchenklasse.“ Damals galt noch der restriktive Paragraf 218 StGB, der die Abtreibung unter Strafe stellte. „Wir haben für Freundinnen Fahrten nach Holland zur Abtreibung organisieren müssen, weil das hier verboten war.“ Diese Erfahrungen haben Monika Kühn-Bousonville geprägt. „Bei all dem schwang immer mit, dass wir Frauen unter priviliegiert sind, das war eine große Ungerechtigkeit.“ Darum hat sie sich seitdem für Verbesserungen eingesetzt.

Nach Jahrzehnten des Engagements lautet ihre Bilanz: „Wir Frauen müssen uns das nehmen, was wir wollen. Die Männer werden es uns nicht freiwillig geben.“ Sie sagt das freundlich lächelnd, aber mit Entschlossenheit im Blick.

Diese Entschlossenheit hat sie immer begleitet und ihr die Kraft zum Weitermachen gegeben. Oft musste sie gegen die sprichwörtlichen Windmühlen anrennen. Denn nicht nur der Einsatz für mehr Frauenrechte bewegt sie, sondern auch das Engagement für Umweltthemen. Sie ist Gründungsmitglied des Grünen-Ortsverbandes in Erlensee, saß viele Jahre für die Grünen im Gemeindeparlament und schließlich in der Stadtverordnetenversammlung Erlensees. Erst bei der Kommunalwahl im März ist sie wieder sowohl ins Stadtparlament als auch in den Kreistag gewählt worden.

Gründungsmitglied der Grünen in Elensee

„Alles fing mit dem Protest gegen den Bau der Startbahn West an“, erinnert sie sich. „Das war hier eine große Bewegung, die ganze Region war in Aufruhr, es gab auch eine Protestgruppe in Erlensee.“ Gemeinsam fuhr man zum damaligen Hüttendorf am Flughafen. „Ich habe erlebt, wie friedlicher Protest niedergeschlagen wurde, das politisiert“, sagt sie. Darum gründen sie und ihre Mitstreiter 1981 in Erlensee die Bürgerinitiative (BI) Demokratie, Umwelt und Kultur. Vor Ort sammeln sie unter anderem Unterschriften gegen den Fluglärm, der von der amerikanischen Armee auf dem Fliegerhorst ausging und für den Abzug der amerikanischen Truppen.

„Aber mit der BI konnten wir nur wenig in Bewegung setzen.“ Es ist die Zeit, als sich im ganzen Land die außerparlamentarische Opposition der Friedens- und Anti-Atomkraftbewegung auf den Weg in die Parlamente macht. 1980 gründet sich der Bundesverband der Grünen. „Und 1984 haben wir hier in Erlensee den Ortsverband der Grünen gegründet. So war ich plötzlich Gründungsmitglied“, lacht sie.

Damals allerdings hatten die jungen Parteigründer nicht viel zu lachen. Alle ihre Vorschläge werden im Stadtparlament von den alteingesessenen Parteien abgeschmettert, sie werden nicht ernst genommen. „Die Anfangsjahre waren schlimm“, erinnert sich die 64-Jährige. „Ich bin 1987 ins Gemeindeparlament rein rotiert.“ Schließlich bleibt Kühn-Bousonville zehn Jahre im Parlament, wird auch Fraktionsvorsitzende. Ihr Credo aus dieser Zeit: „Frauen müssen sich selbst für ihre Rechte engagieren, Männer werden für uns nichts verändern.“

Kühn-Bousonville und ihre Mitstreiter gründen den Verein Leben mit Kindern in Erlensee

Wie sie trotz des Gegenwindes und der Anfeindungen durchgehalten hat? Weil Kühn-Bousonville es versteht, auch die kleinen Erfolge zu feiern, weil sie sieht, wie jeder noch so kleine Einsatz Menschen helfen kann. „Ich habe immer wieder gemerkt, dass unsere Themen richtig und wichtig sind.“ Beispiel soziale Gerechtigkeit: Durch ihre parlamentarische Arbeit entdecken die Grünen in Erlensee den Zusammenhang zwischen langjährigen Sozialhilfeempfängerinnen und fehlenden Kinderbetreuungsplätzen. „Das waren überwiegend alleinerziehende Frauen, die konnten nicht arbeiten, weil es keine Kinderbetreuungsplätze für sie gab.“ Und die Stadt habe damals dieses Problem nicht gesehen.

Darum gründen Kühn-Bousonville und ihre Mitstreiter den Verein Leben mit Kindern in Erlensee. Daraus sind unter anderem die Honigbienchen entstanden, und heute betreibt der Verein das Regenbogenhaus und das Ganztagsangebot der Grundschule Langendiebach. „Ich bin heute noch Mitglied in dem Verein“, sagt Kühn-Bousonville stolz. „Wir haben etwas auf den Weg gebracht.“

Beruflich hat sie lange Jahre als Erzieherin gearbeitet, unter anderem beim Albert-Schweitzer-Kinderdorf in einer Jugendwohngruppe. Weil ihre Kollegen, die Sozialarbeiter sind, für die gleiche Arbeit mehr Gehalt bekommen, entschließt sie sich zu studieren. Über ein Studienprojekt entsteht der Kontakt zur Stadt Hanau. „Wir hatten den Auftrag, die Jugendhilfeplanung für die Stadt Hanau zu konzipieren.“

Nach ihrem Sozialarbeiter- Studium fängt Kühn-Bousonville 1994 im Jugendamt der Brüder-Grimm-Stadt an und wird schließlich 2015 die Nachfolgerin der Frauenbeauftragten Imke Meyer. Nun verabschiedet sie sich in die Altersteilzeit. Ob sie was erreicht hat für die Frauen? Sie lacht und sagt: „Es ist ein hartes und zähes Geschäft.“ Meistens sei die Frauenbeauftragte als Einzelkämpferin unterwegs. „Männer wollen nichts aufgeben. Frauen müssten es sich nehmen und radikaler und selbstbewusster sein“, wiederholt sie ihr Credo.

Vorfreude auf den Ruhestand

In Langendiebach geboren hat sie Zeit ihres Lebens in Erlensee gelebt. „Bis auf drei Jahre, da waren wir in Bruchköbel.“ Sie sieht sich als sehr heimatverbunden. Es ist die Vertrautheit mit der Stadt, der Region und den Menschen, die ihr wichtig ist. Und die auch ein Grund für ihre politische Arbeit ist. „Weil mir diese Heimat so viel bedeutet, engagiere ich mich zum Guten für unsere Kinder und für Erlensee.“

Jetzt sieht sie ihrem Ruhestand entgegen und hofft, wieder Zeit für ihre Hobbys zu finden. „Ich male sehr gerne, das ist so entspannend.“ Ein Streuobstwiese will gepflegt sein. Sie und Ehemann Reiner Bousonville, mit dem sie eine erwachsene Tochter hat, machen ihren Apfelwein selbst. Schließlich ist auch der Garten ihres Passivhauses viel Arbeit. Hier wachsen Gemüse, Beeren, Trauben und Äpfel. Und auch mal zwei bis drei Kiwis. (Von Monica Bielesch )

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