Warten auf den Gleisanschluss

Seit knapp 18 Monaten ist eine Niederlassung der Firma Spitzke SE auf dem ehemaligen Fliegerhorst ansässig. Der Erlenseer Standort der Unternehmensgruppe ist einer von insgesamt sechs deutschlandweit. „Wir beschäftigen 2600 Mitarbeiter weltweit“, berichtet Horst Rauch, Niederlassungsleiter des Spitzke-Kompetenzzentrums Mitte. „Wir machen alles rund um Gleise:
Erlensee – Schiene, Schwelle, Schotter“, beschreibt Rauch, der vor rund 15 Jahren von der Deutschen Bahn zu Spitzke wechselte, das Tätigkeitsfeld seines Arbeitgebers.
Auf dem rund 13 500 Quadratmeter großen Gelände zwischen dem Bruchköbeler Wald und dem Brandenburg-Grundstück wurde neben einem Verwaltungsgebäude auch eine große Werkshalle errichtet, in die ganze Waggons reinpassen. Doch dafür müssen zuerst noch die Gleise, die durch den Bruchköbeler Wald verlaufen, reaktiviert und bis zum Spitzke-Kompetenzzentrum verlängert werden.

Eigentlich sollte dieser Gleisanschluss schneller vorankommen. Aber aufgrund der weltweiten Rohstoff- und Lieferketten-Probleme gibt es auch hier Verzögerungen. Und enorme Preissteigerungen. „Der Stahlpreis hat sich verdreifacht“, so Rauch. Auch die Preise für Betonschwellen sind gestiegen. Insgesamt muss Spitzke eine Strecke von 2,5 Kilometern Gleisen inklusive Bahnübergängen komplett erneuern und instandsetzen. Kostenpunkt: rund 1,2 Millionen Euro. Frühestens 2024 könnten die Arbeiten fertiggestellt sein, so der Leiter des Kompetenzzentrums. In der großen Werkshalle ist bereits alles für den Anschluss vorbereitet, dort liegen Gleise, damit Waggons oder Loks, die gewartet oder repariert werden müssen, direkt in die Halle reinfahren können. Auch neben der Halle wurden schon Gleise verlegt. Weil die Gleisarbeiten teilweise auch durch Naturschutzgebiet verlaufen müssten, muss Spitzke viele entsprechende Auflagen erfüllen. „Wir arbeiten eng mit der Unteren Naturschutzbehörde zusammen.“ In Erlensee sollen vornehmlich die firmeneigenen schienengebundenen Gleisbaumaschinen, Geräte und Loks gewartet und repariert werden. Dazu sei der Standort in der geografischen Mitte Deutschlands ideal, so Rauch. Der Gleisanschluss war für die Firma daher einer der maßgeblichen Gründe für die Ansiedlung am Fliegerhorst. Am vorherigen Standort in Babenhausen gab es keine Gleise und nicht genug Wachstumsfläche für die prosperierende Firma. Am Fliegerhorst ist nun Potenzial dafür. „Wir sind auf Wachstum ausgelegt“, sieht Rauch seine Branche im Aufwind. „Um die Klimaziele zu erreichen, muss mehr Verkehr auf die Schiene gebracht werden.“ Transportwege müssten endlich verstärkt von der Straße auf die Schiene verlegt werden. „Da hätte schon vor Jahren etwas passieren müssen.“ Nun sieht er mehr Bewegung im Markt. Neue Gleisstrecken entstehen oder sind in Planung wie der viergleisige Ausbau nach Gelnhausen oder die Osttangente von Frankfurt-Höchst nach Neu-Isenburg. Auch die vorhandene Bahninfrastruktur der DB sei teilweise veraltet und müsste erneuert werden – alles Tätigkeitsfelder von Spitzke SE.

In Erlensee sind rund 100 Mitarbeitende beschäftigt. Ein Drittel in der Verwaltung, der Großteil in Montage-Kolonnen. Das Kompetenzzentrum Erlensee bedient rund um das Thema Bahninfrastruktur die ganze Rhein-Main-Region in einem Radius von rund 150 Kilometern. Dafür benötigt die Firma gut ausgebildete Fachkräfte: Oberleitungs-Monteure, Tiefbau-Facharbeiter, Baumaschinen-Bediener, Elektrotechniker als Bauleiter. „Ein großer Fokus liegt bei uns auf der Ausbildung“, sagt Rauch zur Personalstrategie. Ausgebildet werden beispielsweise Fachkräfte für Metall- und Montagetechnik ebenso wie duale Studenten. Die Übernahmequote sei hoch, Abgänge gebe es wenige.
Großen Wert legt Spitzke SE auch auf die Weiterbildungsmöglichkeiten und beruflichen Perspektiven ihrer Fachkräfte. So können Mitarbeiter bei Eignung und Interesse etwa auf Kosten der Firma eine Meisterausbildung absolvieren oder sich zum Lokführer oder Lkw-Fahrer ausbilden lassen. Für solche Angebote betreibt die Unternehmensgruppe sogar eine eigene Akademie. Aber auch das soziale Engagement in den Regionen ihrer Niederlassungen sei ein wichtiges Unternehmensziel, so Kristin Gebhard, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei Spitzke. In Erlensee sollen Partnerschaften mit lokalen und regionalen Institutionen eingegangen werden, um das Unternehmen in der Region zu verankern. Auch für die Gewinnung und Schaffung von Fachkräften sei dies ein wichtiger Ansatzpunkt, so der kaufmännische Bereichsleiter der Niederlassung, Michael Lippert. So gibt es schon eine Kooperation mit der Georg-Büchner-Gesamtschule. Auch ein Tag der offenen Tür am Standort ist angedacht, denn leider konnte wegen der Pandemie keine offizielle Einweihung gefeiert werden, so Rauch.
Beim Gang über das Gelände schweift der Blick von den Gleisen im Wald rüber auf das benachbarte Grundstück, wo in einigen Jahren die Brandenburg-Ansiedlung entstehen soll. Leider sei bei der Entwicklung des Gewerbegebietes Fliegerhorst nicht auf den Transportweg Schiene gesetzt worden, obwohl die Voraussetzungen vorhanden gewesen wären, bedauert Bahnexperte Horst Rauch. „Ein Güterzug kann 3000 Tonnen Güter transportieren“, veranschaulicht er die Kapazitäten der Schiene. Und dafür will Spitzke SE weiterhin den Weg ebnen.
(Von Monica Bielesch)