Wohin mit der Fliegerhorst-Historie?


Erlensee/Bruchköbel – Auch wenn auf der Internetpräsens des Zweckverbands Gewerbepark Fliegerhorst über das Projekt immer noch lang und detailliert berichtet wird, das Dokumentationszentrum Fliegerhorst ist Schnee von gestern. „Das Museum ist endgültig ad acta gelegt“, sagt Klaus Brauer, Wirtschaftsförderer der Stadt und zuständig für den Gewerbepark, auf Anfrage dieser Zeitung.
Pläne zu diesem Projekt kamen vor gut sechs Jahren auf. Die Stadt beauftragte eine Historikerin, die eine umfangreiche Dokumentation erstellte. Der Geschichtsverein hat die Hoffnung bislang nicht aufgegeben. Allerdings geht es auch dort nicht ohne die Unterstützung der Stadt.
„Mit dem Museum wollen wir um Gottes Willen nicht den Krieg glorifizieren“, sagt Werner Borngräber, Mitglied im Geschichtsverein und Kenner der Örtlichkeit. Der vor gut 80 Jahren von der Wehrmacht gebaute Flugplatz, der nach dem Krieg von der US-Airforce übernommen wurde, sei ein bedeutender Teil der Stadtgeschichte. „Zudem war die Nato Site #5, so die militärische Bezeichnung, mit der heißeste Punkt auf der Welt“, sagt Borngräber. In den 1980er Jahren war der Fliegerhorst daher auch ein Ort des Protestes gegen die atomare Aufrüstung. Die Bunker auf dem Gelände, auf dem nach Abzug der Amerikaner von rund 15 Jahren nunmehr vor allem Logistiker ihren Platz gefunden haben, sollen voll gestanden haben mit nuklearen Granaten für Haubitzen und Sprengsätzen in Raketen wie der Pershing II, die eine mehrfache Zerstörungskraft der Hiroshima-Bombe erreichen konnte. In Erlensee soll das einzig bekannte Doppellager dieser Waffentypen gewesen sein.
Auch Zwangsarbeiter sollten thematisiert werden
Ein Museum über diesen Ort dürfte laut Borngräber auf keinen Fall allein die Militaria des Dritten Reichs und der US-Armee beinhalten. „In der Nachkriegszeit war die Stadt von einer starken deutsch-amerikanischen Beziehung geprägt.“ Nicht selten zur Freude der Bevölkerung etwa wegen des infernalischen Fluglärms. Und dann war da noch das Außenlager Hinzert, das die Wehrmacht anlegte, in dem bis zu 1000 weibliche und männliche Zwangsarbeiter, zumeist aus Russland, Polen, Belgien, Holland, Griechenland oder Luxemburg untergebracht waren.
Diese Menschen schufteten unter erbärmlichen Bedingungen auf dem Fliegerhorst, etwa für die Verlängerung der Landebahn oder räumten Blindgänger vom Gelände nach einem Luftangriff der Alliierten, so Borngräber. „Oft wurde sie in ihrem Land an der Arbeitsstelle verhaftet und nach Erlensee gebracht“, sagt Borngräber und zeigt auf eine Fotografie, auf der eine größere Zahl Männer in bester Bürokleidung ankommt, ein Bild wie von einem Sonntagsausflug. „Sie mussten in ihren Anzügen arbeiten, die später nur noch Lumpen waren. Nicht wenige Frauen und Männer in dem Lager starben an Krankheiten. Das Lager darf nie vergessen werden und muss mit ein zentraler Bestandteil eines Dokumentationszentrum sein“, betont Borngräber. Auf Initiative des Geschichtsvereins gibt es mittlerweile eine Gedenktafel am ehemaligen Standort.
Die Exponatelage im Geschichtsverein besteht aus etlichen Aktenordnern mit verschiedenen schriftlichen und bildlichen Dokumenten sowie rund zwei Dutzend Objekten wie Schilder. Eine Ausstellung unter museumspädagogischen Aspekten lasse sich mit dem Material aufbauen, heißt es. „Nur wo? Der Zweckverband hat auf dem Fliegerhorst alle Gebäude bereits verkauft.“ Das trifft auch für den einst in Betracht gezogenen Standort Tower-Gebäude zu. „Wir benötigen einen größeren Raum für die Ausstellung und ein Depot“, umreißt Borngräber den Bedarf.
Historiker hält Standort Fliegerhorst für ungeeignet
Ob der einstige Flugplatz überhaupt ein sinnvoller Standort für so ein Museum ist, abgesehen vom thematischen Bezug, bezweifelte vor sechs Jahren der Historiker John Provan in Gespräch mit dieser Zeitung. Provan, fand die Idee „toll“, jedoch ist der potenzielle Standort abseits der Stadt und zu einem Gewerbegebiet geworden. Es sei daher „sehr schwer, Bürger und Touristen dazu zu bringen, dort hinzufahren“, sagte Provan, dessen Rat damals eingeholt worden war. Für den Historiker stand aber auch fest: solide umgesetzt wird das Vorhaben sehr teuer. „Natürlich könnte man da ein paar Glasvitrinen mit viel Text hinstellen. Aber das reicht nicht.“
Für die Stadt Erlensee ist das Dokumentationszentrum mit dem Thema Geld mittlerweile erledigt. Die finanzielle Situation der Stadt habe sich seitdem geändert. „Wir müssen das Hallenbad schließen, weil kein Geld da ist, da kann die Stadt nicht hohe Beträge in der Realisierung und den Betrieb eines neuen Museums stecken“, sagt Brauer. Der Zweckverband wäre auch keine Adresse. „Laut Satzung darf der diese freiwillige Leistung nicht finanzieren“, sagt Brauer. (Von Detlef Sundermann)