Kita am Limes kündigt 23 Familien

Markus Jäger ist Vater einer fünfjährigen Tochter, und vor wenigen Tagen ist er aus allen Wolken gefallen: Die Bärengruppe der Kita am Limes, in der die Kleine ganztags betreut wird, soll am 31. Oktober schließen.
Großkrotzenburg - „Vergangenen Donnerstag gab es einen Elternabend“, erzählt der Elternvertreter der Bären. „Da hat der Träger uns eröffnet, dass unsere Verträge zum 31. Juli vorsichtshalber gekündigt sind. Die Kündigung wird am 31. Oktober wirksam.“ Seit 2019 wird der dreigruppige Kindergarten mit Platz für 62 Kinder von den Kinderzentren Kunterbunt betrieben, einer gemeinnützigen Organisation in Nürnberg, die in Deutschland über 100 Kitas bereut.
Gemeinsam mit den Jägers müssen nun über 20 Familien fürchten, dass sie schon in wenigen Wochen ohne Betreuungsplatz für ihre Kinder dastehen. Markus Jäger hat sich deshalb mit Kurt-Johannes Henkel und Anja Seipp zusammengetan, den Elternbeiräten der anderen beiden Gruppen. Sie wollen eine Lösung für das Problem vorantreiben: Viele Eltern sind verzweifelt, wissen nicht, wie sie Arbeit und und unbetreute Kinder unter einen Hut bringen sollen.
„Wenn die Mannschaft schlecht spielt, sollte man darüber nachdenken, den Trainer zu wechseln“
Im Gespräch mit unserer Zeitung berichten Henkel und Jäger von ihren Erfahrungen aus den vergangenen Jahren: Seit dem Trägerwechsel hätte es elf Kündigungen gegeben, allein sechs seit Anfang dieses Jahres. Und das bei einem Pädagogenstamm von neun Kräften. Hinzu kämen etliche Krankheitsfälle. Sie lassen durchblicken, dass sie ein schlechtes Betriebsklima in der Kita für die Misere verantwortlich machen. „Es ist wie beim Fußball“, so die Ansicht Henkels. „Wenn die Mannschaft schlecht spielt, sollte man darüber nachdenken, den Trainer zu wechseln“.
Mit der Schließung droht eine Kettenreaktion: Da auch das Kind einer Erzieherin in der Bärengruppe betreut wird, würde diese Mitarbeiterin bei einer Schließung ausfallen. Damit ist die Existenz einer zweiten Gruppe bedroht. „Und das ist nicht alles“, sagt Henkel: Nach den Sommerferien sollen neue Kinder in die Bärengruppe zur Eingewöhnung kommen, zehn Wochen vor Schluss. „Weil das vertraglich so zugesichert ist.“
Trotz Einschränkungen volle Kita-Gebühr bezahlt
Die Kita am Limes ist nicht die einzige, die derzeit unter massiven Personalproblemen leidet. Das wissen auch die Elternbeiräte. Deshalb hätten sie die Schwierigkeiten, die sich in den vergangenen Monaten abzeichneten, auch zunächst hingenommen, sagen sie. Ihnen sei vom Träger immer erklärt worden, er habe das Problem im Griff. „Dabei hatten wir zu 75 Prozent dieses Jahres schon eingeschränkte Öffnungszeiten“, erklärt Jäger. Zuletzt habe der Betrieb nur aufrechterhalten werden können, weil die Kita-Leiterin selbst, die Qualitätsmanagerin des Trägers und eine Vertreterin aus einer Rüsselsheimer Kita eingesprungen seien. Die Kitagebühren und die Essenspauschale indes hätten die Eltern trotz Einschränkungen voll an die Kinderzentren bezahlt, erzählt Henkel.
Die jüngste Hiobsbotschaft allerdings zwinge sie zum Handeln. Sie haben sich an den Träger und die Gemeinde gewandt und das Jugendamt eingeschaltet.
Der erste Beigeordnete Ulrich Fischer (Initiative), der Bürgermeisterin Theresa Neumann (CDU) wegen Krankheit vertritt, erklärt, dass er schon im Mai das Gespräch mit dem Träger gesucht habe, weil er in seinem Umfeld gehört habe, dass dort etwas nicht stimme. „Uns wurde schlüssig erklärt, dass das Problem nur temporär sei“, sagt er. Nun sei man von den Ereignissen „total überfahren worden.“
Trägervertreter treffen sich mit Gemeindevorstand
Der Gemeindevorstand hat Vertreter des Trägers zu seiner Sitzung eingeladen, ein Termin, der schon vor der Schocknachricht feststand. „Da wollen wir sehen, wo es klemmt“, so Fischer. Man wolle sich zunächst unabhängig eine Meinung bilden, wo die Gründe für den Missstand liegen, Verträge genau prüfen. Dann gelte es, Konsequenzen zu ziehen und möglichst eine „gemeinsame Lösung mit dem Träger“ zu finden. Schließlich ist die Gemeinde gesetzlich verpflichtet, Kindern zwischen drei und sechs Jahren eine Betreuung zu ermöglichen. „Wir sind in der Pflicht“, so Fischer.
Weil die Zeit knapp ist, müsse man über alle Möglichkeiten nachdenken, etwa temporär die Gruppen zu vergrößern, externe Plätze für die Kinder anzumieten oder Eltern zu bitten, in der Betreuung einzuspringen. „Es wäre gut gewesen, wenn der Träger sich früher an uns gewandt hätte.“
Die Sprecherin der Kinderzentren, Stefanie Sorge, räumt ein, dass die Nachricht der Gemeinde erst am 12. Juli bekannt gemacht wurde. „Wenn eine Kraft kündigt, kann das schnell gehen“, erklärt sie. Die Situation hätte sich zugespitzt, trotz vier Neueinstellungen bis Oktober 2022.
„Oberstes Ziel, Kita nicht zu schließen“
Sie versichert, dass die Kinderzentren „mit Hochdruck“ daran arbeiteten, neues Personal zu finden. Zudem sei eine Qualitätsmanagerin vor Ort, die die Supervision und gegebenenfalls auch eine Vermittlerrolle übernehme. Zur Arbeitsatmosphäre in der Kita oder ob personelle Konsequenzen denkbar sind, dürfe sie aber keine Auskunft geben. Sie betont, dass die Kündigung zunächst vorsorglich ausgesprochen worden sei, um sich rechtlich abzusichern, nun suche man über Anzeigen und Personaldienstleister geeignete Kandidaten. „Es ist unser oberstes Ziel, die Gruppe nicht zu schließen.“ Christine Semmler