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Großkrotzenburg setzt in den Augen Peter Distlers falsche Prioritäten

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Die einzige barrierefreien Bushaltestelle in Großkrotzenburg: Beim Thema Mobilität sieht der Behindertenbeauftragte Peter Distler den größten Handlungsbedarf.
Die einzige barrierefreien Bushaltestelle in Großkrotzenburg: Beim Thema Mobilität sieht der Behindertenbeauftragte Peter Distler den größten Handlungsbedarf. © Per Bergmann

Seit rund zehn Jahren ist Peter Distler der Behindertenbeauftragte der Gemeinde. Obwohl es in dieser Zeit zahlreiche Bau- und Sanierungsprojekte gab, sei Distlers Expertise fast nie bemüht worden, sagt er. Wir haben mit ihm über die Barrierefreiheit in Großkrotzenburg gesprochen.

Großkrotzenburg - Das Thema ist wieder aktuell, nachdem in der vergangenen Sitzung des Umwelt- und Bauausschusses (UBA) ein SPD-Antrag diskutiert wurde, der die „Umgestaltung der Infrastruktur zur Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“ zum Ziel hat. Die Forderung ist nicht neu, der Antrag wurde im Oktober 2020 gestellt und zunächst an den Ausschuss überwiesen.

Im Protokoll der Sitzung vor über einem Jahr ist die Forderung zu lesen, den Behindertenbeauftragten der Gemeinde in die Planungen einzubinden, vorgebracht von Lucas Bäuml (Grüne). Viermal wurde der SPD-Antrag seitdem in den Gremien diskutiert, Distlers Name findet sich nicht darin. Den Behindertenbeauftragten hatte bis zuletzt niemand nach seiner Meinung gefragt.

Der 63-Jährige ist ausgewiesener Experte in seinem Gebiet

Distler erzählt, er sei in den vergangenen Jahren mehrmals proaktiv auf die Gemeinde und Parteien zugegangen und habe um seine Einbeziehung gebeten.. Seine Angebote seien ausgeschlagen worden. „Irgendwann hat man sich einfach nicht mehr bei mir gemeldet.“ Dabei ist der 63-Jährige, der Mitglied im Sozialverband VdK ist, der ausgewiesene Experte seiner Kommune auf diesem Gebiet.

Häufig beobachtet Distler „eine verengte Debatte“ in der „die falschen Prioritäten“ gesetzt würden. Im Zentrum der Problematik sieht er das Thema Mobilität mit all seinen Aspekten. Angefangen beim ÖPNV, den Bushaltestellen und dem Bahnhof, über abgesenkte Bordsteine, den Zustand vieler Gehwege und deren Beleuchtung. In öffentlichen Diskussionen über Barrierefreiheit gehe es „oft nur um Rollstuhlfahrer“, andere Beeinträchtigungen „wie zum Beispiel eine Sehbehinderung“ würden dabei stets zu kurz kommen.

Fokus muss mehr auf ältere Menschen gelenkt werden

Zudem müsse der Fokus mehr auf die älteren Menschen gelenkt werden, „die mit dem Rollator unterwegs sind und nicht mehr so gut sehen“. An vielen Orten in Großkrotzenburg mangele es an grundsätzlicher Ausstattung, wie der Beleuchtung von Straßen und Gehwegen. „In vielen Bereichen ist es stockdunkel“, beobachtet Distler.

Als ein weiteres Beispiel für „falsche Prioritäten“ nennt er das Theodor-Pörtner-Haus. Seit mehreren Jahren bemüht sich die CDU um einen Fahrstuhl für das Gebäude. Die Baumaßnahme würde eine hohe sechsstellige Summe kosten. Distler weist darauf hin, dass der Fahrstuhl nur Sinn habe, wenn zunächst die Grundlagen im Umfeld gelegt würden: „Es gibt hier lediglich einen Behindertenparkplatz.“ Und vor dem Gebäude befindet sich Kopfsteinpflaster, für viele Menschen mit Gehbehinderung ein großes Hindernis..

Erstes persönliches Gespräch mit Bauamtsleiter nach drei Jahren

Eine Ortsbegehung, mit der der Gemeindevorstand zusammen mit dem UBA vor über einem Jahr beauftragt wurde, gab es bisher nicht – zumindest keine, zu der Distler eingeladen wurde. Immerhin beauftragte der Vorstand zuletzt Bauamtsleiter Andreas Blümm, eine Präsentation über die nicht barrierefreien Bereiche an öffentlichen Gebäuden für den UBA zu erstellen. In jener Präsentation, die er „wegen Personalmangel“ kurzfristig habe erstellen müssen, machte Blümm unter anderem das Theodor-Pörtner-Haus und das Museum im alten Ortskern sowie die Friedhofshalle und das Jugendzentrum als die Orte aus, an denen der größte Handlungsbedarf besteht. Auf Nachfrage, warum der Behindertenbeauftragte bisher nicht in den Prozess eingebunden worden sei, erklärte Blümm, dass die Verwaltung schon mit Distler zusammenarbeite. Distler hatte daraufhin in Richtung von Blümm klargestellt: „Moment mal, wir kennen uns gar nicht.“ Seit rund drei Jahren ist der Leiter der Bauverwaltung im Amt. Das erste persönliche Gespräch mit Distler gab es erst nach besagter UBA-Sitzung.

Distler hat zeitweise das Gefühl, ignoriert zu werden – nicht erst seit Blümm im Amt ist, sondern „im Prinzip seit zehn Jahren“. Die Präsentation im Ausschuss hätte der Behindertenbeauftragte gerne selbst übernommen und so die Bauverwaltung entlastet, sagt er, man hätte ihn nur fragen müssen. Auf Distlers Prioritätenliste stünde das Theodor-Pörtner-Haus nicht an erster Stelle. Das Geld sei besser investiert, wenn sich die Kommune zunächst um die genannten Grundlagen kümmern würde, meint er: „Von acht Bushaltestellen in Großkrotzenburg ist lediglich eine einzige barrierefrei.“ Im Bereich des Bahnhofs gebe es Nachholbedarf. Die Straßenbeleuchtung müsse vielerorts verbessert und einige Bordsteine abgesenkt werden. „von diesen grundlegenden Verbesserungen profitieren letztendlich alle Menschen“, nicht nur jene mit Beeinträchtigung. Per Bergmann

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