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Großes Interesse an „Umbau der Fernwärme“

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Von: Christine Semmler

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Auf dem Areal vor dem Kraftwerk Staudinger sollen bis Ende 2024 die Energiegewinnungs-Anlagen der Gemeindewerke errichtet werden.   Archiv
Auf dem Areal vor dem Kraftwerk Staudinger sollen bis Ende 2024 die Energiegewinnungs-Anlagen der Gemeindewerke errichtet werden.   Archiv © Axel Häsler

Dass sich bei fast 40 Grad im Schatten rund 150 Menschen ins Bürgerhaus begeben, um sich mit der Zukunft der Fernwärme zu beschäftigen, das hätten selbst die Veranstalter nicht erwartet. „Ich bin wirklich beeindruckt von der Resonanz“, erklärte Horst Prey.

Großkrotzenburg - Prey, Geschäftsführer der Gemeindewerke, Matthias von der Malsburg von der Landes-Energie-Agentur Hessen (LEA) sowie weitere Experten stellten den Bürgern den aktuellen Planungsstand eines „Leuchtturm-Projekts“ vor: Die Wärme im Ort wird künftig aus dem Wasser des Mains kommen. Das soll in den kommenden Jahrzehnten, nach dem Aus von Staudinger, eine nachhaltige und autarke Wärmeversorgung im Ort sicher stellen.

„Man merkt, dass wir in einem Kraftwerk-Ort sind“, erklärte von der Malsburg anerkennend. Die Zuschauer lieferten durchweg sachkundige und konstruktive Beiträge, die Veranstaltung entwickelte damit den Charakter eines echten Austausch zwischen Bürgern und Verantwortlichen.

„Unser Ziel ist es, so weit wie möglich vom Gas wegzukommen“

Das ist der Stand: Nach vier Jahren Planung liegt seit Mai die Machbarkeitsstudie vor. Von Herbst 2023 bis Ende 2024 sollen auf dem Gelände des Kraftwerks eine Großwärmepumpenanlage am Main, eine sieben Hektar große Photovoltaikanlage für die Stromversorgung der Wärmepumpe, eine Biomasseanlage sowie ein Blockheizkraftwerk (BHKW) entstehen. Durch die unterschiedlichen Module soll die Fernwärme klimaschonend, ausfallsicher und bezahlbar werden. Nach den aktuellen Berechnungen bezieht der Ort ab Anfang 2025 rund 60 Prozent seiner Fernwärme aus erneuerbarer Energie, 40 Prozent werden im BHKW noch mit teurem Gas erzeugt. Errechnet wurde diese Lösung vom Ingenieurbüro Hoffmann, Mitarbeiter Markus Dribbisch war als Experte vor Ort.

Der Gaspreis, so Prey, habe sich allerdings inzwischen fast vervierfacht. „Unser Ziel ist, so weit wie möglich vom Gas wegzukommen“, sagt er und betont, dass die Anlage ausbaufähig ist. Beispielsweise sei auf lange Sicht eine zusätzliche Wärmepumpe in der Großanlage vorgesehen.

Angeregt durch die Zuschauer bestätigen die Experten vor Ort auch die Möglichkeit, die Abwärme und Dachflächen von Rechenzentren zu nutzen, die Uniper langfristig auf dem Kraftwerksgelände ansässig machen will.

Der Bebauungsplan Solarthermieanlage I veranschaulicht die Lage in der Gemarkung. Er wurde vor zwei Wochen vom Parlament abgesegnet.
Der Bebauungsplan Solarthermieanlage I veranschaulicht die Lage in der Gemarkung. Er wurde vor zwei Wochen vom Parlament abgesegnet. © PM

Auf die Frage eines Zuschauers, wann der Gasanteil bei Null sein könne, antwortet Prey ungeschönt: „Das wird sportlich. Aber 80 bis 85 Prozent trauen wir uns schon zu.“ Dr Andreas Brors, Geschäftsführer der EAM Energie Plus, sieht das schon anders: Wenn die Quote der energetisch sanierten Immobilien steige, sinke auch der Verbrauch. Und dann komme eine „Null“ durchaus in Sichtweite. Brors’ Unternehmen soll 2024 die technische Betriebsführung der Anlagen übernehmen.

Bis Ende 2022 hofft Prey ein Papier mit Uniper unterschreiben zu können: Per Pacht- und Nutzungsvertrag will der Kraftwerksbetreiber den Gemeindewerken Flächen und schon vorhandene Infrastruktur zur Verfügung stellen.

36 Millionen Investitionen geplant

Der kohlebetriebene Block 5 soll im Mai 2023 seine kommerzielle Produktion und damit die Fernwärmeversorgung einstellen. Er soll nur noch bei Engpässen laufen. Kraftwerksleiter Matthias Hube bekräftigte auf Nachfrage eines Zuschauers, dass in der Lücke mehrerer Monate die Wärmeversorgung im Ort durch eine Besicherungsanlage gewährleistet sei. Das Bundesgesetz sehe vor, dass das Kraftwerk dann keine Fernwärme mehr auskoppeln darf. Das erregte im Publikum Zwischenrufe wie „eine Todsünde“ und „krasser Unfug“. Klaus Güttling vom Hessischen Wirtschaftsministerium versprach deshalb, das Thema weiterzugeben, wenn auch mit wenig Erfolgschancen.

Stand Juli 2022 übersteigen die voraussichtlichen Investitionen der Gemeindewerke die der Anfangsplanung um ein Vielfaches. Vor einem Jahr rechnete das kommunale Unternehmen mit rund 26 Millionen Gesamtkosten abzüglich 13 Millionen Euro Förderung durch den Bund. Heute sind 36 Millionen Euro Kosten realistisch, nur noch sieben Millionen Euro werden an Zuschüssen erwartet. Auf die Frage aus dem Publikum, wie man das stemmen wolle, antwortete Prey, das Konzept rechne sich dennoch bei einem Preis von 15,3 Cent pro Kilowattstunde (aktueller Preis: 21,2 Cent). Das habe die Machbarkeitsstudie bewiesen. „Und wir hoffen, dass aufgrund der Energiewende noch das ein oder andere Förderprogramm aufgelegt wird,“

Mehrfach wurde aus dem Publikum der Wunsch laut, dass sich Bürger finanziell an der neuen Anlage beteiligen, beispielsweise über eine Genossenschaft. Es war ein Aspekt über den die verantwortlichen offenbar bisher noch nicht nachgedacht hatten. Prey und Brors wollen aber nun die Möglichkeit der finanziellen Bürgerbeteiligung prüfen. Christine Semmler

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