„Ein lebensgefährlicher Schulweg“

Das Wohngebiet „Am Waldsee“ im südöstlichsten Zipfel Großkrotzenburgs ist für Familien ein Idyll: Es liegt ab vom Schuss, grenzt direkt an den Wald und den See, Kinder können direkt vor der Haustür auf der verkehrsberuhigten Straßen spielen. Wenn Fußgänger oder Radler sich auf den Weg ins Ortszentrum machen, wird es allerdings ungemütlich.
Denn es gibt auf dem Weg durch das Märkteareal mit etlichen Ausfahrten und einer unübersichtlichen T-Kreuzung keinen durchgängigen Rad- oder Fußweg.
Heikel ist das vor allem deshalb, weil das auch viele der 40 Grundschulkinder betrifft, die am Waldsee wohnen. Sie müssen eine rund 2,7 Kilometer lange, gerade auf den ersten Metern sehr unsichere Strecke zur Geschwister-Scholl-Schule zurücklegen. Die Bürgersteige an der durch Lkw und Pkw stark befahrenen Ostendstraße und der Oberwaldstraße sind teilweise so schmal, dass Vorankommen nur im Entenmarsch möglich ist. Mindestens zwei Mal müssen die Schüler die Straßen an unübersichtlichen Stellen überqueren. Einen Schulbus in die Siedlung gibt es nicht.
Zwei Mütter, die nicht namentlich genannt werden möchten, hatten zuletzt im Bau- und Umweltausschuss gegen diesen Zustand protestiert. Wie viele ihrer Nachbarn wünschen sie sich, dass endlich ein Rad- und Fußweg weiter südlich entlang von Wiesen-, Wald-- und Stadionflächen gebaut wird.
„Viel zu gefährlich, mein Kind zu Fuß in die Schule zu schicken“
„Viele Eltern entscheiden sich, ihre Kinder wegen des gefährlichen Weges lieber an der Paul-Gerhard-Schule in Kahl anzumelden“, sagt eine der beiden Mütter. Für sie sei das nicht in Frage gekommen, folglich fährt sie ihre sechsjährige Tochter täglich mit dem Auto zur Schule. „Es wäre mir viel zu gefährlich, mein Kind zu Fuß in die Schule zu schicken.“
Auch der Weg zum Spielplatz an der Joseph-Berberich-Straße – Luftlinie eigentlich nur ein Katzensprung – sei für viele Kinder vom Waldsee auf eigene Faust unerreichbar. „Der Weg ist lebensgefährlich“, so die Mutter. Die Idee, einen alternativen Fußweg durchs Grüne zu errichten, gab es schon vor Jahren, er wurde aber trotz eines erfolgreichen Bürgerbegehrens niemals durchgesetzt.
Im Frühjahr hatte die örtliche CDU den Stein mit einem Prüfungsantrag erneut ins Rollen gebracht. Inzwischen hat die Bauverwaltung einen Entwurf vorgelegt, wie der Weg verlaufen könnte: Aus dem Ortskern gesehen schnurgerade nördlich vom Spielplatz vorbei am Stadion bis zu seiner Ostkante, dann nach Norden durch den Wald bis zu dem Punkt, wo heute die Sackgasse Am Waldsee endet.
Zuletzt trafen sich Vertreter von CDU und Grünen sowie Anwohner, um sich die Gegebenheiten vor Ort anzusehen. „Grundsätzlich ist das machbar“, fasst Erich Fischer (CDU) den allgemeinen Konsens zusammen. Die Strecke verläuft durch mehrere kleinere Parzellen, die meisten davon gehörten der Gemeinde. Die Streifen, die in Privatbesitz seien, jeweils nur etwa drei Meter breit, müssten aber erworben werden. Rund 100 000 Euro, so eine vage Schätzung, könnte so ein Weg kosten – allerdings fehlt dann noch die nötige Beleuchtung. Wenn die Finanzierung und der Ankauf der Parzellenstücke schnell gesichert sei, könne der Weg im Jahr 2023 fertig werden, schätzt Lucas Bäuml (Grüne).
Eine Ampelanlage wäre zu teuer
Für viel Diskussion sorgt schon lange die Verkehrssituation an der Einmündung der Marie-Curie-Straße in die Ostendstraße. Die Vorfahrtsregeln sind trotz der Beschilderung für viele nicht leicht zu durchblicken: Die Marie-Curie-Straße zwischen Aldi und Netto ist als Spielstraße ausgebaut und entsprechend beschildert, deshalb gilt hier kein „Rechts vor links“. Jasmin Berghäuser, die als Expertin vom Ordnungsamt hinzugekommen ist, sieht hier auch erst mal keine Alternative und versucht die Anwohner zu beschwichtigen: Der Polizei sei hier bisher noch nie ein gravierender Unfall gemeldet worden.
Die Idee, die Kurve mit einem zusätzlichen Vorfahrtsschild zu kennzeichnen, wie auch Zusatzmarkierungen, lehnt sie ab: Zusammen mit dem blauen Spielstraßen-Zeichen ergäbe sich eine Doppelbeschilderung, das sei gesetzlich nicht zulässig. Markierungen, zum Beispiel auf der Straße, hätten ohnehin keine Gültigkeit. Und eine Ampelanlage, so auch der allgemeine Tenor, wäre viel zu teuer.
An dieser Stelle bleibt wohl erst einmal alles beim Alten. Fußgänger und Radler aus der Waldsiedlung müssen also mindestens noch zwei Jahre warten, bis es endlich eine sichere Strecke in den Ortskern gibt. Christine Semmler