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Frau aus der Nähe von Hanau bringt Hilfsgüter ins Krisengebiet

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Birgit Stahlheber in ihrem Wagen
„Da hat kein Kugelschreiber mehr reingepasst“ – Birgit Stahlheber in ihrem Wagen. Nach einem spontanen Spendenaufruf hat sie ihn mit Hilfsgütern bepackt und ist vergangenes Wochenende an den Nürburgring gefahren. © Christine Semmler

Birgit Stahlheber aus Großkrotzenburg bei Hanau sieht die Bilder der Flutkatastrophe und beginnt sofort zu helfen.

Großkrotzenburg - Als Birgit Stahlheber aus Großkrotzenburg bei Hanau in der Nacht die ersten Bilder der Flutkatastrophe zu Gesicht bekam, traf sie das tief. „Es war ja schnell klar, dass die Menschen ganz auf sich allein gestellt sind“, sagt sie. „Als ich gesehen habe, wie schlimm es dort aussieht, kamen mir die Tränen“, sagt sie.

Stahlheber suchte Kontakt zu Helfergruppen und kam am Morgen mit einer betroffenen Frau per Sprachchat ins Gespräch. „Sie hat erzählt, dass sie dort kein Wasser haben und keinen Strom. Die komplette Infrastruktur ist zerstört. Keiner war da, weder Feuerwehr noch Bundeswehr.“ In diesem Moment begann ein Entschluss in der Großkrotzenburgerin zu reifen: Sie würde so schnell wie möglich hinfahren und etwas tun.

Stahlheber besitzt ein kleines Nagelstudio. „Vormittags habe ich noch gearbeitet und dann habe ich erst mal auf Google Maps geschaut, wie weit das ist. 200 Kilometer – das schien mir machbar.“ Dann rief sie eine Freundin an, und ermunterte sie mitzukommen. Schließlich startete sie einen Aufruf auf Facebook: Spender gesucht. Treffpunkt um 18 Uhr auf dem Penny-Parkplatz. Sie würde dort das Auto mit Spenden beladen. Und dann nichts wie los in Richtung Krisengebiet.

Nach Flutkatastrophe: Spenden aus Großkrotzenburg bei Hanau an den Nürburgring gefahren

Während Birgit Stahlheber ihren Küchenschrank nach haltbaren Lebensmitteln wie Saft oder Knäckebrot durchforstete und ihre Kuscheldecken zusammensuchte, standen schon die ersten Nagelstudio-Kundinnen mit Spenden vor der Tür. Punkt 18 Uhr fuhr sie mit zurückgeklappten Rücksitzen auf dem Supermarkt-Parkplatz. Und wurde von der Spendenbereitschaft überwältigt. „Etwa 15 Leute standen da mit ihren Autos. Die hatten so viele Sachen dabei, dass ich sie gar nicht alle in meinen Wagen bekommen habe.“

Die Helfer hatten Schuhe und Gummistiefel dabei, Kinderkleidung, Babybrei, Putzmittel, Verbandskästen oder Konserven. „Ich habe sogar eine Mikrowelle eingepackt. Die können Menschen, die keine Küche mehr haben vielleicht gut brauchen“, erklärt sie. Schließlich, erinnert sie sich, sei ihr Wagen bis an die Decke voll gewesen. „Da hat kein Kugelschreiber mehr reingepasst.“

Flutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz: Frau aus der Nähe von Hanau leistet Hilfe

Die Hilfsgüter, die nicht eingeladen werden konnten, lud sie ins Auto ihrer Freundin. „Wir haben die bei mir in den Keller gestellt, ich wäre vielleicht noch ein zweites Mal gefahren.“ Gegen 19 Uhr starteten die beiden Frauen die Tour, um 22.30 Uhr waren sie am Ziel: dem Nürburgring. „Es war unglaublich, wie viele Menschen aus privater Initiative angereist waren, um Hilfsgüter zu bringen“, berichtet sie. Aber genau das entpuppte sich schließlich als Problem: Die Helfer, die die Güter in den Hallen annahmen und sortierten, hatten sich zwar auf die Schnelle gut organisiert. Aber die Kapazitäten der Hallen waren dank überbordender Hilfsbereitschaft aus ganz Deutschland bald ausgeschöpft.

„Uns wurde gesagt, dass alle, die weniger als 500 Kilometer zurückgelegt haben, wieder nach Hause fahren müssen“, sagt Stahlheber. Das aber kam für sie nicht in Frage. „Wir haben gesagt, wir laden unsere Sachen selbst aus, also durften wir bleiben.“

Vor Ort erlebte die Großkrotzenburgerin, wie unterschiedlich Hilfe aussehen kann: „Die Getränkemarke Förstina hatte einen 40-Tonner mit Wasser an den Nürburgring geschickt.“ Die Helfer, sagt sie, hätten alles per Hand abgeladen. Ein privater Helfer hatte zwei gebrauchte Autos als Spende dabei. „Ich habe auch junge Leute kennengelernt, die mit Quads durch den Wald gefahren sind, um den Helfern vor Ort Diesel für die Radlader, Traktoren und weiteres Hilfsgerät zu bringen.“ Denn Straßen sind unpassierbar, Tankstellen und Mineralöllager überdies zerstört.

Nach Flutkatastrophe: Birgit Stahlheber aus Großkrotzenburg will auch Geld spenden

Noch in der Nacht fuhren die beiden Frauen wieder nach Hause, kurz vor drei Uhr war die Hauruck-Aktion beendet. „Wir waren sehr glücklich“, sagt Stahlheber. Später habe sich das Glück mit Wut gemischt, denn die Hilfsgüter wurden zunächst gar nicht an die Bevölkerung ausgegeben. Inzwischen aber läuft die Verteilung Medienberichten zu Folge an.

Samstag früh fuhr Stahlheber zum Roten Kreuz in Alzenau und gab die Hilfsgüter ab, die sie im Keller abgestellt hatte.

Sie hat schon den nächsten Plan: Nämlich Geld zu spenden. Aber nicht über die einschlägigen Organisationen, denen sie misstraut. „Vielleicht fahre ich wieder hin. Dann gehe ich mit meinem Hund zu Fuß durch den Wald und bringe es den Helfern persönlich. Dann weiß ich wenigstens, dass es wirklich ankommt.“ (Christine Semmler)

Auch Schauspieler und Komiker Michael „Bully“ Herbig spendet an die Opfer der Flutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz. Aus einem besonderen Anlass.

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