Etappensieg für Großkrotzenburg

Ein ehemaliger Mitarbeiter der Gemeinde und die neue Bürgermeisterin treffen sich vor Gericht, womöglich zum ersten Mal überhaupt. Denn die Vorwürfe, um die es hier geht – im Raum stehen Körperverletzung, Diebstahl, Unterschlagung – reichen weit zurück in den Sommer 2021, als Thorsten Bauroth der Verwaltungschef und Theresa Neumann noch Gemeindevertreterin war.
Zur Erinnerung: Dem Mitarbeiter, im Fachbereich Asylbetreuung tätig, wurde im August 2021 von der Gemeinde gekündigt, kurz nachdem Polizei und Staatsanwaltschaft das Großkrotzenburger Rathaus und zwei Privatwohnungen durchsucht hatten. Grund der Kündigung: Der Durchsuchungsbeschluss hatte den Verdacht nahegelegt, dass besagter Mitarbeiter sowie sein Vorgesetzter Asylbewerber geschlagen und genötigt, Gegenstände gestohlen, Geld veruntreut haben. Dieser Verdacht stützte sich auf etliche Zeugenaussagen von Bewohnern der Asylbewerber-Unterkunft in der Schulstraße.
Der ehemalige Mitarbeiter, der selbst Flüchtling ist, legte rechtliche Schritte ein und wird seither vom Frankfurter Rechtsanwalt Oktay Uzun vertreten. Dessen Argument: Ein bloßer Bezug auf den Durchsuchungsbeschluss reiche für eine Verdachtskündigung nicht aus: „Die Gemeinde hätte selbst Nachforschungen anstellen müssen“, so Uzun. Hierbei beruft er sich auf ein Urteil des Bundesarbeitsgericht (BAG) von November 2007 in einem ähnlichen Fall.
Gemeinde hatte Berufung eingelegt
Da alle Fälle in Großkrotzenburg passiert sind, etwa Veruntreuung von Beträgen aus der Gemeindekasse, hätte man das leicht selbst überprüfen können. „Das ist aber bis heute nicht geschehen“, so Uzun. Auch die Anhörung des Mitarbeiters durch den Personalrat sei in seinen Augen nicht rechtmäßig verlaufen: Die Frist von drei Tagen über das Wochenende sei nach Uzuns Auffassung viel zu kurz gewesen, um sich angemessen vorzubereiten. Das Arbeitsgericht in Offenbach hatte dem Kläger im Dezember 2021 in diesen beiden Punkten recht gegeben und die Kündigung für unwirksam erklärt. Die Gemeinde Großkrotzenburg hat daraufhin Berufung eingelegt und wechselte den Rechtsbeistand. Sie wird nun von den Anwälten Dirk Glock und Alisa Erb vertreten.
Die achte Kammer des Landesarbeitsgerichtes, unter Vorsitz der Präsidentin Dr. Bettina Günther, beurteilt den Fall nun etwas anders als die Richter in Offenbach. Die Frist, so Günther, sei möglicherweise nicht zu kurz gewesen. Es sei aber genau zu klären, wie die zeitliche Abfolge gewesen sei und auf welcher inhaltlichen Grundlage der Personalrat seine Entscheidung gefällt hat.
Auch die direkte Bezugnahme auf den Durchsuchungsbeschluss könne einer ersten Einschätzung nach rechtens sein: „Ich muss sagen, wir sehen hinreichende Verdachtsmomente“, so die Vorsitzende. „Aus unserer Sicht spricht einiges dafür, dass der Arbeitgeber Bezug auf den Durchsuchungsbeschluss nehmen durfte.“ Als Uzun sie empört auf das besagte BAG-Urteil verweist, erklärt sie: „Wir sehen das nicht als identischen Fall an.“
Eine gütliche Einigung der parteien kann die Vorsitzende Richterin an diesem Tag nicht erwirken: Es wird einen weiteren Termin geben. Hier werde es Aufgabe des Klägers sein, „die Vorwürfe erheblich zu entkräften“, so Günther. Auch Zeugen könnten zu diesem Termin vernommen werden.
Anwalt: „Mandant ist Bauernopfer“
Die Vorsitzende weist Uzun und seinen Mandanten darauf hin, dass die Liste der angeführten, teils schwerwiegenden Vorwürfe lang sei. „Ein oder zwei Aussagen mit Gewicht“ würden für ein Urteil zugunsten der Gemeinde schon ausreichen. Auch neue Zeugenaussagen und Inhalte aus der Ermittlungsakte, die die Gemeinde inzwischen nachgereicht hat, werden zum Tragen kommen.
Rechtsanwalt Uzun tut sich offensichtlich schwer damit, die Etappen-Niederlage zu akzeptieren. Er ist davon überzeugt, dass sein Mandant das „Bauernopfer“ von Intrigen in der Gemeinde sei. Um Führungsposten in der Gemeinde sei es den Drahtziehern gegangen, und darum, den ehemaligen Bürgermeister loszuwerden: „Wir werden jeden einzelnen Fall widerlegen.“. Rechtsanwalt Glock betont, dass auch auf seiten der Gemeinde ein großes Interesse bestehe, den Sachverhalt aufzuklären. „Aber ein einfaches Bestreiten, so wie bisher, ist uns zu wenig.“ Zum Ende der Verhandlung ist der Schönecker Rechtsanwalt zufrieden, „eine entscheidende Hürde genommen zu haben.“ Nach seiner Einschätzung hat die Gemeinde Großkrotzenburg jetzt wieder gute Chancen, den Rechtsstreit für sich zu gewinnen. Christine Semmler