Im Großkrotzenburger Rathaus wartet auf sie ein Berg von Anträgen

Großkrotzenburg – Dienstagabend kurz nach 18 Uhr. Theresa Neumann wartet vor dem Rathaus. In ein paar Tagen wird sie hier ihr Büro beziehen.
Die 31-Jährige ist wenige Minuten zuvor vom Bürgermeister-Seminar zurückgekommen. Zwei Tage lief die Schulung des Hessischen Städte- und Gemeindebundes in Bad Soden-Salmünster. Mit sieben Kolleginnen und Kollegen saß Neumann zusammen. „Einige sind schon seit ein paar Wochen im Amt, andere, so wie ich, beginnen demnächst“, erzählt sie.
Und was lernt man bei einem Bürgermeister-Seminar? Neumann nippt am Cappuccino im Eiscafé und lacht. „Man lernt, welche Aufgaben ein Bürgermeister hat, wie man sich auf das Amt vorbereitet.“ Auch über die Antrittsrede haben sie gesprochen. Die hält Theresa Neumann am Donnerstag, 23. Juni. Um 19.30 Uhr beginnt die Gemeindevertreterversammlung an diesem Tag. Neumann wird ihre Ernennungsurkunde erhalten, den Amtseid leisten. Bei der öffentlichen Veranstaltung werden auch Grußworte gesprochen. Und es gibt Musik. Neben den Melodivas und dem Blasorchester des TV Großkrotzenburg spielt auch das Zupforchester – letzteres an diesem Abend ohne Theresa Neumann und ihre Mandoline.
Eine andere, eine neue Rolle? Manchmal vergesse sie glatt, dass sie ab 1. Juli Bürgermeisterin ist, sagt die Frau mit den kurzen blonden Haaren. Zum Beispiel wenn es um Terminabsprachen in der regulären politischen Arbeit gehe. Dann fällt der noch Partei- und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Großkrotzenburger CDU ein, dass sie gar nicht mehr dabei oder ihre Rolle dann eine andere ist. Den Fraktionsvorsitz übernimmt Michael Bergmann, wer Parteichef wird, ist noch offen.
Nach der Stichwahl am 20. März stand Neumann als Siegerin fest. 57 Prozent der abgegebenen Stimmen hatte sie auf sich vereint, ihr Lebensgefährte Lucas Bäuml, Fraktionsvorsitzender der Krotzebojer Grüne, holte 43 Prozent. Die Politik haben die beiden jetzt nochmal hinter sich gelassen und Urlaub auf Kreta gemacht. „Wer weiß, wann das wieder klappt?“, fragt die 31-Jährige.
Die Zeit seit dem Wahlsieg im März sei gerannt. Eigentlich war das Ziel der Christdemokratin, die Jura in Frankfurt und Paris studiert und bis Ende März als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Frankfurt gearbeitet hat, ihre Doktorarbeit im Bereich Völkerrecht abzuschließen. Das hat sie noch nicht geschafft, es aber in den nächsten Tagen vor.
Zeit war nicht viel. Neumann, die ein Referendariat beginnen wollte, um im Staatsdienst oder als Anwältin im Bereich öffentliches Recht zu arbeiten, hat im April in einer Kanzlei gearbeitet. Anfang Mai fanden zwei Übergabetermine mit Amtsvorgänger Thorsten Bauroth (parteilos) statt. Der ist seit Mitte Mai im Urlaub, Ulrich Fischer, Erster Beigeordneter, leitet die Geschäfte seither. Auch mit einigen der insgesamt 60 Mitarbeiter der Gemeinde hat die 31-Jährige sich schon getroffen und versucht, als Gast an den Sitzungen des zehnköpfigen Gemeindevorstands teilzunehmen. Dass Bauroth keine offizielle Verabschiedung wünscht, findet seine Nachfolgern schade, „aber es ist seine Entscheidung“.
Sie hat Wünsche gehört, Herausforderungen erkannt und viele positive Rückmeldungen bekommen. Ja, sie sei motiviert und fühle sich gut vorbereitet, sei aber auch aufgeregt und habe Respekt vor der Aufgabe, räumt die Bürgermeisterin in spe ein.
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Katja Leikert hatte am Wahlabend gesagt: „Theresa hat das Rathaus in zwei Wochen im Griff.“ Die Einschätzung, die allerdings auch den Leistungsdruck erhöht, freut Neumann zwar, „aber in zwei Wochen alles umzustrukturieren, geht natürlich nicht. Das wird ein dauerhaftes Projekt sein“. Dennoch weiß sie, dass nach der Ära Bauroth eine Art „Heilsbringerin“ erwartet wird, der jetzt alles regelt.
Aber Neumann, die 16 Jahre Leistungsschwimmerin war, kann auch Langstrecke. Sie weiß, dass man Ausdauer braucht, um ans Ziel zu kommen. Die ersten Tage will sie nutzen, um Abläufe und Strukturen noch besser kennenzulernen. Sie will im Kindegarten und in der Kläranlage hospitieren. Ankommen. Und dann eigene Strukturen und Arbeitsabläufe etablieren.
Dass sie nicht nur das Miteinander zwischen Bürgermeisterin und Parlament, sondern auch das mit den Bürgern verbessern möchte, hatte Neumann schon im Wahlkampf erklärt. So schnell wie möglich soll es eine Bürgersprechstunde geben. Und auch der Umgang mit den Fraktionen ist für sie klar: mehr Gespräche, mehr Informationen, die an alle gehen.
Etwa 60 Anträge des Parlaments warten noch auf Abarbeitung. Sie alle gilt es zu sichten und zu priorisieren. „Ich werde mein Bestes tun, um das Arbeitsklima in der Verwaltung und die Zusammenarbeit mit dem Parlament zu verbessern.“
Bei den großen Projekten wie Bürgerhaus und Neue Mitte müssten Fraktionen, aber auch Bürgerinnen und Bürger mitgenommen werden, findet Neumann und hat sich genau das vorgenommen.
Der erste offizielle Termin als Bürgermeisterin steht übrigens schon im Kalender: Am 2. und 3. Juli finden am Großkrotzenburger See die Deutschen Freiwassermeisterschaften statt. Statt zur Badekappe wird Theresa Neumann dann zum Mikrofon greifen und als Bürgermeisterin durchstarten. Von Yvonne Backhaus-arnold