Nach Prüfung: Wassermangel entspricht nicht den Tatsachen

Großkrotzenburg. Das Thema Löschwasserversorgung hat für Aufregung gesorgt. Berechnungen zufolge bestünde dramatischer Nachholbedarf in zwei Gebieten. Die Gemeindevertretung ließ die dafür im Haushalt anberaumten Mittel sperren. Zu Recht: Es zeichnet sich ab, dass sie schlicht nicht benötigt werden.
Von Sebastian Zeh
Erstmals wurde während einer gemeinsamen Sitzung aller Ausschüsse über das Thema debattiert. Dabeiwurden sämtliche Positionen des 388-Seiten-Haushalts besprochen. An einer Position war zu diesem Zeitpunkt eine Investitionssumme von insgesamt 562 500 Euro verbucht – gebunden an den wenig ausführlich beschriebenen Zweck „Ertüchtigung Löschwasserversorgung“. Bürgermeister Thorsten Bauroth wurde um Erläuterung gebeten.
„Es wurde eine sogenannte Bestandsüberrechnung durchgeführt, die bemessen soll, an welchen Stellen unser Wassernetz sanierungs- oder erneuerungsbedürftig ist“, erklärte Bauroth. Diese sei notwendig geworden, da Gemeinde und Gemeindewerke nach dem geschlossenen Löschwasservertrag einen Bedarfsplan zusammentrugen. Ein Ingenieurbüro wurde beauftragt, die Versorgung zu berechnen und eventuelle Schwachstellen zu finden.
Angeblich haben heftige Mängel bestandenIm Zuge dessen hieß es zunächst, dass im Bereich des Ortseingangs an der Taunusstraße, aber auch im Wohn- und Einkaufsgebiet am Waldsee erhebliche Schwachstellen bestünden. Die Leitungen lieferten laut Rechnungen rund 20 Liter Wasser pro Sekunde zu wenig. „Alleine im Bereich Waldsee müssen wir netto 205 000 Euro investieren“, hatte Bauroth mitgeteilt.
Das sorgte für Unmut unter den Gemeindevertretern, die sich geschlossen dazu entschieden, die Mittel vorerst zu sperren. Es solle zunächst im Umwelt- und Bauausschuss darüber beraten werden – nach einer geforderten Stellungnahme des Wasserversorgers.
Fakten wurden überprüftDie Sachlage hat sich inzwischen verändert. Wie Bauroth auf Nachfrage mitteilte, hätten die Gemeindewerke die errechneten Zahlen vor Ort überprüft. „Dabei wurde festgestellt, dass es sowohl im Bereich Waldsee als auch an Taunus- und Beethovenstraße in unmittelbarer Nähe einen Hydranten gibt, der die geforderten 96 Kubikmeter hergibt.“
Weiter teilte Bauroth mit, dass das Ingenieurbüro wohl zumindest teilweise auf Basis falscher Annahmen gerechnet hatte. „Im Bericht wird davon ausgegangen, dass sämtliche Leitungen sogenannte Gussleitungen sind. Allerdings hat mir Horst Prey von den Gemeindewerken mitgeteilt, dass zwischenzeitlich bereits einige Rohre durch aktuellere PE-Leitungen ausgetauscht wurden.“ Eine verringerte Versorgung durch Korrosion falle somit deutlich weniger drastisch aus als angenommen.
Praxistest widerlegt theoretische ZahlenDurch den Praxistest der Gemeindewerke sei festgestellt worden, dass sich die theoretischen Zahlen nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten deckten. „Dieser Test war von unserer Seite aus von Anfang an eingeplant“, versicherte der Rathauschef.
Dass sich die halbe Million Investitionskosten dennoch im Haushalt niedergeschlagen haben, sei dem Zeitdruck geschuldet. „Der Bericht des Ingenieurbüros wurde uns in der heißen Phase der Haushaltsplanung übermittelt. Deswegen haben wir den Betrag verbucht, denn wir mussten den zu diesem Zeitpunkt möglichen 'worst case' mit einplanen“, sagte Bauroth.
Ein neuer Schieber könnte genügenEine endgültige Klärung des Sachverhalts sei in den nächsten Wochen zu erwarten. „Hierfür müssen wir mit der Feuerwehr, aber auch dem Kreisbrandinspektor Markus Busanni Rücksprache halten.“ Sollten sich die aktuellen Vermutungen bewahrheiten, könnte man die zu investierende Summe deutlich reduzieren, wie der Bürgermeister erklärt: „Es könnte in diesem Falle ausreichen, einen sogenannten Schieber zu installieren, um bei Bedarf mehr Wasser aus der Gemeinde Kahl, die uns teilweise mit beliefert, bereitzustellen.“ Dadurch erhöhe sich kurzfristig der Wasserdruck. Die Maßnahme würde rund 10 000 Euro kosten.
Zudem sei es möglich, eine feste Wasserentnahmestelle am Waldsee zu installieren, über die das offene Gewässer als zusätzliche Quelle nutzbar werde. „Diese Option würden wir allerdings nur dann in Betracht ziehen, wenn sie auch tatsächlich notwendig ist.“