Bauroth kandidiert trotz heftiger Attacken aus dem Gemeindeparlament

Wir treffen Thorsten Bauroth in unmittelbarer Nähe des Kraftwerks Staudinger, dem weithin sichtbaren Wahrzeichen der Gemeinde. Die Entwicklung dieser Flächen am Ortsrand sieht der 55-Jährige als wichtigstes Projekt der Gemeinde. 50 Hektar gilt es hier zu entwickeln. Der Bebauungsplan „Gewerbegebiet 30 an der Limesbrücke“ ist umgesetzt, auf dem Gelände „Auf dem Mittelfeld“ will sich der Netzwerkbetreiber Tennet erweitern.
Großkrotzenburg - Die Gespräche mit den Grundstücksbesitzern laufen, berichtet Bauroth. Nur noch die Blöcke 4 und 5 sind in Betrieb. Die kommerzielle Stromerzeugung wird eingestellt, ab Mai 2023 keine Fernwärme mehr geliefert. Die Gemeindewerke wollen hier eine Solarthermie-Anlage und ein etwas größeres Blockheizkraftwerk bauen. Der Bebauungsplan hierfür steht ebenfalls genauso wie die Pläne von Uniper, Rechenzentren auf dem Staudinger-Gelände anzusiedeln. Es gebe viele weitere Projekte, aber die Entwicklung hier sei extrem wichtig für die Zukunft der Gemeinde. „So kommen wir auch gewerbesteuermäßig wieder nach oben“, ist der Rathauschef sicher.
Bauroth ist gebürtiger Großkrotzenburger, lebt mit seiner Frau Anette und den beiden Kindern Leon (23) und Elena (18) in der 7500-Einwohner-Gemeinde. Er hat in Frankfurt Jura studiert, sich danach mit einem Bekannten im Ort selbstständig gemacht bis er zu einer Kanzlei nach Großauheim wechselte. Danach arbeitete der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht in einer Kanzlei in Karlstein.
Bauroth tritt als Parteiloser an
Dass er 2016 als parteiloser Bürgermeistkandidat ins Rennen ging, war so nie geplant. Von 2011 bis 2011 saß er für die CDU im Gemeindeparlament. Der Partei blieb er verbunden, wollte für die CDU 2016 bei der Bürgermeisterwahl kandieren. Die Findungskommission um Aloys Lenz, der später zu Bauroths größten Kritikern gehörte, und dem Landtagsabgeordneten Heiko Kasseckert, sah dies anders, entschied sich für Max Schad als CDU-Kandidaten.
„Ich muss mich nicht hinter einem Parteiprogramm verstecken“, hat der Mann mit den kurzen grauen Haaren damals gesagt, „sondern nur auf mich hören und auf die Bürger, die ich vertreten soll.“ Bauroth trat als Parteiloser an und überzeugte die Großkrotzenburger. In der Stichwahl gegen Daniel Protzmann (FDP) setzte er sich am Ende mit 63,7 Prozent der Stimmen durch. In der Deutlichkeit auch für ihn ein „mehr als überraschendes Ergebnis“.
Bauroth ist bodenständig. Manche halten ihn für zu leise, unauffällig, nicht politisch genug. Er ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, auch wenn gerade wenig Zeit ist für die Teilnahme an den Übungsabenden, die immer auf den Ausschuss-Mittwoch fallen. Er ist zweimal Halbmarathon-Finisher beim Limeslauf gewesen, hat viele Jahre das Tor der Großkrotzenburger Handballer gehütet. Fest eingeplant ist aktuell nur der Lauftreff. Sonntag, 9 Uhr. Dann geht es eine Stunde durch den Niederwald. „Der Ausgleich ist wichtig“, sagt Bauroth.
Acht Bebauungspläne auf den Weg gebracht
Was er gelernt hat in den sechs Jahren als Rathauschef? Dass alles seine Zeit dauere und Dinge, die schnell gingen, eher die Ausnahme seien. Stagnation, dieser Begriff schwebe wie ein Damoklesschwert über der Kommune. Das sieht er nicht so, bemüht die Zahl 8. So viele Bebauungspläne seien in den vergangenen vier Jahren auf den Weg gebracht worden. „Das sind die Grundlagen für die Zukunft der Gemeinde.“
Am 1. Februar haben die Bauarbeiten für das Ärztehaus begonnen. Ein paar Meter weiter entsteht der Neubau des katholischen Kindergartens, der ab August in Betrieb gehen soll.

Es gilt, das Areal rund ums Bürgerhaus zu entwickeln. Sanieren oder abreißen, wobei Bauroth klar für Letzteres ist. Was passiert in dieser Zeit mit dem JUZ? Auch das Feuerwehrhaus aus den 1960er Jahren müsse mit vertretbarem Aufwand auf den Stand der Technik gebracht – oder an anderer Stelle neu gebaut werden. Wo könnte der neue Bauhof entstehen, der gemeinsam mit Kahl betrieben werden soll? Für die frei gewordenen Fläche am Oberwaldstadion sei ein Pflegeheim oder betreutes Wohnen denkbar. Interessenten hätten sich bereits gemeldet. „Da ist so viel, was wir angestoßen haben und was ich weiter begleiten möchte.“
Generationenwechsel in der Verwaltungsbelegschaft
In die Schlagzeilen kommen diese Projekte auch, aber andere Themen überlagern sie. Im Juli 2021 hatten die Gemeindevertreter einstimmig eine Resolution gegen den Bürgermeister verabschiedet. Vorgeworfen wurden ihm darin Rechtsverstöße, Versäumnisse und Verschleppungen. Das Arbeitstempo der Verwaltung wurde und wird immer wieder kritisiert, zuletzt beim Thema Sanierung des Oberwaldstadions.
20 Mitarbeiter sind im Rathaus beschäftigt, rund 70 in der gesamten Verwaltung. „Wir haben einen Generationenwechsel vollzogen. In meiner Amtszeit sind zwölf neue Mitarbeiter eingestellt worden, die Bauverwaltung wurde komplett ausgetauscht“, so Bauroth. Es klingt nach dem Versuch einer Erklärung. Über Jahrzehnte, sagen Beobachter, sei die Verwaltung nicht stark geführt worden. Auch Bauroth scheint das bisher nicht geändert zu haben oder ändern zu können.
Bauroth: Amt ist reizvoll und facettenreich
Warum kandidiert er noch mal, tut sich das an? Bauroth überlegt. Vergnügungssteuerpflichtig seien die Erlebnisse der vergangenen zwei Jahre sicher nicht, sagt er. Aber ernüchtert? Nein. Das Amt sei unverändert reizvoll, facettenreich. Der 55-Jährige bemängelt vor allem den Umgangston. Kein Stil sei das. „Kritik ist das eine“, sagt er, „die ist auch legitim, aber es kommt darauf, wie sie ausgeübt wird.“
Sollte sich die Mehrheit der Großkrotzenburger erneut für Thorsten Bauroth entscheiden, hat der eine wahrhaft schwere Aufgabe vor sich, die ohne Hilfe von außen kaum lösbar scheint. „Ich bin gesprächsbereit“, sagt er bei unserem Spaziergang, „aber ich bin nicht als Prügelknabe gewählt worden. Beide Seiten müssen zum Wohl der Gemeinde am Umgang miteinander arbeiten.“